Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum Bairisch so genial ist
Literatur im Tiergarten mit amüsanter Sprachbetrachtung
Es goss wie aus Kübeln, der Himmel tobte sich aus – dem Auftakt der Reihe „Literatur im Tiergarten“im Biergarten der Zoo-Gaststätte hätte man bessere äußere Umstände gewünscht.
Dennoch: Unter großen, wasserdichten Schirmen, mit einem wohlwollenden Publikum und einem Veranstalter wie Kurt Idrizovic von der Buchhandlung am Obstmarkt, den keine Widrigkeit umwirft, legte der Sprachwissenschaftler Günther Grewendorf dar, „warum Bairisch genial ist“. Wunderbar passend dazu die feine Volksmusik von Christoph Lambertz an der BassKlarinette und Johannes Stift an der Steirischen Harmonika.
An ausgewählten Beispielsätzen aus dem Bairischen zeigte Grewendorf, der viele Jahre an der Universität Frankfurt Linguistik gelehrt hatte, auf, dass es im Bairischen grammatikalische Strukturen gibt, die sich im Standarddeutschen nicht finden – eher noch im Japanischen.
„I mog di obwoist a Depp bist.“Für den Sprachwissenschaftler ist allein dieser Satz eine Fundgrube für Entdeckungen. Wo klingt in diesem Satz das „Du“durch? Es hat sich versteckt im „st“bei „obwoist“. Grewendorf betrachtete das bairische „Wir“, konzentriert im „So samma mir“oder dem „Mia san mir“. Ein „ganz rätselhaftes Phänomen“seien die verschiedenen Endungen in der „ersten Person Plural“des Bairischen, sprich dem „Wir“.
Spätestens jetzt dürften manche unter den Zuhörerinnen und Zuhörern, die kein Proseminar Sprachwissenschaft innerhalb des Germanistikstudiums besucht hatten, ausgestiegen sein. An deftigen bairischen Beispielsätzen fehlte es ja nicht, etwa: „Wenn I den dawisch, daschlog I“oder „I geh mi guat in dene Schuah“. Dass in erstem Beispiel im Nebensatz das Objekt fehlt, weil der Satz mit einem „Wenn“eingeleitet wird, und dass es im zweiten Beispiel möglich wird, dass man „sich in diesen Schuhen geht“, weil das Bairische „ein Mittelding zwischen Aktiv und Passiv ist“, dürften nicht alle auf Anhieb mit nachvollzogen haben. Sie haben hoffentlich nicht sagen müssen: „Mia hod neamd koa bia net eigschenkt.“Darin stecken nämlich „drei Negationselemente“, die’s gar nicht gebraucht hätte.
Günther Grewendorf, „der wo“(ein bairisches Relativpronomen) auch das Buch „Warum Bairisch genial ist“geschrieben hat, erhob das Bairische wegen seiner grammatikalischen Raffinesse und Subtilität sogar auf einen internationalen Rang im Konzert der Sprachen. Nächster Termin der Reihe „Literatur im Tiergarten“findet am 7. August mit Dirk Heißerer statt.