Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wuchtige Stürme und feine Brisen
Schöne Stimmen prägen die sommerliche Atmosphäre der Opern-Highlights. Cellist Maximilian Hornung entschädigt für den Umzug der Orchester-Gala nach Heilig Kreuz
„Petrus meint es heuer mit uns besonders gut“– mit mehrdeutiger Ironie reagierte Wilhelm Walz in der Orchestergala I am Samstag gelassen auf die unterschiedlichen Wetterbedingungen für die Konzerte im Fronhof. Da war den ganzen Tag über klar, dass das Publikum statt im Open-Air-Fronhof wegen Dauerregens nach evangelisch Heilig Kreuz pilgern musste. Doch der Festivalleiter hatte auch die positiven Seiten gemeint: Die Akustik lässt dort das rein künstlerische Ergebnis steigern – der grandiose Cellist Maximilian Hornung und die SUK Symphony Prag wussten es zu schätzen. Andererseits gab es zuvor in der eröffnenden Operngala am Freitag zum wunderbar sommerlich warm dämmernden Abend jede Menge Atmosphäre mit schönen Stimmen und Szenen.
Wolfgang Amadé Mozart waren an diesem ersten Abend der Konzertreihe Ausschnitte aus „Zauberflöte“, „Don Giovanni“, „Titus“gewidmet. Die Szenen aus Mozarts/ Schikaneders Märchenspiel führten eher besinnliche Stationen vor. Johannes Kammler ließ sich mit kernigem Bariton die pralle Freude und unschuldige Komik des Vogelfängers Papageno nicht entgehen; Tenor David Fischer formte fein Taminos Bildnis-Arie; es gab mit Young Kwon einen freundlich sachlich in die Bass-Tiefen niedersteigenden Sarastro; Milena Knauß’ zarter Pamina-Sopran („Ach ich fühl’s“) und drei Domsingknaben waren überzeugend zugegen, dann mit Sarastro und dem Chor im Finale „Die Strahlen der Sonne“vereint. Im „Don Giovanni“führte Kammler mit satt gezügelter musikalischer Testosteron-Wucht den Verführer vor („La cí darem la mano“). David Fischer (Don Ottavio) und Young Kwons kraftvoller Giovanni-Vasall Leporello formten tonschön die Don Giovanni eher „unterlegene“Männerriege. Die betroffenen Frauen Zerlina (Milena Nauß), Donna Anna (Samt-Sopran Jihyun Cecilia Lee) und Elvira (Natalya Boeva) führten ein farbiges Stimmenpanorama vor. Das Sextett „Sola sola in buio loco“war der Höhepunkt, wo die erotischen Brisen in Stürme umschlugen.
Im Mittelpunkt der drei „Titus“-Szenen stand „Parto, ma tu ben mio“des Sesto. Der Mezzo der ARD-Preisträgerin Natalya Boeva ließ die differenziert glühenden Melos-Bögen leuchten. Was sie mit dem fantastischen Soloklarinettisten an Koloratur und filigraner Umspielung bot, machte die Arie zu einer Art Solokonzert – purer Genuss. Ein weiterer Augsburger Theaterstar, Sally du Randt, sprang in drei „Tosca“-Nummern für die erkrankte Bea Robein ein: „Vissi d’arte“leuchtete.
In der Heilig-Kreuz-Kirche also konnte die SUK Symphony, akustisch näher und konzentrierter, ihr symphonisch orchestrales Potenzial vorführen. Geschmeidige Verläufe zeigte das Ensemble schon etwa in der Zauberflöten-Ouvertüre oder im „Don Giovanni“im Fronhof. Als Zusatzprogrammpunkt war bei der Orchestergala I die „Titus“-Ouvertüre zu hören: Da wurde sogleich deutlich, dass man glanzvolle Kraft entfalten kann. Dies kam dem hinreißenden Auftritt von Maximilian Hornung zugute. Der aus Augsburg stammende Weltklasse-Musiker riss mit Camille Saint-Saëns’ 1. Cellokonzert in den Bann. Wilhelm Walz sorgte am Dirigentenpult von der ersten Sekunde an für einen Drive, der mit dem sofort sich ereignenden Einsatz des Solisten ein Feuer entzündete, das sozusagen zwischen stürmisch aufflackerndem Lohen und lauernd dämmerndem Schwelbrand changierte. Wie Hornung auch die rasantesten Presto-Ketten in einen immer beherrschten magischen musikalischen Strom einbettete, filigrane Muster und sonore Klanggewölbe aus seinem Instrument zog, die Rokoko-Grazie einer Menuett-Anmutung wieder in den Romantik-Sturm überführte, war sensationell. Tosenden Befall beantwortete er mit einer irrlichternder Bach-Vision (1. Cello-Suite).
Ludwig van Beethovens 7. Sinfonie war zum Abschluss der Gala ein rhythmisch-bacchantisch sich entladendes Fest. Die Spannung der pochenden Einleitung führte Walz in die motorische Wucht des Kopfsatzes mit seiner fast gewaltsam punktierten Rhythmus-Ballung, aus der sich – attacca gespielt und ohne Pause – das Geflecht des mysteriös schreitenden Allegretto direkt löste. Auch die Echo- und Repetitionswogen des Presto-Scherzos stürzten direkt in die orgiastisch kulminierende Flut des Finales. Wilhelm Walz und „sein“Orchester, das mit der eher kleinen Mozart-Besetzung der präzis und griffig agierenden Streicher und einem glanzvollen Bläserapparat imponierte, wurden gefeiert.