Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die vielen Gesichter des Fronhofs
Kapellen wurden abgebrochen und Friedhöfe eingeebnet – aus der fürstbischöflichen Residenz am Dom wurde zwischenzeitlich ein Wittelsbacher-Schloss und aus dem Herrenhof ein Turnierhof / Serie (3)
Der Fronhof – das heißt „Herrenhof“– der einstigen Bischofspfalz und späteren fürstbischöflichen Residenz beim Dom diente im 15. und 16. Jahrhundert als Turnierhof. Die Reichsstadt Augsburg erlebte zwischen 1400 und 1550 etwa 45 Turniere, meist bei Besuchen von Königen und Kaisern sowie bei Reichstagen. Von den Gebäuden der alten Bischofspfalz sind nur noch ein schlanker Turm und der massige Burggrafenturm an der Peutingerstraße erhalten. In der Bischofsresidenz „residiert“seit 1817 die Regierung von Schwaben.
Der Amtssitz der oftmals hochadeligen Fürstbischöfe veränderte sich in vielen Bauphasen im jeweiligen Zeitgeschmack. Um 1680 begann die Umwandlung der alten Pfalz in eine schlossartige Residenz. Fürstbischof Clemens Wenzeslaus von Sachsen vollendete sie 1785. Er wurde bei der Säkularisation 1802/03 enteignet, seiner weltlichen Rechte und Güter beraubt. 1812 starb der letzte Fürstbischof der Diözese Augsburg in seinem Sommerschloss in Marktoberdorf. 1806 war seine Residenz in Augsburg in den Besitz des Königreichs Bayern übergegangen. Es wandelte sich zeitweise zum Wittelsbacher-Schloss.
Der Übergang in Staatsbesitz hatte Folgen für den Fronhof: Er wurde zum Paradeplatz. Der von Kapellen umrahmte Fronhof musste zuvor freigeräumt werden. Einst befanden sich dort zwei Friedhöfe: die „Lichten“und die „Finsteren Gräbd“genannt. 1809 fielen drei Kapellen der Spitzhacke zum Opfer, die Friedhöfe wurden geräumt und eingeebnet. Diese Fläche hätte für einen Paradeplatz ausgereicht, aber auch die Johanniskirche beim Ostchor des Domes verschwand.
Für den Abbruch der Johanniskirche hatte ein Zeitgenosse eine banale Begründung: Durch sie sei vom Hohen Weg aus „der freie Blick auf den Dom gehemmt“gewesen. Die Situation vor 1809 ist durch Bilder überliefert, und sie ist vor Ort gut vorstellbar: Die Grundmauern der Johanniskirche sind nämlich erhalten. Die Archäologen legten die Fundamente der um 960 errichteten dreischiffigen Johanniskirche frei, und sie gruben darunter noch tiefer. Sie stießen auf Reste eines frühchristlichen Kirchleins des 6. oder 7. Jahrhunderts und in der tiefsten Kulturschicht auf Spuren eines römerzeitlichen Gebäudes. Der erforschte Bereich blieb als archäologischer Park erhalten. Grundrisse sind sichtbar und Schautafeln erläutern die Geschichte.
Der öde, baumlose Fronhof diente ein halbes Jahrhundert als Paradeplatz. Kupferstiche und ein Foto überliefern das. Die Umwandlung in einen Park leitete die Aufstellung eines provisorischen Sieges- und Friedensdenkmals ein. Das war unmittelbar nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71.
Das jetzige Friedensdenkmal steht seit 1876 im Fronhof. 1876 war nur das Denkmal umgrünt. 1878 begann die gärtnerische Gestaltung des Westteils des Fronhofs. Ab 1889 wurde auch der Ostteil zum Park. 1931 wurden die Fundamente der Johanniskirche freigelegt, danach auch der Fronhof südlich des Doms bis zum Hohen Weg neu gestaltet. Seit 1954 bildet die „Römermauer“eine optische Trennung zwischen dem zum Teil gepflasterten Ostteil und dem grünen Westteil des Fronhofs mit Friedensdenkmal, Kinderspielplatz und Blumenrabatten.
Bei einer „Auffrischung“des Fronhofs im Jahr 2001 bekam die lange „Römermauer“einen Durchblick zu den Regierungsgebäuden. Der Burggrafenturm und eine historische Häuserzeile begrenzen den Fronhof gegen Süden zur Peutingerstraße. Das einstige Hofgitter der Schüle’schen Kattunmanufaktur vor dem Roten Tor bildet eine Verbindung zwischen dem Burggrafenturm und den Regierungsgebäuden. Inschrifttafeln in der Durchfahrt erinnern an abgebrochene Kapellen und einstige Fürstbischöfe. Die Kapellen wurden Opfer des Wandels des Fronhofs vom fürstbischöflichen Park zum zeitweiligen Paradeplatz des königlich-bayerischen Militärs. Info Die Serie „Stadtentwicklung“zeigt auf, wie sich Augsburg in den ver gangenen 200 Jahren verkehrsmäßig wandelte. Abbruchaktionen riesigen Ausmaßes schufen die Voraussetzung für neue Straßen und Bauwerke auf frei gelegten Trassen.