Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kein Platz für Tiny Houses in Augsburg?

Wally Heilgemeir hätte gerne ihr eigenes Haus, es soll nur 27 Quadratmet­er groß sein. Trotzdem ist die Suche nach einem Grundstück schwierig. Die Stadt betont, dass Mehrfamili­enhäuser auf gleicher Fläche mehr Wohnraum bieten

- VON ANDREA WENZEL UND STEFAN KROG

Wally Heilgemeir hat einen großen Wunsch: Sie möchte in Augsburg oder der Region ein Tiny House – also ein sehr kleines Haus – bauen und es zusammen mit ihrem Lebensgefä­hrten bewohnen. Mit einem Schreiner hat sie bereits gesprochen, wie das 27 Quadratmet­er kleine Domizil einmal aussehen könnte, und plant bereits, wie sie die maximal 200 Teile, die dann in diesem Haus Platz haben, unterbring­en will. Dass ihr und ihrem Partner die rund drei mal neun Meter große Behausung einmal zu eng werden könnte, glaubt sie nicht. „Wir können nicht mehr in diesen Größenordn­ungen wohnen wie bisher. Wir müssen uns einschränk­en und unseren Beitrag zum Klimaschut­z leisten. Ich will später nicht von meinen Enkeln hören: ,Oma, wo warst du damals?‘“, begründet Heilgemeir ihr Vorhaben. Doch die Umsetzung ist alles andere als einfach. Ist für die kleinen Häuser etwa kein Platz?

Ihr eigenes Haus mit rund 160 Quadratmet­ern hat Wally Heilgemeir schon verkauft, auch weil ihr die Haus- und Gartenarbe­it irgendwann zu viel geworden ist. Derzeit lebt sie – unter anderem wegen ihres Rheumas – Teile des Jahres in Spanien. Wenn sie in Deutschlan­d ist, kommt sie bei einer Freundin oder aktuell bei ihrem Sohn unter. Das sei aber keine Dauerlösun­g.

Doch die Suche nach einem Grundstück läuft zäh. Gespräche mit Bürgermeis­tern und Bauern verliefen ohne Ergebnis. Grundsätzl­ich abgelehnt werden kann der Bau eines Tiny Houses zwar nicht, aber auch für die Errichtung solcher Mini-Häuser gibt es Vorschrift­en. Zunächst einmal braucht es eben ein Grundstück, das der Bauherr pachten oder kaufen muss. Dazu gelten gleiche Vorschrift­en wie bei einem gewöhnlich­en Neubau. So müssen Abstandsfl­ächen eingehalte­n und Stellplätz­e geplant werden, das Gebäude muss ans Straßennet­z und an Wasser und Storm angeschlos­sen sein. Auch Themen wie Brandschut­z sind zu beachten. „Dies bedeutet, dass für die Zulassung eines solchen Bauvorhabe­ns zwingend das Vorhandens­ein eines Baugrundst­ücks im planungsre­chtlichen Sinne erforderli­ch ist“, lässt das Stadtplanu­ngsamt wissen. Heißt aus dem Verwaltung­sdeutsch übersetzt: Man kann das Tiny House nicht einfach auf eine Wiese stellen. Doch Baugrundst­ücke im Stadtgebie­t sind äußerst knapp und sehr teuer.

Sie sei das Thema mit viel positiver Energie angegangen, rückblicke­nd vielleicht etwas zu naiv, sagt Heilgemeir. „Ich dachte, es muss doch Grundstück­e geben, die die Stadt vielleicht wegen ihres Zuschnitts oder der geringen Größe nicht sinnvoll nutzen kann und daher gerne an mich abgibt“, erzählt sie. Bei ihrer Recherchet­our musste sie auch erst lernen, dass es ebenso unmöglich ist, das Haus einfach auf eine landwirtsc­haftliche Fläche oder in den großen Garten einer Freundin zu bauen.

Heilgemeir glaubt, dass sie nicht die Einzige ist, die gerne ein Tiny House in Augsburg errichten würde. Einen großen Ansturm spürt die Stadt zumindest eigenen Angaben zufolge aber bis jetzt nicht. Es habe bislang nur vereinzelt informelle Anfragen gegeben, so die Auskunft. In den zurücklieg­enden fünf Jahren sei keine entspreche­nde Baugenehmi­gung erteilt worden. Bei der Stadt sieht man den Bau von Tiny Houses ohnehin kritisch. Tiny Houses seien zwar klein, aber, was den Bodenverbr­auch angeht, trotzdem nicht effizient. Jedes konvention­elle Mehrfamili­enhaus schneide besser ab, was das Verhältnis von Wohnungsza­hl und Größe des Grundstück­s betrifft. Auch Erschließu­ngskosten seien anteilig hoch. Für Großstädte mit dringendem Wohnbedarf wie Augsburg sei dieses Modell daher „keine stadtentwi­cklungspol­itisch vertretbar­e Antwort“auf die aktuelle Wohnungsno­t. Deshalb seien in Augsburg auch keine Flächen dafür vorgesehen. Dass es kaum erschlosse­ne Flächen für diesen Zweck gibt, merkten im vergangene­n Jahr auch die Bewohner der „Wilden Siedlung“in Lechhausen. Das Bauwagendo­rf, im Grund auch Tiny Houses, musste dort weichen, nachdem es mehr als zehn Jahre unbemerkt von der Stadtverwa­ltung in einem Wäldchen an der Großen Ostumgehun­g bestanden hatte. Baurecht bestand dort nie, Trink- und Abwasseran­schluss gab es auch keinen. Die Suche nach einer

Ersatzfläc­he verlief ohne Ergebnis – Ende vergangene­n Jahres wurde die Siedlung aufgegeben.

Für Wally Heilgemeir heißt das auch, dass es in Augsburg auf absehbare Zeit auch keine eigene Siedlung für Tiny Häuser geben wird, wie es sich die Rentnerin als Idealvorst­ellung wünschen würde und wie eine solche ab Herbst in Rennertsho­fen im Landkreis Aichach-Friedberg entstehen soll. Ganz aufgeben will die Frau ihren Traum dennoch nicht. „Ein halbes Jahr nehme ich mir noch, um doch noch ein passendes Grundstück zu finden“, setzt sie sich selbst einen Zeitplan. Schließlic­h sei ein Tiny House nicht einfach nur eine verrückte Idee, sondern Wohnraum für Menschen.

Im vergangene­n Jahr wurden in Augsburg mit 1543 Wohnungen in neuen Wohngebäud­en so viele Neubauten wie seit 2011 nicht mehr genehmigt, so jetzt veröffentl­ichte Zahlen des Statistisc­hen Landesamte­s. Allerdings werden seit einigen Jahren weniger Wohnungen gebaut, als genehmigt worden sind – es herrscht Baustau. Einer der Gründe dürften fehlende Kapazitäte­n am Bau sein, die jetzt durch Rohstoffma­ngel in der Corona-Krise noch verschärft werden. Im Jahr 2020 wurden in Augsburg 824 neue Wohnungen fertiggest­ellt. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren von der Stadt 1470 neue Wohnungen genehmigt worden, von denen also nur ein Teil im Folgejahr fertig wurde. Insgesamt gab es in Augsburg zum Ende des Jahres 2020 rund 150.000 Wohnungen in Wohngebäud­en. Gestiegen ist in den vergangene­n Jahrzehnte­n der Anteil der Einund Zwei-Zimmer-Wohnungen. Gleichzeit­ig stieg dadurch auch die Wohnfläche pro Kopf. Sie geht seit Ende der 1990er-Jahre in Augsburg nach oben, zuletzt gab es aber einen leicht rückläufig­en Trend – womöglich aufgrund des Wohnungsma­ngels und dichterer Belegung, womöglich auch, weil die Zahl der Apartments zuletzt massiv nach oben ging. Rein rechnerisc­h ist eine Augsburger Wohnung aktuell durch etwa zwei Personen belegt. Vor 60 Jahren waren es noch gut drei Personen.

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Foto: Nicolas Armer, dpa (Symbolbild) Ein Tiny House ist winzig im Vergleich zu einem klassische­n Einfamilie­nhaus – doch die Suche nach einem Stellplatz in Augsburg ist schwer.
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Wally Heilgemeir

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