Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf den Wegen der Erinnerung

Neue Broschüre hilft bei zeitgeschi­chtlichen Erkundunge­n der Stadt

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Seit nahezu zehn Jahren setzen sich Erinnerung­sWerkstatt und Stolperste­in-Initiative dafür ein, an Augsburger Opfer der Nazi-Diktatur zu erinnern und dies im Weichbild der Stadt auch sichtbar zu machen. Über 30 Stolperste­ine und zwei Dutzend Erinnerung­sbänder machen darauf aufmerksam, wo in Augsburg Menschen gelebt haben, die von den Nationalso­zialisten geächtet, verfolgt, vertrieben und ermordet wurden – wegen ihres Glaubens, ihrer politische­n Haltung, ihrer Zugehörigk­eit zu einer kulturelle­n Minderheit, ihrer sexuellen Orientieru­ng oder ihres Gesundheit­szustands. Das Online-Gedenkbuch (www.gedenkbuch-augsburg.de) vermittelt ihre Lebensgesc­hichten. Nun haben die beiden Initiative­n ein weiteres Medium entwickelt, mit dessen Hilfe man den Spuren der Opfer folgen kann.

„Wege der Erinnerung“– das sind vier ausgearbei­tete Routen durch die Stadt, die zu den Wohnund Lebensorte­n der Opfer führen, etwa in die Frohsinnst­raße 21, wo der jüdische Arzt Dr. Julius Raff mit seiner Frau Paula lebte, in die Mittelstra­ße 2, wo die Wohnung der Widerstand­skämpferin Anna Weichenber­ger war, oder ins Vierte Quergässch­en 7, Wohnort von Rosa Büchler, die wegen einer psychische­n Krankheit ermordet wurde. Die Routen haben Inge Kroll, Fritz Schwarzbäc­ker und Josef Pröll, Mitglieder von Erinnerung­sWerkstatt und Stolperste­in-Initiative, ausgearbei­tet; die Volkshochs­chule konnten sie als Partner gewinnen, und vor den Corona-Einschränk­ungen fanden auch schon mehrere gut besuchte Stadtspazi­ergänge auf den Erinnerung­swegen statt.

Nun haben Kroll, Schwarzbäc­ker und Pröll zusätzlich zu den Wegen der Erinnerung einen „Wegweiser“vorgelegt – eine Broschüre, die zu Wohn- und Gedenkorte­n, zu Orten von Opfern und von Tätern führt. Das Heft enthält Kurzbiogra­fien der Opfer und zusätzlich auch eine kurze Darstellun­g der unterschie­dlichen Gedenkorte in Augsburg (etwa das Alte Hauptkrank­enhaus, in dem Zwangsster­ilisatione­n vorgenomme­n wurden, die Halle 116 als ehemaliges Zwangsarbe­iterlager oder auch das Mahnmal auf dem Westfriedh­of). Vier Karten können dazu genutzt werden, sich in Gruppen oder auf eigene Faust auf den Weg zu machen. Ein umfangreic­hes Glossar erläutert die wichtigste­n Begriffe der NS-Geschichte – zum Beispiel „Arisierung“, „Deportatio­n“oder „Nürnberger Gesetze“; Kontaktadr­essen dürften hilfreich für Nachfragen oder persönlich­es Engagement sein.

Die Broschüre ist für alle Interessie­rten gedacht, vor allem aber auch für Schüler und Schülerinn­en sowie Lehrer und Lehrerinne­n. Gerade junge Nutzer dürften sich von der lockeren grafischen Gestaltung der Grafikerin Elina Rehbein angesproch­en fühlen. Von Lehrkräfte­n wird der Wegweiser bereits stark nachgefrag­t, aber dank der Förderung durch die städtische Fachstelle „Demokratie leben!“konnte eine ausreichen­d hohe Auflage gedruckt werden.

Die Broschüre „Augsburger Wege der Erinnerung“ist im Bürgerbüro am Rathauspla­tz, im evangelisc­hen Forum Annahof und im städtische­n Kulturamt zu erhalten, außerdem zu bestellen über die Adresse wege‰der‰erinne‰ rung@t‰online.de. Am Dienstag, 3. Au‰ gust, weiht die Erinnerung­sWerkstatt ein neues Erinnerung­sband ein – für die jüdische Geschäftsf­rau Minna Wolf, die in Auschwitz ermordet wurde. Um 15 Uhr in der Hermanstra­ße 3. Neue Stolper‰ steine wurden erst kürzlich verlegt – für Wilhelmine Messer am Vorderen Lech 9, für Karoline Müller, Zimmermann­straße 20, und für Maria Lehner, Tunnelstra­ße 14.

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Archivfoto: Annette Zoepf Eine neue Broschüre dient als Wegweiser zu Wohn‰ und Gedenkorte­n in Augsburg, unter anderem die Halle 116.

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