Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mutter um Geld betrogen? Prozess eingestellt
Von einem Konto einer 81 Jahre alten Seniorin werden innerhalb eines guten Jahres 16.000 Euro abgehoben. Die Tochter gerät in Verdacht. Doch vor Gericht wird einiges klar
Innerhalb von 14 Monaten werden vom Konto einer 81-jährigen Seniorin aus Augsburg 16.000 Euro abgehoben – von der angeklagten 58-jährigen Tochter und einer Enkelin der Geschädigten. Wegen Unklarheiten bei der Beweislage und bei der Anzeigenerstellung wurde das Verfahren gegen die Tochter gegen Bezahlung einer 500-Euro-Geldauflage vorläufig eingestellt.
Wer sich um hilfsbedürftige Elter oder Großeltern etwa kümmert, kennt die Problematik: Oma im Seniorenheim braucht Geld vom Girokonto, die Angehörigen heben es ab. Einfachheitshalber werden zur ersten Bankkarte weitere angefertigt, um den schnellen Zugriff zu gewährleisten. So auch im vorliegenden Fall, der jetzt vor dem Schöffengericht um Vorsitzende Richterin Rita Greser landete. Denn es kamen, wie nicht selten in solchen Konstellationen, Zweifel über den Verbleib des Geldes auf. Eine Schwester der Angeklagten hatte sich an die Polizei gewandt. Sie war der Überzeugung, dass die 58-Jährige und deren Tochter längst nicht das ganze Geld für die Oma aufgewandt, sondern sich auch selbst bedient haben. Haben sie auch, räumte Rechtsanwalt Felix Hägele für seine Mandantin ein und legte eine Protokollnotiz aus der polizeilichen Vernehmung vor.
Laut derer hatte die Oma ihrer Tochter und der Enkelin gestattet, sich Geld zu nehmen, wenn sie gerade knapp bei Kasse seien. Zudem zeigte sich in dieser Protokollnotiz, dass die Geschädigte wohl kein Interesse an einer Strafverfolgung gehabt habe. Allerdings fand sich ihre Unterschrift dann doch auf einer Anzeige – jener gegen die 58-jährige Tochter. Gemeinschaftliche gewerbsmäßige Untreue und Betrug legte Staatsanwältin Sabine AbtSchmerer der nicht arbeitsfähigen Verkäuferin zur Last.
Anschließend verlas sie eine Liste von über 60 Abhebungen innerhalb von 14 Monaten zwischen Oktober 2019 und Januar 2021 an Geldautomaten, wobei rund 16.000 Euro vom Konto der Angeklagten geholt worden waren. Was die Anklageschrift nicht aussagte, was aber Richterin Greser eruiert hatte: Nur 4800 Euro wurden mit jener Karte abgehoben, die die Angeklagte besessen hatte. Der Restbetrag entfiel auf andere Karten.
Auch waren mit der Karte der Angeklagten drei Überweisungen im Umfang von knapp 400 Euro legitimiert worden. Insgesamt sollen die Verkäuferin und deren nicht angeklagte Tochter für fast 2000 Euro verantwortlich sein, die an Überweisungen vom Konto der Oma erfolgten.
Noch einen Anklagepunkt gab es: Die 58-Jährige hatte für die Mutter eine aus ihrer Sicht interessante Geldanlage aufgetan. 6000 Euro gab ihr die 81-Jährige für eine Investition „in irgendetwas mit Krypto…“, wie gesagt wurde, weitere 5000 Euro lieh die Geschädigte der Angeklagten, damit auch diese hier investieren konnte. Letztlich, so Rechtsanwalt Hägele, der von einer „schwindeligen Sache“sprach, habe es einen Totalverlust des angelegten Geldes zu beklagen gegeben. Nicht nur die 11.000 Euro von der Oma waren weg, auch die Angeklagte selbst hatte über 12.000 Euro verloren. Eine entsprechende Anzeige gegen den Finanzdienstleister legte der Verteidiger dem Gericht vor. Für die Angeklagte wies er die Vorwürfe der Anklageschrift zurück.
Für Richterin Greser hatten sich nach eigenen Worten schon bei der Vorbereitung auf das Verfahren verschiedene Fragen ergeben. So habe sie kein gemeinschaftliches Handeln von Enkelin und Tochter zulasten der Oma erkennen können. Auch sei da der „Freibrief“, für sich selbst auch Geld vom Konto nehmen zu dürfen. Schließlich die unklare Sachlage mit der Anzeigenerstellung. Die Geschädigte konnte vom Gericht nicht befragt werden, für sie legte das Seniorenheim ein Attest vor, dass die betagte Frau nicht gefahrlos an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen könne.
Nach gemeinsamem Überlegen und Beraten schlug Verteidiger Hägele eine vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen eine Auflage vor, der die Staatsanwältin zustimmte. Richterin Greser entschied, dass die mittellose Angeklagte 500 Euro in Raten an den Sozialdienst katholischer Männer (SKM) zu zahlen habe, anschließend werde das Verfahren endgültig eingestellt – was die Strafbarkeit des Handelns der 58-Jährigen anbelangt.
Am Rande der Hauptverhandlung wurde bekannt, dass sich die Betroffenen aus der Familie in gleicher Sache auch zivilrechtlich auseinandersetzen. Dabei solle es um den Verbleib der insgesamt knapp 30.000 Euro der 81-jährigen Frau gehen.