Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gefahr im Verzug
Wie die Augsburger Polizei mit einem kindlichen „Notfall“umging
Dieses eine Kärtchen von Markus sicherte für 365 Tage das Überleben. Es musste nicht viel draufstehen. „Hiermit lade ich Dich zu meinem Geburtstag ein, Dein Markus“, reichte vollkommen. Spätestens beim „Dein“war der Kinderhand zwar die Kondition ausgegangen, die Tinte aus dem Pelikan-Füller hatte ein paar unfreiwillige Ausflüge unternommen, aber das war egal. Es waren die Siebzigerjahre, als Sieben-, Acht- oder Neunjähriger war man zum Bäumeausreißen bestimmt, und zu Markus’ Geburtstag kamen sie alle. Wehe, du nicht. Der Weltuntergang wäre nichts dagegen gewesen. Ein Königreich also für dieses jährliche Stückchen Papier im Briefkasten.
Nur vor dem Hintergrund solcher schicksalhafter Erfahrungen ist das Vorgehen der Augsburger Polizei in einem aktuellen Fall von Diebstahl zu verstehen. Ihr war der Fund unzähliger aufgerissener Postsendungen gemeldet worden. Die Ermittler taten daraufhin das, was getan werden muss: Sie inspizierten
Brief für Brief. Und fanden unter anderem eine Einladung zum Kindergeburtstag.
Nun hätten die Polizisten den Brief wieder zukleben und in die Post geben können. Das Problem wäre nur gewesen: Er hätte den Empfänger erst nach der Geburtstagsfeier erreicht – die Beamten hatten die Einladung ja gelesen. Wenn man so will, war also Gefahr im Verzug. Deshalb setzten sich zwei Beamte in den Streifenwagen und brachten die Einladung persönlich vorbei. Übrigens mitsamt einem Geschenk für den Kleinen. Der Junge hat nämlich in wenigen Tagen selbst Geburtstag.