Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das Ende der Festspiele – und jetzt?
Von Bayreuth bis Bregenz haben die Sommerfestivals gezeigt, dass Theater in Corona-Zeiten möglich ist. Nun aber beginnt der schwierige Bühnen-Alltag
Wird das vor der Pause angelegte Handgelenksbändchen – so wie es gerade ein Attribut der auslaufenden Sommer-Festspiele in Bayreuth, München, Salzburg war – zum Symbol auch der Theatersaison 2021/2022?
Das kann gut sein, denn bald kehrt in Ablösung der abendländischen Sommerhochkultur der normale Theateralltag im ganzen Land ein – und kaum eine Bühne dürfte bei steigenden Corona-Zahlen wünschen, nach der Pause noch einmal Personalausweis plus personifizierte Eintrittskarte plus Impfausweis von denen zu kontrollieren, die zwischen zweitem und drittem Akt mal eben frische Luft schnappen wollten.
Das Gleichgewicht zu halten zwischen möglichst großer hygienischer Sicherheit und möglichst hoher Platzausnutzung wird bleiben als Aufgabe der Bühnen allüberall – sei es mit der 3G-Regelung oder, in verschärfter Form, mit der aufkommenden 2G-Regelung, mit der nur mehr Geimpfte und Genesene, nicht aber Getestete, an bestimmten Formen gesellschaftlichen Lebens teilnehmen können.
Zur künstlerischen Seite als Markenkern jeder Bühne gehört von jeher das Augenmerk auf die wirtschaftliche Seite. Doch jetzt kommt im laufenden Betrieb, womöglich auf Dauer, noch eine beachtenswerte Größe hinzu, die gravierende Auswirkungen sowohl aufs Künstlerische wie aufs Wirtschaftliche haben dürfte: die Anforderungen hinsichtlich gesundheitlicher Sicherheit.
Immerhin haben die Sommerfestspiele 2021 auf breiter Front dokumentiert, dass Theater und Konzert auch bei Vollbesetzung kein hasardeurhaftes Unternehmen sein müssen – jedenfalls nicht unter den gängigen Vorsichtsmaßnahmen. Ein doppelter Schatten bleibt dennoch über Theatern, Konzerthäusern und übrigens auch Museen liegen: zum einen die auch logistisch verschärften Regelungen der Arbeitsbedingungen mit den daraus resultierenden künstlerischen Auswirkungen (bei den Bayreuther Festspielen agierte die Hälfte des Opernchors stumm auf der Bühne, während der Gesang der anderen Hälfte aus dem Chorprobensaal übertragen wurde); zum zweiten aber, bedenklicher, der bereits eingelegte Rückwärtsgang etlicher
Kommunen bei der Finanzierung ihrer Theater und Museen. Als Pars pro Toto seien die bundesweit renommierten Münchner Kammerspiele genannt, die bereits in der kommenden Spielzeit deutlich kürzertreten müssen – bei drohender zusätzlicher Verschärfung. Erst setzte den Bühnen und Museen der Verdienstausfall durch die akute Corona-Lage zu, nun deren Folgekosten.
Und natürlich gibt es nun verstärkt Stimmmeldungen, die die finanziell angegriffenen öffentlichen Kassen als Argumentationsgrundlage für die Forderung hernehmen, Theatersanierungen zu stoppen. In Stuttgart nicht anders als in Augsburg. Oft genug schwingt da als Scheinargument die Behauptung vom elitären Spiel für eine elitäre Schicht mit. Nur: So ist es nicht.
Erstens leisten die Theater landauf, landab seit Jahrzehnten viel mehr Gesellschaftskritik, als es im Bewusstsein der Bürger verankert und so manchem Politiker lieb ist. Ein aktuelles, triftiges Beispiel dafür ist Luigi Nonos Musiktheater „Intolleranza“– eben bei den Festspielen in Salzburg als appellativer Verweis auf -zig Flüchtlingstragödien gegeben. Also genau in jenem Land, das partout keine afghanischen Flüchtlinge aufnehmen will. Und zweitens bieten die Bühnen als Bildungsstätten nahezu überall auch Sitzplätze unter dem Preis von Kino-Billetts an – beziehungsweise stark reduzierte Karten für finanziell Schwächere. Selbst im sündteuren Salzburg. Man muss es nur nutzen wollen.
Sitzplätze unter dem Preisniveau von Kino-Billetts