Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Sein Klang in Gottes Ohr
Wäre Robert Knöpfler im 17. Jahrhundert geboren, stünde hier vermutlich etwas von Elfenbein-belegten Registerzügen und reichlich Aufträgen. Heute hat er als Orgelbaumeister andere Herausforderungen – und Aufgaben
Die Königin der Instrumente wird die Orgel genannt, wegen ihrer Größe, ihrer Ausstattung und ihrer Möglichkeiten. 2021 ist sie Instrument des Jahres. Anlass für uns, in einer Serie Geschichten rund um die Orgel zu erzählen – über Organisten, besondere Instrumente und Musikstücke. In der dritten Folge haben wir den Augsburger Orgelbauer Robert Knöpfler in seiner Werkstatt besucht. Dabei ging es nicht nur um die Orgel, sondern das Handwerk, seine persönliche Geschichte und die Kirche.
Wenn Robert Knöpfler von Pfeife vier, Prinzipal acht Fuß und Windladen spricht, leuchten seine Augen. Auch wenn es für einen Laien nach einer besonders komplizierten Version von Schiffe versenken klingen mag – weghören kann man nicht. Viel zu fesselnd sind die Geschichten und die Leidenschaft, mit der der 62-jährige Orgelbauer von seinem Beruf erzählt.
Augsburger Innenstadt, Schäfflerbachstraße 6. Ein altes rotes Gebäude, an der Tür hängt ein mit einer goldenen Orgelpfeifen-Gravur verziertes Schild: „Orgelbau Knöpfler“. Was sich hinter dieser Türe verbirgt, lässt sich auf den ersten Blick kaum erahnen. Auf der einen Seite eine Werkstatt, Hobelspäne,
Das alte Handwerk – aber viel weniger Neubauten heute
Kisten, Schraubenzieher, Sägen. Auf der anderen Seite ein klassisches Büro. Wobei sich auch dort spannende Schätze verbergen, wie Knöpfler später zeigen wird.
Gerade erst vom Urlaub an der Nordsee zurück, hat der 62-Jährige in Augsburg wieder einiges zu tun. Vorwiegend: Stimmungen und Restaurationsarbeiten. „Eine grundsätzliche Musikalität braucht man schon“, sagt der Orgelexperte auf die Frage, was ein Orgelbauer denn können muss und zieht eine Pfeife aus einer Holzapparatur. In der Fachsprache: Intonierlade. Darauf stimmt und intoniert Knöpfler die Orgelpfeifen. „Eigentlich vereint der Beruf eine Vielzahl an ganz verschiedenen Disziplinen. Architektur, die Arbeit mit Holz, Musik“, erzählt er und hält die Pfeife schräg vor seine Augen, klopft vorsichtig mit einem kleinen Hämmerchen auf die Kernspalte. Der Orgelbaumeister zuckt mit den Schultern: „Einige Azubis hatten auch schon ganz andere Erwartungen an diesen Beruf, dachten, sie würden nur Orgeln gestalten. Die Fluktuation war in dieser Branche schon immer relativ groß.“
Knöpfler selbst hat seine Ausbildung zum Orgelbauer mit 23 Jahren
nachdem er zuerst seine Wehrpflicht und dann ein Elektronik-Studium absolvierte. Obwohl sein Vater sich eine Verwaltungslaufbahn gewünscht hätte, hat die Familie irgendwann gemerkt: Der junge Mann hat seine Begabung und seine Leidenschaft gefunden. Oder wie er es heute beschreibt: „Ich hatte den Wunsch nach einem Beruf, der den Menschen Freude schenkt, der der Welt etwas Gutes und Schönes beschert.“
Das tut er nun seit 1987 in Augsburg – beziehungsweise im ehemaligen Betrieb von Orgelbaumeister Rudolf Kubak, der im Mai 2008 verstarb. Bereits ein paar Jahre zuvor fing Knöpfler als junger Orgelbauer bei Kubak an, das war 1987. Seitdem hat sich viel verändert. „Wobei, das Handwerk ist gleich geblieben“, sagt Knöpfler. „Es sind nur einfach viel weniger Aufträge für Neubauten.“Momentan sind er und seine vier Mitarbeiter gut ausgelastet: „Ich hab aber keine Gewähr, dass das in einem Jahr genauso ist“, sagt Knöpfler. Vor über 30
habe man drei bis vier Jahre nur mit Neubauprojekten voll bekommen – heute geht es vor allem um Restauration. Und es waren auch mal neun anstatt fünf Orgelbauer Teil des Betriebs. Durch weniger Aufträge habe beispielsweise mal ein jahrelanger Mitarbeiter in eine Schreinerei gewechselt.
Aktuell arbeiten Knöpfler und seine Kollegen an der Orgel in der Dreifaltigkeitskirche in Göggingen, im Frühjahr beginnen die Arbeiten an der Orgel in St. Pius in Haunstetten. Obwohl er sich so viel in Kirchen aufhält, sind die hohen Decken, die Steinmauern und natürlich die Orgeln immer noch etwas Besonderes für ihn. „Ja, es schadet tatsächlich nicht, als Orgelbauer auch Kirchgänger zu sein. Man hält sich eben oft in sakralen Räumen auf und tut viel für die Liturgie. Man muss aber kein besonders gläubiger Christ sein“, sagt er und schmunzelt.
Weniger sakral als die Kirchen, in denen sich Knöpfler aufhält, ist sein Büro. Ja, ein Orgelbauer hat ein Büro. Für Wartungsverträge, Angebegonnen, bote, Rechnungen – den Papierkram eben. Dort hängt an der Wand unter anderem ein Bild der historischen Gabler-Orgel der Basilika in Weingarten. Eine prunkvolle Barockorgel mit 66 Registern.
Ob er lieber in der Barockzeit Orgeln gebaut hätte? Knöpfler lacht. „Nein. Ich möchte nicht in diese Zeit zurück.“Auch wenn sie für seine Berufsgruppe eine großartige
Zeit war: Klaviaturen aus Elfenbein könnte sich heute keine Gemeinde leisten.
Jahrhunderte früher hingegen gab es reiche Äbte in den Klöstern, die den Prunk gerne finanzierten. Die Orgel als Statussymbol sozusagen. Das mag sie immer noch sein. Doch: „Die Kirchen sind gerade noch so in der Lage, ihre Orgeln irgendwie zu erhalten“, meint der Experte. Für eine Gemeinde sei es schwierig, überhaupt eine RestauraJahren tion von bis zu 500000 Euro zu finanzieren. Auch Missbrauchsskandale und Zölibat-Diskussionen tun ihr Übriges, junge Menschen nicht unbedingt hin zu Kirchgängern oder zukünftigen Spendern zu motivieren. „Der Bund Deutscher Orgelbaumeister und die Diözesen strengen sich aber an, dass die Orgel wieder mehr ins Bewusstsein kommt. Gerade bei den jungen Leuten“, erzählt Knöpfler. Wie effektiv diese Öffentlichkeitsarbeit ist, kann auch der Orgelbauer nur schwer sagen.
Ab und zu würde jedoch mal eine Schulklasse bei ihm vorbeikommen. Den Schülerinnen und Schülern erzählt er dann auch, dass jede Orgel ein Unikat ist. Er keine zweimal gebaut habe. Knöpfler lehnt sich an eine Truhenorgel. Trotz der langen Erfahrung würde er sich nicht an jede Orgel trauen, meint er. Ganz nach dem Motto „Orgelbauer, bleib bei deinen Pfeifen“. „Hier kenne ich die Region und die Einflüsse. Bei einem norddeutschen Instrument hätte ich vielleicht meine Schwierigkeiten“, sagt er und lacht.
„Es schadet als Orgelbauer nicht, Kirchgänger zu sein“