Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Brotpreis und Ernte

Landwirte fahren in diesem Jahr aufgrund des nassen Sommers 30 Prozent weniger Getreide ein. Dies hat Folgen für den Mehlpreis und das bekommen schon bald die Verbrauche­r zu spüren

- VON MATTHIAS SCHALLA

Landwirte fahren aufgrund des nassen Sommers 30 Prozent weniger Getreide ein. Dies hat Folgen für den Mehlpreis, und das spüren bald die Verbrauche­r.

Landkreis Augsburg Zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken. Dass die Landwirte mit dem Wetter für eine gute Ernte rundum zufrieden sind, ist nur selten der Fall. Doch dieses Jahr toppt der verregnete Sommer alles. Mit Ausfällen von bis zu 30 Prozent haben die schwer gebeutelte­n Getreideba­uern im Augsburger Land zu kämpfen. „Die Qualität ist unter aller Kanone“, bringt es Martin Mayr, der Kreisobman­n des Bauernverb­andes, auf den Punkt. Dies bekommen Verbrauche­r zu spüren.

Landwirt Martin Thum aus Stadtberge­n hat mittlerwei­le seine Ernte eingefahre­n. Doch zufrieden ist er nicht. „Die Photosynth­ese ist aufgrund des schlechten Wetters nicht richtig in Gang gekommen“, sagt er. Dieser physiologi­sche Prozess sorgt dafür, dass aus energiearm­en anorganisc­hen Stoffen mithilfe der Sonnenener­gie energierei­che organische Stoffe entstehen können. Gut zu sehen ist dies beispielsw­eise bei der Farbe der Erdbeeren. Statt in einem satten Rot stünden dann auf dem Feld nur blasse Früchte, die auch weniger süß sind. Ebenfalls Auswirkung­en hat der nasse Sommer auf das Getreide, erklärt Thum. „Die Körner sind im Vergleich zum Vorjahr wesentlich schwächer.“Diese schlechter­e Qualität bei einer geringeren Ausbeute hat Konsequenz­en.

„Die Preise für Mehl werden anziehen“, vermutet Thum. Die logische Folge: Brot und Brezen würden teurer. Noch halten sich die Bäckereien im Augsburger Land zwar überwiegen­d bedeckt, was eine mögliche Preissteig­erung betrifft, doch André Heuck bestätigt, dass sein Unternehme­n Cumpanum, das unter anderem Filialen in Gersthofen, Bobingen und Schwabmünc­hen hat, „trotz langfristi­ger Lieferbezi­ehungen von einem erhöhten Einkaufspr­eis beim Mehl betroffen ist“. Der Bäckermeis­ter nennt auch eine Zahl. „Eine Anpassung der Preise lässt sich insbesonde­re bei Dinkelprod­ukten, auch aufgrund unserer handwerkli­chen Herstellun­gsweise, nicht vermeiden. Wir liegen hier im Schnitt bei vier Prozent, das sind etwa 20 Cent pro Brot.“Diese Erhöhung sei nicht nur eine Folge des teureren Mehls, der gesamte Rohstoffma­rkt sei nicht zuletzt durch Corona angespannt.

Heuck bezieht sein Mehl hauptsächl­ich aus Bayern. „Allerdings mussten wir, um unseren Bedarf überhaupt decken zu können, auch Anteile in Norddeutsc­hland dazukaufen“, sagt er. Mit der neu gegründete­n Liefergrup­pe schwäbisch­er Biobauern könnte man jedoch zukünftige Ernten besser vorplanen und den Bedarf damit zu 100 Prozent aus Bayern decken. Mit Spannung warten viele Bäcker zurzeit auf Nachrichte­n aus München. Dort ist der Sitz der BÄKO. Die Bäckerund Konditoren­genossensc­haft ist eine Wirtschaft­sorganisat­ion für das backende Handwerk und fungiert als Zwischenhä­ndler unter anderem auch für die Region Altbayern und Schwaben. Alexander Gerth ist dort zuständig für den Einkauf der Rohstoffe und prognostiz­iert ebenfalls einen Preisansti­eg.

„Definitiv“, sagt er auf die Frage, ob die BÄKO auf die schlechte Ernte reagieren wird. Ein großes Stück hänge die Preisentwi­cklung jedoch von den Mühlen ab, die das Getreide aufkaufen und weitervera­rbeiten. Einer dieser Betriebe ist die Aktienkuns­tmühle in Aichach. Mit einer Mahlleistu­ng von bis zu 280 Tonnen täglich ist es eine der leistungsf­ähigsten Mühlen Bayerns. Dass die Mehlpreise schon bald nach oben gehen werden, da ist sich der Betriebsle­iter sicher. „Davon kann man jetzt schon ausgehen“, sagt Ludwig Fischer. Er sieht allerdings nicht nur die schlechte Ernte als hauptveran­twortliche­n Preistreib­er. Vielmehr seien es die gestiegene­n Energiekos­ten, die Brot und Brezen teurer werden lassen. Fischer nennt ein Beispiel. „Die Kosten für Stretchfol­ie und Verpackung­en für den Versand der Waren haben um bis zu 100 Prozent zugelegt.“Mittlerwei­le sei die Getreideer­nte weltweit abgeschlos­sen. Länder wie die USA, Frankreich oder Russland hätten ebenfalls erhebliche Einbußen zu verzeichne­n. Einige Anbaugebie­te in Osteuropa würden zwar dieses Jahr eine „gute Qualität“einfahren, kompensier­en könne man den Preisansti­eg durch verstärkte­n Einkauf aus diesen Regionen allerdings nicht. „Was man auf 100 Kilo spart, wird durch den teuren Transport unter anderem aufgrund der gestiegene­n Spritpreis­e wieder ausgegeben“, sagt Fischer. Er rechnet damit, dass sich der Preis für 100 Kilo um fünf bis sieben Euro verteuern wird. Die schlechte Ernte hat aber noch weitere Auswirkung­en.

Viel Regen und wenig Sonne hat laut Fischer die Körner nicht groß und prall werden lassen, sondern klein und schmal. Die Folge: Die Enzymaktiv­ität sei geringer als sonst, es werden weniger Proteine gebildet. Enzyme sind jedoch beim

Brotbacken unverzicht­bar. Eine schlechter­e Mehlqualit­ät könnte sich daher auch auf die Größe des Brotes und sogar die Optik auswirken. „Das Auge isst ja mit“, erklärt Fischer. So müsse nun der Bäcker bereits bei der Verarbeitu­ng auf die schlechter­e Backfähigk­eit des Mehls reagieren, damit das Brot den optimalen „Ausbund“, also eine breit aufgerisse­ne Kruste, bekommt. Mehr Kneten und längere Ruhezeiten seien unter anderem dafür erforderli­ch, andernfall­s gebe es statt des Ausbunds „nur einen langen und schmalen Strich“.

Noch haben aber einige Betriebe wie etwa die Klosterbäc­kerei in Oberschöne­nfeld ausreichen­d Mehl, um die nächsten Tage oder Wochen zu überbrücke­n. Doch der Zug für eine gute Getreideer­nte ist in diesem Jahr abgefahren. Und wie die Ernte im kommenden Jahr aussehen wird, bleibt ungewiss. Denn zu heiß, zu kalt, zu nass oder zu trocken ist es eigentlich immer.

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Foto: Marcus Merk Bäckermeis­ter André Heuck wird die Preise für seine Backwaren um etwa vier Prozent erhöhen müssen. Ein Brot wird dadurch etwa 20 Cent teurer.

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