Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Für die Normalität braucht es noch Monate
Durch die neuen bayerischen Regeln wird nicht sofort alles besser, sagt Erwin Kistler, Geschäftsführer des Konzertbüros Augsburg. Auch jetzt im September müssen viele Veranstaltungen abgesagt werden
Am Dienstag hat das Konzertbüro Augsburg die Veranstaltung von Eckhart von Hirschhausen Ende September im Kongress am Park abgesagt. Ebenfalls am Dienstag hat die Bayerische Staatsregierung neue Corona-Regeln vorgestellt, die nun auch wieder voll besetzte Säle zulassen. War das also zu früh verschoben vom Konzertbüro? Oder andersherum: Kam die neue Regelung einen Tag zu spät?
Erwin Kistler, Geschäftsführer der Agentur, sagt weder noch. „Veranstaltungen mit einer 1000er Saalgröße haben ein Jahr Vorlauf.“Gut zwölf Monate vor dem Beginn gehen sie in den Vorverkauf. Innerhalb von drei oder vier Wochen können so viele Tickets nicht verkauft werden. Absagen hätte man also auf jeden Fall müssen, so Kistler.
Dass die neue Regelung die coronabedingten Probleme sofort löse, daran glaubt Kistler nicht. „Die Menschen sind zutiefst verunsichert. Der Vorverkauf läuft oft nur schleppend.“Von 150 geplanten Veranstaltungen im September 2021 müssten 100 wieder abgesagt werden. Jüngstes und besonders schmerzhaftes Beispiel dafür ist ein
von Kaya Yanar in Heilbronn. Der Auftritt des Comedians am 23. September war ausverkauft gewesen mit 1900 Tickets, laut Corona-Verordnung von BadenWürttemberg, die der bayerischen ähnelt, ist das auch möglich, solange 3G-Nachweise erbracht werden.
Die Halle hat nun allerdings von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und die Platzkapazität gekappt, auf knapp 700 Besucher. Nun muss Kistler den Termin wieder verschieben, weil er nicht 1200 Besucher ausladen kann. Und: „Wir erreichen ja nie alle, damit sie die Absage erfahren“, sagt er. Also müssten am Termin drei bis vier Mitarbeiter in Heilbronn diejenigen in Empfang nehmen, die die Absage nicht mitbekommen haben, und diesen wiederum erklären, wie es zur Absage gekommen ist. Schwer verständlich dann sicher für manche, vor allem, weil die Corona-Regeln es zugelassen hätten.
Genau diese Verschiebungen machen das Geschäft gerade so schwer. „Es gibt da keine Sicherheit im Augenblick“, sagt Kistler. Niemand kann sagen, wie es im Oktober oder November ausschaut, ob die PlatzAuftritt kapazitäten wieder gekappt werden oder nicht. Solange das so sei, hielten sich die potenziellen Zuschauerinnen und Zuschauer zurück. Niemand buche etwas gerne, von dem er nicht wisse, ob es auch wirklich zu sehen sei. „Erst wenn der Betrieb wieder vier oder fünf Monate am Stück läuft, erst wenn klar ist, dass es keine Absagen und Verschiebungen wegen Corona mehr gibt, kehrt wieder Vertrauen ein“, sagt Kistler.
Das ist ihm auch als Veranstalter gerade abhandengekommen. In Oldenburg hätte jetzt am Wochenende Max Raabe auftreten sollen. Das Konzert war ebenfalls ausverkauft. Dort hat das Ordnungsamt plötzlich die Kapazität gekappt – obwohl die 3G-Nachweise kontrolliert worden wären. „Da kann doch nichts passieren, wenn alle geimpft, genesen oder getestet sind“, sagt Kistler. Das Publikum tanze doch nicht, es sitze in einer Reihenbestuhlung. „So wird die Kulturwirtschaft zerstört“, sagt Kistler. Denn auch diesen Auftritt von Raabe muss Kistler absagen, weil es nicht möglich ist, einzelne Besucher auszuladen. Nötig wird dies, nicht weil die Corona-Regeln im Land dies verhindert haben, sondern weil plötzlich eine lokale Maßnahme neu hinzukam.
Welche Dimensionen das hat, verdeutlicht eine Zahl: In den zurückliegenden 18 Monaten musste das Konzertbüro Augsburg ungefähr 2000 Veranstaltungen verschieben, teilweise nun schon das zweite Mal. „Im Moment ist das noch sehr schwer und die Politik macht es uns nicht einfacher“, sagt Kistler. Denn in Fällen wie den oben beschriebenen kann es auch sein, dass das Publikum mit Wut reagiere und insgeheim dem Veranstalter die Schuld für alles gebe.
Anderswo laufe es schon besser, berichtet Kistler. In Österreich stehen jetzt zehn Veranstaltungen mit jeweils über 5000 Besucherinnen und Besuchern an. Bislang haben auch alle großen Hallen, die das Konzertbüro in Bayern angefragt hat, signalisiert, wieder volle Platzkapazitäten zuzulassen. Kistler hofft, dass 2022 wieder normal, wie in den Jahren vor Corona, geplant und gearbeitet werden kann.
In Augsburg und Umgebung stehen demnächst auch zwei Termine des Konzertbüros an: Am 15. September wird Michl Müller in der Stadthalle Gersthofen auftreten. Und Martin Frank wird auf jeden Fall am 18. September im Kongress am Park zu erleben sein, wie Kistler sagt. Für beide Termine gibt es noch Karten.