Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das steckt hinter den alten Schriftzügen
An vielen Fassaden in der Stadt weist noch Werbung auf Geschäfte hin, die es längst nicht mehr gibt. Ein Streifzug zu Augsburgs „vergessenen Läden“
Sie begegnet uns auf Schritt und Tritt, oft beeinflusst sie uns unterbewusst: Werbung. Wir begegnen ihr nicht nur im Fernsehen oder im Radio, sondern auch bei einem Streifzug durch die Stadt kommen wir immer wieder an Plakaten und Schaufenstern vorbei, über die uns Waren angepriesen werden. Viele Häuser in Augsburg machen ebenfalls noch immer Werbung für Geschäfte, obwohl es sie schon gar nicht mehr gibt. Wir haben uns auf die Suche nach jenen Schriftzügen ohne Laden gemacht und die Geschichte dazu recherchiert.
Wir beginnen unseren Streifzug durch die ehemalige Augsburger Welt der Reklame am Vorderen Lech 4. Dort finden wir die verlassene Lechklause, eine Altstadt-Beize, die seit Jahren verwaist ist. Dabei hat sie eine bedeutende, literaturhistorische Vergangenheit. Im Jahr 1899 übernimmt der ehemalige Gärtnereipächter Christian Gabler von einer Witwe namens Deubler eine Branntweinbrennerei mit Ausschank. Bertolt Brecht, 1898 geboren, wird zusammen mit seinen Pennälerfreunden Stammgast. Sie haben ein gutes Verhältnis zu den schon älteren Gastwirtsleuten Gabler.
Später übernahmen Franz und Fanny Treutwein dieses Lokal. Die Bezeichnung „Gablers Taverne“die im Zusammenhang mit Brecht verwendet wird, lässt sich nicht nachweisen, und die „Treutwein’sche Gastwirtschaft“von Franz Treutwein firmierte unter Treutwein’s Weizenbierstube. In den 50er-Jahren finden wir hier auch die Lauterbacher Weizenbierstube. Dazu später mehr.
Von Brecht erst zu Mozart. An der Schlossermauer 25 steht das Haus von Hans Mozart. Es ist seit 1903 im Besitz der Familie. Die am Haus beworbene Zigarrenhandlung, die Hans Mozart von seiner Mutter übernahm, gibt es nicht mehr. Das Geschäft ist bereits seit 1990 geschlossen. Ob ein Verwandtschaftsverhältnis zu Wolfgang Amadeus Mozart besteht, ist auch den Mozarts nicht bekannt. „Darauf angesprochen zu werden, ist manchmal lästig, manchmal auch aufregend“, sagt Brigitte Mozart.
Nicht weit, Am Oberen Graben 1, finden wir ein Eckhaus mit dem Schriftzug „Fischzug Petri“. Ein religiöser Hinweis auf den Fischer Simon, der ein Menschenfischer wurde? 1804 wurde hier eine Brauereigaststätte gegründet. 1896, mit dem neuen Besitzer Johann Friedrich Pfeiffer, musste das Sudhaus weichen, und ein Saal wurde eingerichtet. Später gab es ein 50-BettenGasthaus mit Stallungen für die Pferde. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts war es üblich, dass Boten aus auswärtigen Gemeinden in Augsburger Gasthäusern übernachteten. 1913 waren es Anton Widmann und Ludwig Steinherr aus Aindling, die hier logierten und Informationen austauschten. Bis in die 1980er-Jahre ist die Restauration nachzuweisen, dann zog eine Bank ein. Der Namenszug am Haus blieb bestehen.
Etwas westlich, in der Barfüßerstraße 5, sehen wir eine Hausfront mit auffälligen Schriftzeichen, die
das Lauterbacher Bier und die Familie Ehnle hinweisen. „Eine Braustätte gab es hier nicht, aber in den 50er-Jahren eine verruchte Kneipe namens ‘Bunte Laterne’, wo dunkle Gestalten, Vieltrinker und auch Prostituierte verkehrten“, sagt Ludwig Ehnle. Sein Vater kaufte das Haus zu der Zeit, um den Weizenbierverkauf seiner Brauerei in Buttenwiesen zu forcieren. Hier sind wir wieder bei Gablers Taverne. 2009 musste Ludwig Ehnle seine Brauerei in Buttenwiesen schließen und verkaufte die Braurechte und Rezepturen an die Brauerei Riegele. Die Werbeschrift ließ Ehnle in den 80er-Jahren, nach strengen Vorgaben der Stadt Augsburg, vom Friedberger Kunstmaler Adolf Ziegler anbringen.
Um die Ecke, am Metzgplatz 3, stoßen wir auf Farben Huber und noch einmal auf Brecht. Aus Farben-Huber wurde Huber und Pöscha. 1929 gründete Heinrich Huber das Farben-Geschäft. Die Firma ist nach Lechhausen und Göggingen umgezogen. Geblieben ist die Beschriftung am letzten Schlachthaus, das 1846 gebaut wurde und bis 1900 seiner Funktion nachkam. Das hieß, die Schlachtabfälle landeten im angrenzenden Mittleren Lechkanal. Kein Wunder, dass die Familie Brecht, die auf der anderen Seite des schmalen Kanals wohnte, mit KleinBertolt wegzogen.
In der Pfladergasse 2, am EliasHoll-Platz, steht ein großes Eckhaus mit der Aufschrift „Haus Hockelmann“. 1869 gründete Franz Hoauf ckelmann hier seinen Spenglereiund Flaschnerbetrieb. Es blieb vier Generationen im Familienbesitz. Heute führt Andreas Nitzsche unter dem Namen Hockelmann das Geschäft weiter. Im Jahr 2020 wurde das Haus an eine Münchener Immobilienfirma verkauft, und Nitzsche musste zu seinem Leidwesen ausziehen. Ob der Schriftzug erhalten bleibt, ist ungewiss.
In der Bopp-Passage zwischen Steingasse 10 und 12, findet sich die Wandreklame von Trauner und Fischer. Bis 1895 lässt sich der Besitz des Hauses Nummer 12 der Familie Trauner nachweisen. Anfang des 20. Jahrhunderts gründete Michael Trauner ein Herren- und Knabenkonfektionsgeschäft und fusionierte in den 50er-Jahren mit dem Bekleidungsgeschäft
Fischer in der Steingasse 10 zu Trauner und Fischer. Das Traditionsgeschäft wurde nach 80 Jahren im Januar 1990 im Handelsregister gelöscht, weil niemand die Nachfolge übernehmen wollte.
Bevor wir Richtung Oberhausen verschwinden, noch ein Abstecher in die Georgenstraße 23. Das Geburtshaus von Anton Kühling III. Sein Vater Anton II. übernahm das Geschäft seines Vaters Anton I., der sein erstes Antiquitätengeschäft in der Johannesgasse gründete. 1907 kaufte er das Haus in der Georgenstraße 23. Als der Vater 1974 starb, übernahm Anton Kühling das Geschäft als vereidigter Sachverständiger, Versteigerer und Antiquitätenhändler bis 2007. Vor drei Jahren hat er das Anwesen in der Georgenstraße verkauft. Was die neuen Besitzer daraus machen werden, weiß er nicht. Der goldene Schriftzug wurde 1954 auf das kriegsbeschädigte Haus montiert.
Im Stadtteil Rechts der Wertach in der Wertachstraße 5, ist die wahrscheinlich letzte Giebelbemalung in Augsburg zu sehen: der Schuhkönig, ein Fantasiename. Es beginnt freudig 1909 und endet 1938 grausam. Selma und Kurt Pach heißen die ersten Besitzer. Weil sie Juden waren, mussten sie das Geschäft 1938 aufgeben und wurden ins Jüdische Ghetto Lager Piaski in Polen verschleppt. Sie gelten bis heute als verschollen.
Später wurde das Unternehmen von der Familie Marker geführt. Letzte Inhaberin war Elvira Marker, die aus Altersgründen im September 2002 den Schuhkönig schloss. Beste Kindheitserinnerungen hat die Oberhauserin Angelika Lippert an den Schuhkönig, „weil es hier eine Schaukel und ein Karussell gab“, sagt sie. Der Sohn Claus-Peter Marker betreibt im Haus eine Schlagzeugschule.
Unsere letzte Station ist in der Ulmer Straße 42. Hans Keller und Jakob Knappich kauften 1898 von dem Münchener Joseph Sugg die ehemalige Klöster’sche Reformschultafelfabrik und errichteten eine Fabrik für Acetylenapparate (Beleuchtungskörper) und Metallwarenfabrikation. Keller und Knappich werden zur Kuka und bezogen nach 60 Jahren, also 1958, die ersten neuen Werkhallen in Lechhausen. In der Ulmer Straße wurde weiter gefertigt unter anderem Schreibmaschinen. 1976 gibt Kuka diesen Standort auf, und der Industriekomplex wurde in eine Wohnanlage umgewidmet.
Die Lechklause am Vorderen Lech: Ehemals war sie die Treutwein’sche Gastwirt schaft, auch Gablers Taverne genannt, und Stammlokal von Bertolt Brecht.
Die Reklameschrift von Trauner und Fischer in der BoppPassage in der Steingasse 10 bis 12: Bis 1990 gab es hier ein Bekleidungsgeschäft.