Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Weniger ist mehr“– bei Zweitstimmen
Thomas Lidl kandidiert für die ÖDP. Der Erlebnispädagoge aus Mering will, dass sich schnell was verändert für den Klimaschutz. Seine erstaunliche Wahlempfehlung / Serie
Landkreis Unter der Woche nutzt er in der Regel nur ein Verkehrsmittel – ob für den Arbeitsweg von Mering nach Friedberg oder in der Freizeit. Mit dem Radl kommt Thomas Lidl auch zum Termin an seinen Lieblingsort: die Boulderhalle des Meringer Alpenvereins. In den Holzschuhen ist er barfuß und klettert so gleich los. Das passt, denn wenn der Direktkandidat der ÖDP im Bundestagswahlkreis Augsburg-Land sein Lebensmotto nennen soll, kommt spontan: „Weniger ist mehr.“„Mehr“bedeutet für ihn essenzielle Lebensgrundlagen wie „gesunde Luft oder gesundes Essen“.
Übersetzt auf die überregionale und regionale Politik wird seine Lebenseinstellung etwas ausführlicher und konkret: „Wir brauchen keine dritte Startbahn in München – wir fliegen zu viel.“„Wir brauchen keine dicken Autos – wir fahren zu viel.“„Wir brauchen keine Ortsumfahrung in Kissing“– Tempo 30 verringere den Lärm für die Anwohner dort. Jede neue Straße oder ein Ausbau, wie für die Osttangente durchs Lechtal geplant, bringe nur zusätzlichen Verkehr, ist Lidl überzeugt.
Der 41-Jährige bleibt auch als ÖDP-Bundestagskandidat seinem Motto konsequent treu: Er freue sich über jede persönliche Erststimme. Bei der Zweitstimme ist für ihn jedoch weniger ÖDP mehr, wenn stattdessen die aus seiner Sicht richtige Partei gewählt wird. Er empfiehlt jedenfalls ökologisch denkenden Bürgern, die etwas verändern wollten, ganz lapidar die Konkurrenz: „Wählt grün, wählt Baerbock.“Seit zwei Jahren ist Lidl Mitglied der ökologischen Demokraten und hat in der Partei ruckzuck Verantwortung übernommen. Im Leben, in Beruf und mit seiner Familie habe er sich Grundlagen geschaffen, nun sei Zeit für etwas Neues. Seit knapp einem Jahr ist er Kreisvorsitzender der ÖDP und jetzt Kandidat im Wahlkreis. Zurücklehnen sei nicht so seine Sache, sagt er dazu: Er wolle einfach was bewegen. Aber dem 41-Jährigen ist klar, dass es für ihn nicht für einen Umzug nach Berlin reichen wird und auch nicht für einen anderen aus seiner Partei – außer es geschehen noch Zeichen und Wunder. Weil das eher selten vorkommt und in Anbetracht des Klimawandels, müsse sich aber sofort etwas verändern: Wer Union oder SPD wähle, der sorge bestimmt nicht dafür, ist der Familienvater
mit drei Kindern (sieben, zehn, 13 Jahre) überzeugt.
Der Slogan („Damit Deutschland stabil bleibt“) auf CSU-Plakaten mit Kanzlerkandidat Armin Laschet und Ministerpräsident Markus Söder sage doch alles aus, findet Lidl. Stabilität sei eben genau das falsche Signal, wenn es darum gehe, die Erderwärmung zu stoppen beziehungsweise die Folgen zu begrenzen. Dazu seien zum Teil auch radikale Maßnahmen notwendig, sagt Lidl. Dass dies möglich sei und die große Mehrheit der Menschen dies akzeptieren würde, sieht er durch das Beispiel Rauchverbot in Bayern
bewiesen. Das hat die ÖDP vor über einem Jahrzehnt mit einem Volksbegehren ins Rollen gebracht und sei damals zunächst auf massiven Widerstand gestoßen.
Der gelernte Bankkaufmann hat in seinem Beruf gearbeitet, dann über den Zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und Lehramt studiert. Seit elf Jahren unterrichtet er an der Mittelschule in Friedberg und hat dort als Erlebnispädagoge ein besonderes Projekt ins Laufen gebracht, das ihm nicht nur sehr wichtig ist, sondern spürbar begeistert. Lidl hat sich schon im Studium intensiv mit der Erlebnispädagogik
beschäftigt. Ziel sei es, das Selbstwertgefühl der Schüler zu verbessern, Lernprozesse in Gang zu setzen, eigene Fähigkeiten zu erkennen und Selbstvertrauen zu entwickeln.
Gleiche Ziele verfolgt er in der Freizeit mit seinem Engagement bei der Sektion Mering des Alpenvereins. Seit 15 Jahren ist er Jugendleiter und betreut auch die vereinseigene Boulderhalle.
Die ist mit enormer Eigenleistung von engagierten Mitgliedern und in vielen Arbeitsstunden auch von ihm entstanden. In diesem Fall gilt für ihn also mal ein anderes Motto: „Viel ist mehr“.