Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vor 50 Jahren war ihr erster Arbeitstag
Es war eine andere Berufswelt, in die Marianne Schäffer 1971 bei der Geratshofener Firma Demmler eintrat
WertingenGeratshofen Es war eine andere Arbeitswelt, in die Marianne Schäffer vor 50 Jahren eintrat. Das Klackern der Rechen- und Schreibmaschinen war im Büro der Geratshofener Firma Demmler allgegenwärtig, ebenso der Zigarettenrauch. Doch im Rückblick sagt Schäffer heute: „Es war eine ruhigere Zeit.“Heute sei es hektischer, in vielerlei Hinsicht. Die Umbrüche im Arbeitsleben mit dem Einzug von Handy und Computer haben in ihren Augen vieles verändert. Gerade gegen den Computer habe sie sich lange gesträubt, sagt die 65-Jährige. Trotzdem kommt als Antwort auf die Frage, wie sie die vergangenen fünf Jahrzehnte im Rückblick sieht, wie aus der Pistole geschossen: „Schön war’s!“
Das lag vor allem auch an der Arbeitsatmosphäre. „Sie gehört zur Familie“, sagt Petra Weldishofer, Tochter von Seniorchef Johann Demmler. Das Büro von Marianne Schäffer war für sie einst eine Art zweites Kinderzimmer. Als Kind machte sie dort Hausaufgaben, später wurde sie von Schäffer im Büro ausgebildet. Ihr Vater Johann Demmler sagt über seine langjährige
Mitarbeiterin: „Es hat nie ein Problem gegeben, es war einwandfrei.“
An ihren ersten Arbeitstag kann sich Schäffer, die in Nordendorf wohnt, noch genau erinnern. Sie begann ihre Karriere in einer turbulenten Zeit der Firma, denn damals wurde ein kleinerer Standort aufgelöst. Also mussten massenhaft Formulare gestempelt werden. Den ganzen Tag verbrachte sie damit. Am Abend hatte sie Blasen an den Händen.
Die Arbeit im analogen Zeitalter sei zwar insgesamt weniger hektisch gewesen – doch es gab auch diverse Fallstricke, die ihr den Tag vermiesen konnten. So war beim Schreiben mit der Schreibmaschine viel größere Vorsicht geboten als heute, da ein Schreibfehler einfach per Tastendruck ungeschehen gemacht wird. Vermurkste sie früher einen Satz auf der Schreibmaschine, musste sie anschließend Tipp-Ex einsetzen, um den Fehler zu korrigieren. Die weißen Flecken waren jedoch auf den Schriftstücken deutlich zu erkennen. Schlichen sich mehrere Fehler ein, riss Marianne Schäffer die Seite heraus und fing sie von vorne an. Eine elektrische Schreibmaschine – die sie noch heute in Sichtweite stehen hat, für Notfälle – machte immerhin die Tastenanschläge leichter. „Bei den ganz alten Geräten konnte es schon sein, dass man mal eine Sehnenscheidenentzündung bekam“, erzählt Schäffer.
Zur Firma Demmler Fahrzeugbau kam Marianne Schäffer durch ihren Vater. Der arbeitete zu dieser Zeit als Lkw-Fahrer. Im Büroalltag fand sie sich schnell zurecht. In ihren 50 Jahren hat sich ihr Aufgabenbereich rund um alle Verwaltungsaufgaben kaum geändert. Etwa drei Jahre lang gab es ein Intermezzo, als sie Lkw disponierte, also deren Ladungen, Frachtraum und Touren den Kunden zuwies. Im Jahr 2002 allerdings wurde die Spedition bei Demmler aufgegeben und die Firma konzentrierte sich ganz auf den Fahrzeugbau.
Die Nordendorferin hat sich mit der modernen Arbeitswelt gut arrangiert – manchmal muss ihr aber ein Kollege helfen. Und zwar dann, wenn Englisch gefordert ist. „Das kann ich halt nicht“, sagt sie und lacht. Die Arbeit und auch die Belegschaft ist internationaler geworden, die Firma in allen Bereichen gewachsen. Als Schäffer anfing, arbeiteten etwa 20 Leute in der Geratshofener Firma. Heute seien es um die 70.
Marianne Schäffer ist immer die Erste in der Firma, ihr Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr. „Das macht mir nichts aus, ich bin kein Morgenmuffel“, sagt sie. Wann ihre lange Laufbahn bei Demmler enden wird, weiß sie nicht – ans Aufhören denken weder sie noch ihre Arbeitgeber, die sie als Teil der Familie betrachten. Aber das Rentenalter habe schon sein Gutes. „Ich denke mir jetzt immer: „Ich kann, ich muss aber nicht mehr“, sagt sie und lächelt.