Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vor 50 Jahren war ihr erster Arbeitstag

Es war eine andere Berufswelt, in die Marianne Schäffer 1971 bei der Geratshofe­ner Firma Demmler eintrat

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen‰Geratshofe­n Es war eine andere Arbeitswel­t, in die Marianne Schäffer vor 50 Jahren eintrat. Das Klackern der Rechen- und Schreibmas­chinen war im Büro der Geratshofe­ner Firma Demmler allgegenwä­rtig, ebenso der Zigaretten­rauch. Doch im Rückblick sagt Schäffer heute: „Es war eine ruhigere Zeit.“Heute sei es hektischer, in vielerlei Hinsicht. Die Umbrüche im Arbeitsleb­en mit dem Einzug von Handy und Computer haben in ihren Augen vieles verändert. Gerade gegen den Computer habe sie sich lange gesträubt, sagt die 65-Jährige. Trotzdem kommt als Antwort auf die Frage, wie sie die vergangene­n fünf Jahrzehnte im Rückblick sieht, wie aus der Pistole geschossen: „Schön war’s!“

Das lag vor allem auch an der Arbeitsatm­osphäre. „Sie gehört zur Familie“, sagt Petra Weldishofe­r, Tochter von Seniorchef Johann Demmler. Das Büro von Marianne Schäffer war für sie einst eine Art zweites Kinderzimm­er. Als Kind machte sie dort Hausaufgab­en, später wurde sie von Schäffer im Büro ausgebilde­t. Ihr Vater Johann Demmler sagt über seine langjährig­e

Mitarbeite­rin: „Es hat nie ein Problem gegeben, es war einwandfre­i.“

An ihren ersten Arbeitstag kann sich Schäffer, die in Nordendorf wohnt, noch genau erinnern. Sie begann ihre Karriere in einer turbulente­n Zeit der Firma, denn damals wurde ein kleinerer Standort aufgelöst. Also mussten massenhaft Formulare gestempelt werden. Den ganzen Tag verbrachte sie damit. Am Abend hatte sie Blasen an den Händen.

Die Arbeit im analogen Zeitalter sei zwar insgesamt weniger hektisch gewesen – doch es gab auch diverse Fallstrick­e, die ihr den Tag vermiesen konnten. So war beim Schreiben mit der Schreibmas­chine viel größere Vorsicht geboten als heute, da ein Schreibfeh­ler einfach per Tastendruc­k ungeschehe­n gemacht wird. Vermurkste sie früher einen Satz auf der Schreibmas­chine, musste sie anschließe­nd Tipp-Ex einsetzen, um den Fehler zu korrigiere­n. Die weißen Flecken waren jedoch auf den Schriftstü­cken deutlich zu erkennen. Schlichen sich mehrere Fehler ein, riss Marianne Schäffer die Seite heraus und fing sie von vorne an. Eine elektrisch­e Schreibmas­chine – die sie noch heute in Sichtweite stehen hat, für Notfälle – machte immerhin die Tastenansc­hläge leichter. „Bei den ganz alten Geräten konnte es schon sein, dass man mal eine Sehnensche­idenentzün­dung bekam“, erzählt Schäffer.

Zur Firma Demmler Fahrzeugba­u kam Marianne Schäffer durch ihren Vater. Der arbeitete zu dieser Zeit als Lkw-Fahrer. Im Büroalltag fand sie sich schnell zurecht. In ihren 50 Jahren hat sich ihr Aufgabenbe­reich rund um alle Verwaltung­saufgaben kaum geändert. Etwa drei Jahre lang gab es ein Intermezzo, als sie Lkw disponiert­e, also deren Ladungen, Frachtraum und Touren den Kunden zuwies. Im Jahr 2002 allerdings wurde die Spedition bei Demmler aufgegeben und die Firma konzentrie­rte sich ganz auf den Fahrzeugba­u.

Die Nordendorf­erin hat sich mit der modernen Arbeitswel­t gut arrangiert – manchmal muss ihr aber ein Kollege helfen. Und zwar dann, wenn Englisch gefordert ist. „Das kann ich halt nicht“, sagt sie und lacht. Die Arbeit und auch die Belegschaf­t ist internatio­naler geworden, die Firma in allen Bereichen gewachsen. Als Schäffer anfing, arbeiteten etwa 20 Leute in der Geratshofe­ner Firma. Heute seien es um die 70.

Marianne Schäffer ist immer die Erste in der Firma, ihr Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr. „Das macht mir nichts aus, ich bin kein Morgenmuff­el“, sagt sie. Wann ihre lange Laufbahn bei Demmler enden wird, weiß sie nicht – ans Aufhören denken weder sie noch ihre Arbeitgebe­r, die sie als Teil der Familie betrachten. Aber das Rentenalte­r habe schon sein Gutes. „Ich denke mir jetzt immer: „Ich kann, ich muss aber nicht mehr“, sagt sie und lächelt.

 ?? Foto: Benjamin Reif ?? Auf dieser Rechenmasc­hine hat Marianne Schäffer Anfang der 70er ihre ersten Rech‰ nungen eingetippt. Die Tasten lassen sich immer noch problemlos, aber schwer drü‰ cken.
Foto: Benjamin Reif Auf dieser Rechenmasc­hine hat Marianne Schäffer Anfang der 70er ihre ersten Rech‰ nungen eingetippt. Die Tasten lassen sich immer noch problemlos, aber schwer drü‰ cken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany