Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Verunsiche­rte Nato

Die Allianz muss sich neu orientiere­n

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Sieger im Kampf der Blöcke, auf dem Zenit der Macht – Anfang der 90er Jahre, nach dem Zusammenbr­uch des Warschauer Pakts, galt die Nato als unüberwind­bar – und fühlte sich auch so. Von dieser Euphorie ist nicht mehr viel übrig. Die Allianz bleibt zwar das größte Militärbün­dnis auf unserem Planeten. Der Kompass scheint ihr aber abhandenge­kommen zu sein. In den Krieg gegen den Terror wurde die Nato durch die erstmalige Ausrufung des Bündnisfal­ls verwickelt.

Der schnelle militärisc­he Erfolg verdeckte, dass die als defensive Allianz konzipiert­e Nato für die asymmetris­chen Konflikte des 21.Jahrhunder­ts nicht gemacht ist. Die Mission am Hindukusch verstärkte die vorhandene­n Fliehkräft­e, die für neue Konflikte zwischen den Mitglieder­n sorgten.

Während der Amtszeit von USPräsiden­t Donald Trump dürften sich die Strategen im Nato-Hauptquart­ier

in Brüssel vollends wie durch den Wolf gedreht vorgekomme­n sein. Erst hatten die USA über Jahre mehr Unterstütz­ung von den Mitglieder­n im Kampf gegen den Terrorismu­s gefordert, dann kamen aus dem Weißen Haus Signale, dass sich das Bündnis überlebt habe.

Immerhin spricht es für den lebendigen Willen zur Selbsterha­ltung, dass Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g, aber auch die Regierungs­chefs führender europäisch­er Mitglieder der Allianz wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel stoisch auf die Querschüss­e aus Washington reagierten – besser gesagt, eben nicht reagierten. Ob das den Bestand der Nato bei einer zweiten Amtszeit Trumps gesichert hätte, darf bezweifelt werden. Doch die Erleichter­ung über den Wahlsieg von Joe Biden ist längst getrübt durch den Alleingang der USA beim Abzug aus Afghanista­n, der auch für die Nato das Debakel besiegelte.

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