Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zum Unterrichtsstart bleiben Fragen offen
Die Stadt und der Freistaat haben viele Weichen neu gestellt, damit dieses Schuljahr trotz Corona besser verläuft. Gesichert ist der Unterricht im Klassenzimmer aber noch nicht
Der erste Schultag nach den Ferien ist immer etwas Besonderes. Schülerinnen und Schüler treffen sich wieder und haben sich einiges zu berichten. Stundenplan und Lehrkräfte stehen fest. Mal gibt es Jubelrufe, mal lange Gesichter aber im Grunde stehen alle Zeichen auf Neuanfang. Der birgt bekanntlich viele Chancen, aber auch Risiken in sich. Wer den Schulanfang des vergangenen Jahres mit diesem vergleicht, stellt Veränderungen fest. Viele Lehrerinnen und Lehrer sowie auch einige ältere Schüler sind geimpft. Selbsttests waren bereits vor den Ferien eine Selbstverständlichkeit und nun können auch die neuen Quarantäneregelungen
dafür sorgen, dass der Präsenzunterricht tatsächlich Bestand hat. Das ist das auserkorene Ziel für dieses Schuljahr und das ist gut so. Aber es gibt auch offene Fragen.
Schulpsychologen und Beschäftigte aus dem Bereich Jugendsozialarbeit, Vertreter von Beratungsstellen und Kinderkliniken haben schon lange darauf aufmerksam gemacht: Lange Lockdown-Phasen, Distanzunterricht und QuarantäneZeiten waren Gift für viele Schülerinnen und Schüler. Sie hatten ihre Tagesstruktur verloren, der Strohhalm, der Kindern und Jugendlichen, die aus problematischen Familien stammen oder sich in schwierigen Lebensphasen befinden, den nötigen Halt gibt.
Fachleute warnen, dass es lange dauern werde, um psychische Erkrankungen zu heilen und auch erst einmal zu erkennen. Gut, dass beispielsweise das Angebot der schulob psychologischen Beratungsstelle für das Schuljahr 2021/2022 deutlich erhöht wurde. Hier gibt es Ansprechpartner für Kinder, Eltern und Lehrkräfte der Augsburger Grund- und Mittelschulen. Es wird aber viele Angebote von verschiedenen Stellen brauchen, um die negativen Folgen abzufedern, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind.
Genauso braucht es im kommenden Schuljahr an allen Schulen zusätzliche Unterstützung, um entstandene Wissenslücken zu schließen. Wie hoch der Bedarf ist, zeigt allein eine Zahl, die Schulamtsleiter Markus Wörle nannte. Demnach wurden für die dritte Phase des Förderprogramms „Gemeinsam Brücken bauen“für Augsburger Grund- und Mittelschulen 360 zusätzliche Wochenstunden genehmigt. Ob das ausreicht, wird sich zeigen.
Daneben geht es um die Frage, das technische Equipment ausreicht, um sich an den Schulen den Herausforderungen zu stellen, die die Pandemie mit sich bringt. Im vergangenen Jahr waren es Laptops und Tablets, die in Augsburg ab den Herbstferien geliefert werden konnten und manche Schüler erst erreichten, als sie sich bereits im Distanzunterricht befanden. Da hatte die Stadt so spät reagiert und erst geordert, als alle anderen Kommunen ebenfalls dringend benötigte Endgeräte bestellten. Nun wurden Luftfilteranlagen erst bestellt, als der Freistaat – zweifelsohne auch sehr spät – ein Förderprogramm auflegte. Die Geräte werden wohl auch erst frühestens ab den Herbstferien geliefert werden können.
Wenn doch wieder mehr Schülerinnen und Schüler aufgrund der fehlenden Gerätschaften in Quarantäne geschickt werden müssen, ist man dem auserkorenen Ziel des Präsenzunterrichts
auch nicht viel nähergekommen. Normalität soll wieder Einzug halten im Schulbetrieb. Aber so kommen die Schulen aus dem Corona-Modus nicht heraus.
Erfreulich ist, dass in diesem Schuljahr der Sportunterricht wieder uneingeschränkt stattfinden kann – so entfällt die Maskenpflicht während des Sports. Aufgrund von sanierungsbedürftigen und gesperrten Hallen können allerdings nicht alle Schülerinnen und Schüler an ihrer Schule in Augsburg Sport ausüben und müssen auf Alternativen ausweichen, die teils mit einer erheblichen Anfahrts- und Abfahrtszeit verbunden sind.
Das führt das eigentlich drängendste Problem der Augsburger Schulen wieder vor Augen, das aufgrund der Corona-Situation oft in den Hintergrund getreten ist: die bauliche Substanz der Schulhäuser. Sie darf nicht aus dem Blick geraten.