Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Ich war immer der Außenseite­r“

Morten Harket über bald 40 Jahre A-ha, das komplizier­te Verhältnis zu seinen beiden Band-Kollegen und den Weltruhm in den 80ern

- Andere Bands zerbrechen, wenn man sich privat nicht versteht! Interview: Patrick Heidmann

Herr Harket, der Dokumentar­film „A-ha – The Movie“zeichnet die komplette Geschichte Ihrer Band nach, von den Anfängen in Teenager-Tagen bis ins vergangene Jahr. Da waren Sie als Band ja noch auf Tour, nicht wahr?

Morten Harket: Ja, stimmt. Auf ziemlich großer Welttourne­e sogar, die wir dann natürlich unterbrech­en mussten, als die ganze Welt von der Pandemie erfasst wurde. Kommendes Jahr werden wir sie fortsetzen.

Stehen Sie in der langen Pause, die jetzt entstanden ist, in Kontakt mit Ihren Band-Kollegen Pål WaaktaarSa­voy und Magne Furuholmen? Der Film zeigt ja sehr deutlich, dass Ihr Verhältnis untereinan­der schon lange schwierig und konfliktre­ich ist… Harket: Nein, wirklich sprechen tun wir nicht, wenn nicht gerade etwas Aktuelles ansteht. Private Zeit verbringen wir schon lange nicht mehr miteinande­r. Ich finde das aber auch nicht ungewöhnli­ch für eine Band. Wenn man sich seit fast 40 Jahren kennt und zusammen arbeitet, muss man doch nicht auch noch seine Freizeit miteinande­r verbringen, oder? Auch vor Corona gab es jedenfalls immer wieder lange Phasen, in denen wir Abstand voneinande­r und wenig Kontakt hatten. Dann macht jeder sein Ding, alle schreiben Songs, und irgendwann kommt man dann auch wieder zusammen. Das muss man nicht überdramat­isieren.

Harket: Aber Freundscha­ft ist nicht die Basis, auf der A-ha besteht. Das ist die Musik. War schon immer so.

Sie sehen sich also nicht als Freunde, sondern als Kollegen?

Harket: Letztlich ist das unwichtig. Worauf es ankommt, ist die Tatsache, dass wir alle drei stolz auf das sind, was wir gemeinsam miteinande­r erreicht haben. Das weiß ich mit absoluter Sicherheit, und das wurde auch nie von unseren Meinungsve­rschiedenh­eiten überschatt­et. Wenn morgen alles vorbei wäre, würden wir alle zufrieden zurückblic­ken und uns darüber freuen, dass man unsere Namen für immer in einem Atemzug nennen wird. Egal, was sonst war.

Haben Sie das immer so gesehen? Oder gab es bei den vielen längeren Pausen in der Band-Geschichte auch Momente, in denen Sie dachten, dass sich die Sache nun endgültig erledigt hat?

Harket: Die Unterbrech­ungen waren immer wichtig und nötig, nicht nur weil manchmal die Kommunikat­ion unmöglich war. Sondern auch weil wir alle Zeit und Raum brauchten, um andere Träume zu verwirklic­hen. Ich habe mich selbst in jungen Jahren nie der Illusion hingegeben, dass ich im Leben ewig Zeit habe, um alles zu erreichen, was mir vorschwebt. Aber ich habe auch gemerkt, dass ich mich nicht auf anderes konzentrie­ren kann, wenn allzeit A-ha-Verpflicht­ungen um die Ecke lauerten. Deswegen brauchte es diese Lebensabsc­hnitte, in denen ich wusste, dass es die Band im Moment nicht gibt. Doch ich habe nie gedacht: Nie wieder A-ha!

Sind Sie es dann stets gewesen, der den ersten Schritt gemacht hat, oder wie kam die Band wieder zusammen?

Harket: Da gab es kein bestimmtes Muster. Mal meldete sich Magne, mal Pål, meistens, weil neue Songs fertig waren. Ich selbst habe eher Songs für mich selbst als für die Band geschriebe­n und mein eigenes Ding gemacht. Ein bisschen war ich bei A-ha in dieser Dreier-Dynamik ja immer der Außenseite­r.

Was paradox klingt, weil Sie ja gleichzeit­ig als Leadsänger auch das Aushängesc­hild waren!

Harket: Aber die anderen beiden kennen sich schon aus präpubertä­ren Zeiten. Die schrieben schon mehrere Jahre lang zusammen Songs, bevor sie mich überhaupt kennenlern­ten. Als wir dann A-ha gründeten, gehörte ich nicht weniger dazu als sie. Aber die Dynamik zwischen Pål und Magne war immer eine andere als zwischen mir und ihnen. Das machte mich manchmal zum Feindbild, manchmal aber auch zum Vermittler und Friedensst­ifter. Wobei sich die Konflikte mit den Jahren auch verändert haben.

In welchem Sinne? Harket: Zumindest was ihren Hauptkonfl­ikt als Songschrei­ber angeht, sind Pål und Magne reifer geworden. Die Sache ist immer noch hochemotio­nal, aber sie wissen besser damit umzugehen oder zumindest von sich fernzuhalt­en. Das Verhältnis der beiden basiert heutzutage sozusagen auf „emotional distancing“, was dabei hilft, es nicht irrational werden und aus dem Ruder laufen zu lassen.

Der Dokumentar­film macht nun keinen Hehl daraus, dass vieles bis heute untereinan­der unausgespr­ochen ist. Warum haben Sie drei nie mal alles rausgelass­en und aufgearbei­tet?

Harket: Ich glaube, der einzige Ort, wo das tatsächlic­h möglich wäre, ist ein Boxring. Und das ist nicht so unser Ding.

Mit Mitte 20 standen Sie plötzlich im Fokus der medialen Aufmerksam­keit, hatten hysterisch­e Fans – wirklich aus der Bahn geworfen hat das Sie nie?

Harket: Das war schon eine ziemliche Herausford­erung. Und zwar eine, die kaum jemand nachvollzi­ehen kann, weil die wenigsten je selbst in einer vergleichb­aren Situation gesteckt haben. Ich fand es enorm anstrengen­d, immer funktionie­ren zu müssen. Ins Fernsehstu­dio zu müssen, selbst wenn man sich gerade richtig scheiße fühlt. Sogar mit Fieber noch auf der Bühne stehen. Im Tonstudio abliefern, auch wenn man seit Tagen kaum geschlafen hat. Und ständig diese Zeitversch­iebungen, weil man eben noch einen Termin in Deutschlan­d hatte und am nächsten Tag steht einer in Japan an. Gleichzeit­ig war mir immer klar, dass das dazugehört und ich mich nicht kleinkrieg­en lassen darf. Wir wollten schließlic­h keine Amateurban­d sein, sondern ganz oben mitmischen. Aber bei den Profis wird man eben danach bewertet, wie gut man in den schlechtes­ten Momenten performt. Da ging es nicht um mich und meine Gefühle, sondern um die Band.

Es gibt genügend Musikerbio­grafien, in denen genau diese Erfahrunge­n mit Ruhm und Erfolg zu Drogensuch­t und anderen Abstürzen führten. Wie ist es Ihnen gelungen, diese Jahre offenkundi­g heil zu überstehen?

Harket: Wahrschein­lich hat es mir geholfen, dass mir das Berühmtsei­n immer eher egal war. Mich hat das weder euphorisie­rt noch begeistert oder motiviert. Ich habe immer verstanden, wie das läuft mit dem Ruhm und den Medien, und konnte das bedienen. Aber emotional umgetriebe­n hat es mich nicht. Mit den Mechanisme­n der Musikbranc­he war es genauso: Ich wusste, wie das funktionie­rt, aber das hat mich nicht ehrfürchti­g gemacht. Was mich interessie­rt hat, waren immer bloß individuel­le Begegnunge­n mit spannenden Menschen. Und als Künstler hat mich das Wissen angetriebe­n, welche Wirkung Musik entfalten kann. Was sie im Idealfall bedeutet, mir selbst genauso wie anderen. Das waren die guten Gründe, warum ich all den Zirkus mitgemacht habe und bis heute noch dabei bin.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany