Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Laschet greift an, Scholz kontert
Im Fernseh-Dreikampf versucht der Bewerber der Union mit harten Attacken, Boden auf den in Umfragen führenden SPD-Konkurrenten gut zu machen. Annalena Baerbock von den Grünen hat noch nicht aufgegeben
Berlin Sonntag, 21.46 Uhr, mehr als eineninhalb Stunden arbeitet sich Armin Laschet schon an Olaf Scholz ab. Jetzt hat er noch genau eine Minute Zeit, die vor dem Fernseher versammelte Nation zu überzeugen. Warum die Menschen in zwei Wochen ihn und nicht den SPD-Konkurrenten oder Annalena Baerbock von den Grünen an die Spitze der nächsten Regierung wählen sollen. Der Kanzlerkandidat von CDU und CSU will nach 16 Jahren seine Parteifreundin Angela Merkel beerben, eine sichere Sache, so schien es noch vor Wochen. „Ich will ein Bundeskanzler des Vertrauens werden“, verspricht er in seinem Schlusswort. Bürokratie werde er abschaffen, statt neuer Verbote einzuführen – ein letzter Hieb auf die Konkurrenz, auf SPD und Grüne, denen die Union vorwirft, ein wirtschafts- und unternehmerfeindliches Bündnis mit der Linkspartei anzustreben, das Deutschland Wohlstand ruinieren werde. Laschet will punkten, dringend, steht er doch im Wahlkampf-Endspurt mit dem Rücken zur Wand. Nach verbummeltem Kampagnen-Auftakt ist er in den Umfragen deutlich hinter seinen SPD-Konkurrenten Olaf Scholz zurückgefallen.
Das sind die Voraussetzungen zu Beginn des zweiten Fernsehdreikampfs bei ARD und ZDF. Doch der Polit-Krimi am üblichen Tatort-Sendeplatz hat gerade erst begonnen, da bringt schon die erste Frage von Oliver Köhr Laschet ins Straucheln. Ob denn die Union als Juniorpartner ein Bündnis mit der SPD eingehen würde, will der ARD-Chefredakteur wissen. Laschet betont, er werde für ein möglichst starkes Ergebnis von CDU und CSU kämpfen, die Frage beantwortet er nicht. Nach mehrmaligem Nachhaken von Köhr sagt er nur, dass die Union auf gar keinen Fall mit der Linken oder der AfD zusammenarbeiten würde. Die übrigen Demokraten müssten miteinander reden.
Auch Annalena Baerbock versucht sich zunächst um eine Antwort zu drücken – ihr stellt Maybrit die Frage nach einem möglichen Bündnis mit der Linkspartei. „Wir brauchen Veränderung“, sagt die Grünen-Spitzenkandidatin, dafür rede ihre Partei mit allen demokratischen Parteien. Die Linke, sagt sie auf Nachfrage „ist selbstverständlich eine demokratische Partei“. Eine Gleichsetzung mit der AfD verbiete sich.
Olaf Scholz ist natürlich auf die Frage nach dem möglichen Bündnis mit der Linkspartei bestens vorbereitet. Süffisant lächelnd sagt er: „Wer in Deutschland regieren will, muss sich klar zur Nato bekennen“. Wie schon in den Wochen zuvor schließt er ein solches Bündnis also nicht generell aus, lässt aber auch wenig Sympathien dafür erkennen. Zunächst solle der Wähler sprechen, sagt Scholz. Jetzt packt Laschet das Schreckgespenst aus: Wer den moderat auftretenden Scholz wähle, so der Tenor, stimme in Wirklichkeit für dessen weit links stehende Genossen Saskia Esken oder Kevin Kühnert. „Das ist ein wenig unredlich, zu sagen, das entscheiden die Bürgerinnen und Bürger“, wirft er Scholz vor. Und setzt nach: „Jedem muss klar sein, wenn es eine rechnerische Mehrheit gibt, werden Sie eine Koalition mit der Linken eingehen – einer Partei, die den Verfassungsschutz abschaffen und raus aus der Nato wolle.
Dann kommt die Rede auf einen weiteren wunden Punkt für den Finanzminister. Bei Ermittlungen Osnabrücker Staatsanwälte gegen die FIU, die Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls war auch das Finanzministerium in Berlin durchsucht worIllner den. Es geht um den Verdacht, die FIU habe Hinweise von Banken auf Geldwäsche nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet. Scholz, der als Finanzminister auch die Verantwortung für die FIU trägt, hatte erklärt, die Ermittlungen richteten sich gegen unbekannte Mitarbeiter in Köln, damit verbundene Fragen hätten auch schriftlich geklärt werden. Laschet wittert Morgenluft: „Dass sie abfällig über die Justiz geredet haben, ist unlauter.“Sofort sticht er in eine weitere vermeintlich offene Flanken seines Konkurrenten: Die Wirecard-Affäre, bei der die Scholz unterstellte Finanzaufsicht versagte. „Millionen von Anlegern haben viel Geld verloren, dafür tragen Sie die Verantwortung“, klagt Laschet an. Und setzt nach: „Wenn mein Finanzminister so arrot-grün-rote beiten würde wie Sie, hätten wir ein Problem“, sagt er. Dann nennt er auch noch die Vorgänge um die Cum-Ex- Betrügereien der feinen Hamburger Warburg-Bank während Scholz’ Amtszeit als Hamburger Bürgermeister. Die Verwaltung verzichtete dabei auf Steuereinnahmen in Millionenhöhe. Scholz wirft Laschet vor, die Dinge bewusst zu verdrehen: „Sie haben absichtlich einen falschen Eindruck erweckt.“In keinem der Fälle gehe es um sein persönliches Fehlverhalten.
Es ist ein harter Auftakt für Scholz – doch schon nach einer Viertelstunde hat Laschet seine Munition verbraucht. Als die Rede auf die rechtslastigen Politiker HansGeorg Maaßen (CDU) und Boris Palmer (Grüne) kommt, kann er sich zurücklehnen. Laschet findet kaum noch Gelegenheit für Attacken, denn das Moderatoren-Duo fragt die Positionen der Kandidaten zu einzelnen Politikfeldern ab: von der Rente über die Steuer-, Klimaund
Wie sieht es mit einem Linksbündnis aus?
Laschet verschießt sein Pulver schnell
Wohnungsbaupolitik bis zur Migration. Wo Laschet gegen Scholz austeilt, kontert dieser souverän. Als wäre das Jacket des Hamburgers mit Teflon beschichtet.
Zeitweise steht Annalena Baerbock im Studio E in Berlin-Adlershof minutenlang zwischen den beiden Streithähnen, das ModeratorenDuo muss ihr zum Wort verhelfen. Gerade aber bei den Themen Klimaschutz und Digitalisierung macht sie deutlich, dass sie noch nicht aufgegeben hat. Baerbock hatte eine aussichtsreiche Ausgangsposition im Wahlkampf auch durch eigene Fehler, etwa in der Plagiatsaffäre um ihr Buch, eingebüßt. In der Diskussion zeigt sich die 40-Jährige faktensicher und angriffslustig. Ob das reicht, ob das zweite Triell die Umfragewerte nennenswert verändern wird, ist am Ende unklar. Sicher ist: Laschet hat gekämpft, mit Zähnen und Klauen, so wie es sich viele in der Union schon längst gewünscht hätte. Doch als Olaf Scholz am Ende eine Gesellschaft ankündigt „in der mehr Respekt herrscht“, da macht er nicht den Eindruck, als hätte der Abend auch nur einen Kratzer bei ihm hinterlassen. Von tiefen Wunden ganz zu schweigen.