Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schöne Zeiten mit Teenie‰Kindern

Irgendwann ereilt alle Eltern das Thema Pubertät. Wie man die am besten gemeinsam bewältigt – und was im Miteinande­r richtig Spaß machen kann

- Christina Bachmann, dpa

Beim Stichwort Pubertät klingeln bei vielen Eltern die Alarmglock­en. Und in der Tat brauchen sie für diese Zeit in der Regel gute Nerven. Da kann es helfen, die guten Seiten dieser Jahre mit Kindern in den Blick zu nehmen. „Sie können schon viel alleine machen“, sagt Elisabeth Raffauf, Diplom-Psychologi­n und Autorin. „Man kann sie an bestimmten Stellen einfach machen lassen. Auch wenn das manchen Eltern nicht so leicht fällt: Man kann ihnen ruhig schon was zutrauen.“Das bedeutet für die Eltern mehr Freiheit in ihrer Lebensgest­altung und weniger Angebunden­sein.

Mit Jugendlich­en in der Familie ist es spannend, findet Roman Nitsch. „Wie sie sich entwickeln, welche Lebensents­cheidungen sie treffen, wie sie ihre Talente entfalten“, zählt der Diplom-Psychologe auf, der viele Jahre lang die Erziehungs­beratung der Caritas in Mannheim geleitet hat. Inzwischen ist er im Ruhestand, seine beiden Kinder sind erwachsen. „Wie Jugendlich­e die Welt wahrnehmen, kann für Eltern sehr bereichern­d sein.“Mit seinem Sohn konnte der Psychologe zum Beispiel immer gut diskutiere­n. „Er hat sich immer auf Diskussion­en eingelasse­n, ob es nun um Politik oder andere Themen ging.“

Daran erinnert sich auch Elisabeth Raffauf, die ebenfalls zwei erwachsene Kinder hat. „Viele Jugendlich­e sind sehr diskussion­sfreudig! Manche Eltern finden das vielleicht anstrengen­d, aber die Kinder lernen dabei etwas, und wir lernen auch etwas.“Überhaupt können Eltern sich einiges von ihren Kindern abgucken, meint Raffauf mit Verweis auf die Fridays-for-Future-Bewegung. „Die Jugendlich­en sind so unverstell­t und echt, die wollen die Wahrheit wissen“, hebt Raffauf hervor. Das könne Eltern auf konstrukti­ve Weise herausford­ern. „Sie erden uns mit ihren Fragen und lassen nicht locker. Sie sagen ganz ungeschmin­kt, was sie denken.“

Auch Tischspiel­e, Sport oder Filmegucke­n können mit Teens noch mal anders Spaß machen als mit Kleinkinde­rn. Allerdings sollte das kein Zwang sein, sondern ein Angebot. Manchmal ergibt sich das ganz zufällig, weiß die Psychologi­n aus einer Elterngrup­pe. „Da erzählte eine Mutter: ‚Mein Sechzehnjä­hriger hat sich beschwert, dass ich

Weihnachte­n gar nicht mehr mit ihm Plätzchen backe. Ich hätte ja nie gedacht, dass der dazu Lust hat.‘“

Nichts erzwingen, das betont auch Roman Nitsch. „Das muss sich entwickeln“, meint er. Wichtig sei, was Eltern vorlebten. „Kinder nehmen eher etwas an, wenn sie spüren, dass die Eltern etwa von einem Hobby selbst begeistert sind.“

Doch bei Pubertiere­nden auf der Suche nach der eigenen Identität gehört oft das ganz bewusste Abgrenzen von den Eltern dazu. „Wenn sich gemeinsame Aktionen ergeben, ist das wunderbar“, sagt Nitsch, „aber oft finden die Jugendlich­en ganz andere Schwerpunk­te.“Er rät Eltern, Anteil zu nehmen an dem, was die Jugendlich­en gerade interessie­rt. „Dass man Interesse zeigt an den Dingen, zu denen man vielleicht selbst gar keinen Zugang hat“, erklärt Nitsch. „Dass man das nicht abwertet, sondern trotzdem nachfragt.“So können sich gute Gespräche mit den Heranwachs­enden ergeben. „Es ist wichtig, den Kindern einfach mal zuzuhören“, glaubt der Experte ohnehin. „Das machen Eltern meiner Beobachtun­g nach oft nicht in ausreichen­dem Maße.“Viel zu schnell werde Stellung genommen, würden Antworten auf nicht gestellte Fragen gegeben.

Ebenfalls tabu: wenn Eltern jede Situation für ein Verhör nutzen. Da tut Zurückhalt­ung gut, meint Elisabeth Raffauf. „Wenn die Jugendlich­en wissen: Wir können gemeinsam was machen, ohne dass meine Mutter gleich anfängt, wieder nach der Schule zu fragen – dann haben sie auch eher Lust, etwas Gemeinsame­s zu unternehme­n.“

Eltern sollten ihre innere Haltung überprüfen: Wollen sie etwas kontrollie­ren oder sind sie wirklich interessie­rt? „So kann die Frage: ,Wie war es denn in der Pause, hast du Spaß gehabt?‘ besser sein als ,Wie war es in der Schule?‘“, sagt die Psychologi­n. Verhöre, Vorträge, Vorwürfe – das sind für sie die drei roten „V“in der Eltern-Kind-Beziehung. „Da geht die Klappe runter.“

Unter den grünen „V“versteht sie dagegen Vertrauen, Vorbild sein und Verstehen. „Diese Basis legt man natürlich früh“, betont

Raffauf. „Ein gutes Fundament ist die Voraussetz­ung für eine gute Beziehung während der Pubertät“, sagt auch Nitsch. „Das hat viel mit Wertschätz­ung zu tun: Etwa den Interessen oder Freunden und Freundinne­n des Kindes gegenüber.“

Elisabeth Raffauf erinnert sich gerne daran, dass es mit ihren Jugendlich­en im Haus immer viel zu lachen gab: „Manches, was ihnen gerade durch den Kopf geht, hauen die so unverstell­t raus!“Humor ist ohnehin ein guter Ratgeber im Umgang mit Jugendlich­en, glaubt sie.

Roman Nitsch will Eltern außerdem von ihren hohen Ansprüchen herunterho­len. „Die Erwartung, unbedingt in jeder Phase die Beziehung optimal gestalten zu können, die ist überforder­nd“, sagt er. „Es kann Phasen geben, wo man durch muss und wo Eltern nur darauf vertrauen können, dass das, was sie ihren Kindern mitgegeben haben, Früchte tragen wird.“Gerade in solchen Zeiten mag der Blick darauf helfen, dass auch Eltern durch die Pubertät der Kinder mitlernen und reifen.

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Foto: Gudrun, Adobe Stock Die Pubertät ist komplizier­t, aber das Verhältnis zwischen Eltern und Kind entwickelt sich auch weiter.

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