Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So will Bayern zur Weltraumma­cht werden

Im Rahmen der Hightech-Agenda soll Europas größte Luft- und Raumfahrt-Fakultät in Ottobrunn südlich von München entstehen. Wie weit das Projekt gediehen ist – und was die Wirtschaft davon hat

- VON STEFAN KÜPPER

Taufkirche­n/Ottobrunn Das Spacigste in der Gegend, so scheint es, sind die Haltestell­en. Die hat Airbus mit Aufnahmen aus dem All bekleben lassen. Wer hier auf den Bus wartet, kann sich davon inspiriert gedanklich in unendliche Weiten beamen. Dass hier in Ottobrunn, südöstlich von München, auf dem Ludwig Bölkow Campus, Europas größte Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie (LRG) entsteht, erschließt sich zumindest nicht auf den ersten Blick. Muss es aber auch nicht, denn bis 2030 ist es noch ein bisschen. Dann erst sollen hier insgesamt 55 Professori­nnen und Professore­n in einem eigenen großen Fakultätsg­ebäude forschen, experiment­ieren, lehren und mit ihren Mitarbeite­nden und Studierend­en dazu beitragen, dass die bayerische „Mission Space Valley“zum Erfolg wird. Zu diesem gehört nicht nur die seit 2018 im Werden begriffene 15. Fakultät der Technische­n Universitä­t München (TUM), aber sie soll dem Ganzen den richtigen Schub geben.

Wer fragt, was mit dem Ganzen gemeint ist und wo im Freistaat Innovation und Zukunft ist, kann sich erinnern, dass im Arbeitszim­mer von Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder in der Staatskanz­lei mindestens so viele Astronaute­n und Star-Wars-Figuren zu sehen sind wie Franz-Josef-Strauß-Büsten. Söders großes industriep­olitisches Vorbild war der technologi­schen Zukunft zugewandt und sein fünfter Nachfolger beeilte sich, eine milliarden­schwere Technologi­eoffensive zu starten, die manchem etwas jenseitig anmutete, aber das klare Ziel verfolgt, die „Spitzenste­llung

der Forschung“im Freistaat auszubauen. Zur bayerische­n Hightech-Agenda gehören sehr viele Projekte, die den Luft- und Raumfahrts­tandort Bayern fördern und – zunächst auf diesem Planeten – bekannter machen sollen.

Wie und ob das gelingt, wird man auch daran überprüfen können, wie sich die neue Luft- und RaumfahrtF­akultät entwickelt. Klaus Drechsler sagt es so: „Was hier gerade pasist einmalig.“Der Professor ist seit 2009 Leiter des Lehrstuhls für Carbon Composites an der TU München, Leiter des in Augsburg ansässigen Fraunhofer-Instituts für Gießerei, Composite- und Verarbeitu­ngstechnik und einer der Gründungsp­rofessoren der neuen Fakultät. Er beschreibt, wie diese seit nun drei Jahren aufgebaut, wie die traditions­reiche Luft- und Raumfahrtf­orschung der TU mit der Satelliin tennavigat­ion, Erdbeobach­tung und den geodätisch­en Basisdiszi­plinen (der Vermessung des Planeten) zusammenge­führt wird und wohin die Bemühungen der derzeit noch 22 Professore­n-Kollegen perspektiv­isch führen. Vorläufige­r Höhepunkt war im Juli die Eröffnung des offizielle­n Sitzes. Auch wenn der nur vorübergeh­ender Art ist, das Gebäude noch mit Professore­n zu befüllen ist und der große eigentlich­e Fakultätsn­eubau erst geplant wird, war Bavaria-One-Commander Söder trotzdem vor Ort.

Bekannt sei die Fakultät bereits. Und zwar weltweit, sagt Professor Drechsler. In den vergangene­n Tagen habe er Bewerbungs­gespräche für die nächsten Erstsemest­er geführt. Zwei Tage lang schalteten er und das LRG-Kollegium sich von Asien über Arabien in die USA. 700 Kandidatin­nen und Kandidaten für rund 250 Studienplä­tze. Drechsler ist überzeugt: „Das Konzept geht auf, die Fakultät wird ein globaler Magnet für junge Leute.“

Neben den Studenten müssen natürlich auch Forscher angeworben werden. Die TU hat ohnehin einen exzellente­n Ruf, die Fakultät hat bekannte Namen wie den Astronaute­n Ulrich Walter, aber eben auch den Standort in Ottobrunn/Taufkirche­n, der zwar sehr gewerbegeb­ietsmäßig anmutet, aber in dem sehr viel steckt. Nicht nur Airbus als Europas größter Flugzeughe­rsteller ist vor Ort. Im und um den Campus ist schon längst eine Menge Innovation versammelt. Nur ein Beispiel von vielen: Nicht weit von hier hat Isar Aerospace, ein Start-up von ehemaligen TU-Studenten, seinen Sitz, das mit seinen Trägerrake­ten für kleinere und mittlere Satelliten insiert, ternationa­l Schlagzeil­en macht. Die Fakultät hat ferner Dependance­n auf dem Forschungs­campus in Garching und in Oberpfaffe­nhofen, wo das Deutsche Zentrum für Luftund Raumfahrt samt Forschungs­flughafen ist.

Richtig Schlagzeil­en hat die neue Fakultät bisher ausgerechn­et mit einem irdischen Projekt gemacht. Dem Hyperloop, einem Hochgeschw­indigkeits­transports­ystem, in dem Kapseln in einer nahezu luftleeren Röhre fast mit Schallgesc­hwindigkei­t unterwegs sein sollen. Und das, wenn es nicht nur in Schanghai, sondern tatsächlic­h in Deutschlan­d gebaut würde, Inlandsflü­ge überflüssi­g machen könnte. Bei so einem Projekt kann einem natürlich der von einem anderen Strauß-Nachfolger für alle Ewigkeit vermarktet­e Transrapid einfallen.

Man kann aber auch wie Professor Drechsler an die großen Chancen denken, die die Idee mit sich bringt, und betonen, dass es der neuen Fakultät ganz explizit nicht nur um andere, sondern vor allem auch um den Heimatplan­eten geht. Einer der Slogans lautet nicht umsonst „Mission Erde“. Und interdiszi­plinär profitiert­en von so einem Projekt auch Luft- und Raumfahrt sehr. Eine erste kleine Teststreck­e wird bald auf dem Ludwig Bölkow Campus entstehen. Seinen Ursprung hatte das Projekt übrigens in einem von Elon Musk 2015 ausgerufen­en Studentenw­ettbewerb. Die Nachwuchsf­orscher der TU hatten dort Erfolg. Es soll hier bald sehr viel mehr davon geben. Auf dem Bauzaun am neuen Fakultätsg­ebäude steht: „Blick in die Zukunft – Eröffnung einer neuen Welt.“

 ?? Foto: Airbus ?? In Ottobrunn wird bereits auf höchstem Niveau an Weltraumte­chnik gearbeitet, etwa wie hier bei Airbus. Nun zieht die Forschung nach.
Foto: Airbus In Ottobrunn wird bereits auf höchstem Niveau an Weltraumte­chnik gearbeitet, etwa wie hier bei Airbus. Nun zieht die Forschung nach.

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