Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zweifel nach dem Spektakel
Nach dem dramatischen 4:3 in Leverkusen reagieren die Borussen wenig euphorisch und verweisen auf Probleme, die sie nun schon über Jahre begleiten
Leverkusen Als Fußball-Fan musste man auch dieses Spiel lieben. Nicht nur wegen der sieben Tore. Auch wegen der Dramaturgie, dem begeisternden Offensiv-Fußball beider Teams und der vielen emotionalen Diskussionen. „Darum träumen Kinder davon, Profi zu werden“, sagte Leverkusens Coach Gerardo Seoane trotz der „ärgerlichen“3:4-Niederlage gegen Dortmund. Im Gegenzug war für den BVB längst nicht alles rosig.
„Wir haben es uns selbst schwer gemacht“, sagte Lizenzspielleiter Kehl. Und Kapitän Marco Reus analysierte: „Am Ende gewinnen wir, aber es hat sehr, sehr viel Kraft gekostet. Und das wollen wir nicht. Wir kriegen viel zu viele und viel zu leichte Gegentore.“Auf die Frage, ob ihm das „Sorge mache“, antwortete Reus kurz und knapp: „Ja!“.
Auch Trainer Marco Rose erklärte nach dem Sieg an seinem 45. Geburtstag. „Es macht mich sauer, wie viele Gegentore wir kriegen und in welcher Form. Wir haben viel zu besprechen, keine Frage.“Diese Aussprache werde klar und unverblümt ausfallen, kündigte der Coach an: „Ich weiß, dass ich gute Jungs trainiere. Aber wenn sie die Richtung brauchen, kriegen sie gerne die Richtung vorgegeben.“
Die neun Gegentore nach vier Spieltagen – so viele hatte der BVB zuletzt vor 30 Jahren – seien kein Abwehrproblem, „sondern ein geschlossenes Mannschaftsthema. Dabei geht es um das Thema Haltung“, sagte Rose: „Um die Frage: Wie sehr bin ich bereit? Wie sehr denke ich als Offensivspieler an den Ballverlust? Da müssen wir noch mal die Sinne schärfen.“
Die Balance zwischen OffensivZauber und Defensiv-Arbeit sucht der BVB seit Jahren. Sie zu finden, wird Roses größte und wohl schwerste Aufgabe. Allerdings ist es defensiv wohl auch eine Frage der individuellen Klasse. Wenn eine Wolfsburg-Leihgabe wie Marin Pongracic, der beim VfL im Vorjahr nur zehn Mal zum Einsatz kam, ohne eine einzige taktische Einheit mit der Mannschaft in der Startelf steht, ist das signifikant.
In Leverkusen halfen dem BVB die Moral, ein Videobeweis zum Sieg bringenden Elfmeter und wieder einmal die individuelle Klasse von Erling Haaland. Der Norweger schoss zwei Treffer, bereitete einen weiteren vor und ging immer voran, war die personifizierte Leidenschaft. (dpa)
Tore: 1:0 Wirtz (9.), 1:1 Haaland (37.), 2:1 Schick (45.+1), 2:2 Brandt (49.), 3:2 Dia by (55.), 3:3 Guerreiro (71.), 3:4 Haaland (77./Foulelfmeter) Zuschauer 17 605
Foto: td