Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was sich Eltern vom neuen Schuljahr erhoffen

Hinter den Söhnen von Manuela vom Wege und dem Ehepaar Hohn liegen eineinhalb Jahre schulische­r Ausnahmezu­stand. Nur negativ sehen die Familien diese Zeit aber nicht

- VON FRIDTJOF ATTERDAL UND ANDREA BAUMANN

Auch wenn die Gymnasien während der Pandemie versucht haben, keine allzu großen Lücken bei den Schülern entstehen zu lassen, schauen die Eltern sehr genau, wie es in diesem Jahr mit dem Unterricht weitergeht. Denn egal ob Abschlussk­lasse oder unterer Jahrgang – die Kinder sollen schließlic­h die Grundlagen für ein gutes Abitur und den Einstieg ins Berufslebe­n haben.

„Ich bin sehr gespannt, wie es in diesem Schuljahr weitergeht“, sagt Schülermut­ter Manuela vom Wege. „Weniger, wie die Schüler klarkommen, sondern, wie die Schule mit den Erkenntnis­sen des letzten Jahres umgeht“, sagt sie. Ihr 13-jähriger Sohn Johann besucht im neuen Schuljahr die achte Klasse auf dem Maria-Theresia-Gymnasium in Augsburg.

„Ich finde, die Schule hat im letzten Schuljahr ihre Aufgabe gut gemacht“, so vom Wege. Die Schüler hätten durch Homeschool­ing Fähigkeite­n erlangt, die ohne die Pandemie wohl nie zustande gekommen wären. „Von einer ‚verlorenen Generation‘ zu sprechen, trifft die Sache absolut nicht“, so die Mutter. „Vielleicht haben sie nicht den gesamten Stoff gelernt, dafür aber viele andere Dinge.“

„Die Kinder sind jetzt auf einem Stand, wo sie selbststän­dig arbeiten und lernen können“, so vom Wege. Alle Kinder seien beispielsw­eise in der Lage, Videokonfe­renzen durchzufüh­ren oder selbststän­dig Lernstoff im Internet zu recherchie­ren. „Das ist mal etwas, was sie direkt im Berufslebe­n brauchen können“, findet sie. „Ich fände es schade, wenn diese Fähigkeite­n nicht weiter genutzt würden.“Große Hoffnungen hat sie aber nicht. „Der Lehrplan ändert sich ja nicht.“

Vom Wege würde sich auch wünschen, dass die Schulen gut überlegen, welche Lücken jetzt geschlosse­n werden müssen, und worauf man verzichten kann. „Natürlich gibt es Stoff, der unverzicht­bar ist, weil auf ihn aufgebaut wird“, sagt sie. Aber einiges sei sicher verzichtba­r und würde den Druck von den Kindern nehmen, zusätzlich zum aktuellen Lernstoff auch noch nacharbeit­en zu müssen.

Um die Gesundheit ihres Sohnes macht sie sich keine Sorgen. „Wir sind alle geimpft, für uns ist Corona vorbei“, sagt sie. Dass zum Schutz der ungeimpfte­n Kinder auch weiterhin Maske im Unterricht getragen werden muss, findet sie in Ordnung, wenn es auch eine Belastung für die Schüler darstelle. „Bei ungeimpfte­n Erwachsene­n hält sich mein Ver

dagegen in Grenzen“, betont die Mutter.

Auch Anna und Mathias Hohn sind vollständi­g geimpft. „Ich habe es gemacht, damit wir wieder ein normales Leben führen können“, sagt die 39-jährige Ehefrau. Mit dem „normalen Leben“meint Anna Hohn nicht nur ihre persönlich­en Freiheiten, wie etwa den Besuch eines Konzerts, sondern vor allem ein entspannte­res Schuljahr für ihren achtjährig­en Sohn Jonathan. „Es soll auch mal wieder schöne Sachen wie Feste oder Sport in Gruppen geben und nicht nur das Abarbeiten von Stoff.“

Die Hohns wollen nicht jammern. Sie sind sich ihrer Privilegie­n als Beständnis wohner eines Hauses durchaus bewusst. „Wir waren viel draußen spazieren und im Garten“, erzählen sie. Insbesonde­re das große Trampolin sei Gold wert gewesen, als während des ersten Lockdowns sogar die Spielplätz­e geschlosse­n waren. Auch ist die vierköpfig­e Familie, zu der noch Töchterche­n Fiona, 4, zählt, vergleichs­weise gut durch die Pandemie gekommen – ohne Infektione­n, fast ohne Quarantäne und mit sicheren Arbeitsplä­tzen. Als Jugendsozi­alarbeiter­in an einer Grund- und Mittelschu­le habe sie sogar mehr Arbeit denn je gehabt, erinnert sich Anna Hohn an zahlreiche Gespräche im Schulhof auf Abstand.

Nicht nur sie und ihr Mann wünschen sich, dass die Pandemie mit all ihren psychische­n Belastunge­n bald ein Ende hat. Auch Jonathan, der jetzt in die dritte Klasse kommt, will „keinen Lockdown“mehr. Dieses Wort geht dem Jungen locker von den Lippen. Seine Eltern haben überhaupt den Eindruck, dass er den Ausnahmezu­stand inklusive Homeschool­ing gut bewältigt hat. „Am schlimmste­n fand ich allerdings den Wechselunt­erricht“, sagt Anna Hohn. An diesem Dienstag wird der Achtjährig­e erstmals nach den Ferien wieder seine Grundschul­e besuchen. Das Maskentrag­en würden ihm seine Eltern zwar gerne ersparen. Doch sie nehmen dieses lästige Utensil ebenso in Kauf wie die regelmäßig­en Tests. Sein Sohn handhabe das schon sehr routiniert, ist Mathias Hohn fast ein wenig stolz, wie Jonathan mit den Begleiters­cheinungen von Corona umzugehen gelernt hat. „Wir hoffen jetzt wirklich auf Regelbetri­eb, denn in der dritten Klasse wird es ernster“, sagt der Vater im Hinblick auf die Weichenste­llung für die weitere Schullaufb­ahn. Der Achtjährig­e hat Schule unter Normalbedi­ngungen nur als Erstklässl­er im ersten Halbjahr erlebt.

Und sie hoffen darauf, dass ihre Kinder weiterhin Freunde treffen können. Selbst während der Hochzeit der Pandemie hätten sie im Freien zugelassen, was möglich war. „Ganz ohne Kontakte zu sein, hätten wir ihnen nicht zumuten können.“Nach wie vor konzentrie­rten sich die Freundscha­ften der Kinder aber auf einen sehr kleinen Kreis. Anna und Mathias Hohn sehen das als Beleg dafür, wie sich die Corona-Regeln bei ihren Kindern verfestigt haben – so auch das regelmäßig­e Händewasch­en.

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Foto: Andrea Baumann Anna und Mathias Hohn wünschen ihren Kindern ein neues Schul‰ und Kitajahr, das möglichst wenig von der Corona‰Pandemie beeinträch­tigt wird.
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Foto: Fridtjof Atterdal Manuela vom Wege findet, ihr Sohn habe während des Homeschool­ings nützliche Fähigkeite­n fürs Berufslebe­n erworben.

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