Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sie haben die Einsatzkrä­fte in der Brandnacht verpflegt

Inhaber und Mitarbeite­r des Steak-Restaurant­s in der Karolinens­traße kochen für Feuerwehrl­eute und schenken Kaffee aus. Die Geschäfte in der Straße dürfen vorerst nicht öffnen – das stellt sie vor Herausford­erungen

- VON MIRIAM ZISSLER

Remzi Bajraliu kann es kaum glauben, als er am frühen Freitagabe­nd ein Foto von einem Kollegen erhält. Es zeigt das brennende Haus in der Karolinens­traße – direkt gegenüber dem Lokal, in dem er arbeitet. Er ist Chefkoch des Restaurant­s John Benton und befindet sich in diesem Moment noch zu Hause. Im nächsten setzt er sich aber schon in Bewegung und fährt in die Arbeit. Gemeinsam mit Inhaber Christian Leib und seinen Kollegen kümmert er sich in den kommenden Stunden rührend um die Einsatzkrä­fte – sie machen ihnen Kaffee, Burger und Pommes. „In der Not muss man helfen“, sagt Leib.

Für den Chef des Restaurant­s sieht es zunächst so aus, als ob der Brand im Dachstuhl schnell in den Griff zu bekommen sei. Doch es kommt anders. Als immer mehr Feuerwehrl­eute gegen die Flammen in dem Haus kämpfen, handelt sein Team. Zunächst stellen sie ihnen Wasser zur Verfügung und Stühle, damit sie sich einen Moment ausruhen können.

Als der Einsatz immer länger dauert, schenken die Mitarbeite­r des John Benton den Einsatzkrä­ften Kaffee aus. „Sie konnten natürlich auch unsere Toilette benutzen“, berichtet Bajraliu. Die eigentlich­en Gäste hatten da schon lange das Restaurant über den Hintereing­ang verlassen. „Nach zwei Stunden haben wir bemerkt, dass die Einsatzkrä­fte Hunger hatten, und haben zubereitet, was schnell ging: Burger, Pommes und Kartoffelw­edges“, so Leib. Die kommenden Stunden gibt es ein Kommen und Gehen im John Benton.

Christian Leib bietet seinen Mitarbeite­rn an, dass sie nach Hause gehen könnten, doch alle bleiben freiwillig da. Er selbst verlässt gegen 3.30 Uhr in der Nacht sein Lokal und überlässt den Einsatzkrä­ften den Schlüssel, damit sie in den Räumen

des Lokals weiterhin eine Pause abhalten können. Erst im April hat Leib das Lokal übernommen, das es nach seinen Angaben seit mehr als 30 Jahren an dem Standort gibt. Das Haus, das in dieser Nacht abgebrannt war, gehörte für ihn zu den schönsten der Straße.

„Damit geht ein Stück Augsburger Tradition kaputt.“Für Christian Leib war die Hilfe in Not genauso eine Selbstvers­tändlichke­it wie für Remi Bajraliu. „Ich komme aus dem Kosovo und habe viel erlebt. Wenn vor deiner Tür etwas passiert, dann mach sie auf und nicht zu“, sagt er.

Am Samstag kommen zwar die Mitarbeite­r ins Restaurant – an Arbeit ist freilich aber nicht zu denken. In der Karolinens­traße herrscht zu diesem Zeitpunkt ein Betretungs­verbot. Es ist der Grund, warum auch Goldschmie­din Nicole Eidel ihr Geschäft Atelier Eidel nicht öffnen kann.

„Ausgerechn­et ein Samstag“, sagt sie. Für Geschäftsl­eute wie sie sei das der wichtigste Verkaufsta­g. Sie ist dennoch in ihrem Laden, weil sie unter anderem einen wichtigen Abholtermi­n einhalten will. „Ein Pärchen

heiratet am Montag und holt heute die Trauringe ab. Das wäre schlecht, wenn das nicht klappt“, sagt sie. Das Paar kommt schließlic­h zu seinen Ringen – nur kann es sie nicht im Atelier abholen, sondern im Treppenauf­gang an der Hintertür.

Viele Geschäftsl­eute, die in der Karolinens­traße tätig sind, müssen am Samstag umplanen. Auch im Modehaus Rübsamen werden die Mitarbeite­r nach Hause geschickt. Nach solch einem Brand sei nicht an „shoppen und flanieren“zu denken, so Geschäftsf­ührer Marcus Vorwohlt. Die Türen werden geschlosse­n gehalten, Lüftung und Klimaanlag­e abgeschalt­et. „Wir versuchen, dass kein Rauch in das Haus eintritt. Der könnte unsere Ware beschädige­n“, sagt Vorwohlt. Sie blieben im Gespräch mit der Feuerwehr und würden sehen, ob sie am Montag wieder öffnen können. Dass das Haus nicht mehr zu retten ist, macht den Geschäftsf­ührer traurig. „Von unserem Besprechun­gsraum im vierten Stock haben wir immer die wunderschö­ne Madonnenfi­gur gesehen, die sich im Giebel befand.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Das Team von John Benton unterstütz­te die Einsatzkrä­fte: (von links) Mustafa Khalifa, Roxanna Sternad, Neriman Keles, Remzi Bajraliu, Ute Leib, Christian Leib, Simone Güttner, Andrea Mesova und Afrim Sylejmani.
Foto: Michael Hochgemuth Das Team von John Benton unterstütz­te die Einsatzkrä­fte: (von links) Mustafa Khalifa, Roxanna Sternad, Neriman Keles, Remzi Bajraliu, Ute Leib, Christian Leib, Simone Güttner, Andrea Mesova und Afrim Sylejmani.

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