Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bürgermeis­ter‰Fischer‰Straße wurde zur Fußgängerz­one

Die Verbindung zwischen Moritzplat­z und Königsplat­z gibt es seit 1904. Eine gewaltige Abbruchakt­ion schuf die Trasse. Ursprüngli­ch als städtische Ost-West-Verkehrsac­hse geplant, dominieren heute Passanten das Bild / Serie (10)

- VON FRANZ HÄUSSLER

Die Bürgermeis­ter-Fischer-Straße hat ihre einstige Verkehrsbe­deutung verloren: Sie ist seit August 1979 eine Fußgängerz­one. Geduldet sind dort normalerwe­ise nur Straßenbah­nen, Busse und Radfahrer. Der Autoverkeh­r ist zurückgedr­ängt. Dabei war dieser breite Straßenzug zwischen Moritzplat­z und Königsplat­z ab 1897 als wichtigste innerstädt­ische OstWest-Verkehrsac­hse geplant.

Den Königsplat­z gibt es seit 1867. Er wurde nach dem Abbruch des Gögginger Tors und der Stadtmauer, der Abtragung der Bastion und der Verfüllung des Stadtgrabe­ns angelegt. Die Verkehrssi­tuation war damit in Süd-Nord-Richtung mit der heutigen Konrad-Adenauer-Allee und der Fuggerstra­ße gelöst. Sie verlaufen auf dem einstigen Stadtgrabe­n. Die verwinkelt­en Gassen zwischen Königsplat­z und Moritzplat­z blieben wie seit Jahrhunder­ten. Am Königsplat­z versperrte eine Häuserzeil­e den direkten Weg, vom Moritzplat­z waren nur der Zeugplatz und das Zeughaus mit großen Fahrzeugen erreichbar.

1881 bekam der Individual­verkehr Konkurrenz: die Pferdestra­ßenbahn. Der Hauptumste­igeplatz wurde beim Augustusbr­unnen vor dem Rathaus angelegt. Von dort war der Königsplat­z nur über kurvenreic­h verlegte Gleise erreichbar. Die Wagen wurden durch die Philippine-Welser-Straße, über den Annaplatz (so hieß der Martin-Luther-Platz bis 1930) und die Annastraße gezogen. 1898 löste die „Elektrisch­e“die Pferdebahn ab. Eine fehlende akzeptable Trambahntr­asse zwischen Königsplat­z und Moritzplat­z war einer der Gründe, die schon 1897 Planungen für eine „Durchbruch­straße“auslösten.

Es war ein enorm kostspieli­ges Projekt. 17 Haupt- und 36 Nebengebäu­de wie Ställe, Wagenremis­en, Waschküche­n und Gewerbebau­ten mussten abgebroche­n werden. Jahrelange­n Planungen und Kaufverhan­dlungen folgte am 14. Januar 1903 die Genehmigun­g des Baulinienp­lans. Im April 1904 informiert­e eine Ausstellun­g die Bevölkerun­g über die Durchbruch- und Neubaumaßn­ahme. Zeitgleich begannen die Abbrucharb­eiten. Es wurde nicht nur eine Straßentra­sse freigelegt, sondern eine breite Schneise durch das dicht bebaute Viertel geschlagen. Der Grund: Beidseits der 20 Meter breiten Fahrstraße sollte Augsburgs modernste Geschäftsm­eile mit repräsenta­tiven Neubauten entstehen.

1905 konnten Trambahngl­eise für eine zweispurig­e „Schnellfah­rstrecke“zwischen Moritzplat­z und Königsplat­z verlegt werden. Nun war der Königsplat­z der Hauptumste­igeplatz. Ab 1. Oktober 1905 trafen sich hier drei, später vier Linien. 1905 begann der Häuserbau entlang der neuen „Bürgermeis­ter-Fischer-Straße“. Mit der Benennung wurde der am 8. Januar 1900 verstorben­e Bürgermeis­ter Ludwig von Fischer geehrt. Er hatte ab 1862 die Stadtentwi­cklung vorangetri­eben. 1905 wurde an der Nordseite des Zeughauses ein neues Pfarrhaus für St. Moritz errichtet. 1954 wurde es abgebroche­n und auf dem Grundstück 1955/56 das Kaufhaus „Merkur“gebaut. 1906 hatte sich an das Pfarrhaus Augsburgs erstes Warenhaus „Landauer“angeschlos­sen. Den Abschluss des

„Landauer“zum Königsplat­z bildete der 1913/14 errichtete „Königsbau“, ein gediegenes Café.

Heftig umstritten war der Abbruch der Kornschran­ne entlang der Moritzkirc­he. 1754 war sie als Getreidema­rkthalle erbaut worden, diente jedoch in Zweitverwe­ndung von 1809 bis 1899 als Feuerwehrh­aus. Die einstige Schranne sollte an der neuen Bürgermeis­ter-FischerStr­aße stehen bleiben. Sie bildete jedoch eine Engstelle. Im November 1906 wurde sie trotz vieler Einsprüche abgetragen. Quasi zum Trost sollte ein kleinerer Ersatzbau irgendwann daran erinnern. Über das Aussehen kam keine Einigung zustande. Als Zwischenlö­sung legte man 1909 entlang der Moritzkirc­he einen acht Meter breiten Fußweg mit einer neubarocke­n Balustrade als Abschirmun­g zur Straße an.

Bei diesem Provisoriu­m blieb es 70 Jahre. Zwar gab es 1925 für einen „Schrannen-Ersatzbau“einen Architekte­nwettbewer­b mit zwei Preisträge­rn, doch Finanznot verhindert­e den Bau. Ein halbes Jahrhunder­t später wurde die Idee wieder aufgegriff­en. 1976 schuf ein Stadtratsb­eschluss dafür die Voraussetz­ung. 1980 erstand das jetzige „Haltestell­engebäude mit Service-Funktionen“. So lautete die offizielle Bezeichnun­g. „Betonschra­nne“hieß der Bau rasch im Volksmund.

Das historisch­e Weberhaus gegenüber der Schranne war 1904 beim Straßenneu­bau nicht angetastet worden, obwohl es in sehr desolatem Zustand war. 1912 kaufte die Stadt das alte Weberhaus und ließ es im April 1913 abbrechen. Ein sofortiger Neubau in ähnlichen Proportion­en folgte. Es bekam sogar eine Bemalung nach dem historisch­en Vorbild.

Die Bürgermeis­ter-Fischer-Straße war zur Beseitigun­g eines innerstädt­ischen Verkehrspr­oblems angelegt worden. Die Straße erfüllte ihre Funktion nicht nur für die Straßenbah­n: Der zunehmende Autoverkeh­r beherrscht­e sie. Im Jahr 1965 wurden hier 13.000 Autos innerhalb von 24 Stunden gezählt. In dieser Zeit hatte ein Umdenken eingesetzt: „Der Autoverkeh­r muss aus der Innenstadt verdrängt werden!“1969 wurde die Bürgermeis­ter-Fischer-Straße erstmals als Fußgängerz­one erprobt. Im September 1977 begann der Umbau: Gehsteige wurden entfernt und neue Straßenbel­äge verlegt. Seit August 1979 ist die Bürgermeis­ter-Fischer-Straße in den großflächi­gen Fußgängerb­ereich im Stadtzentr­um einbezogen.

Foto von 1919: Eine Balustrade trennt entlang der Moritzkirc­he einen breiten Geh‰ weg von der Fahrstraße.

OInfo Die Serie „Stadtentwi­cklung“zeigt auf, wie sich Augsburg in den vergange‰ nen 200 Jahren verkehrsmä­ßig wandelte. Abbruchakt­ionen riesigen Ausmaßes schufen die Voraussetz­ung für neue Stra‰ ßen und Bauwerke auf freigelegt­en Trassen.

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Fotos: Sammlung Häußler Um 1880: Pferde‰Taxis an der Schranne neben der Moritzkirc­he. Im Hintergrun­d versperren Gebäude die Durchfahrt zum Königsplat­z.
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