Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der unvergessene Freund Freunde fürs Leben Die Spezl Burgi und Bär Freundinnen wegen einer Lederhose Fips und Waldi machen blau Zwei lange Lulatsche Wie die Eltern, so die Kinder Fürchterliche Ratschtanten Als Sigi nicht mehr gehänselt wurde Wiedersehen i
Die gemeinsame Zeit schweißt zusammen. Lachen, blaumachen und über die Zukunft philosophieren: Leserinnen und Leser erzählen von ihren schönsten Schulfreundschaften /
Die Tür zum Klassenzimmer steht offen, an der Tafel leuchtet ein buntes „Herzlich Willkommen“. Mit raschelnden Schultüten kommen die Kinder in den Raum. Dann sitzen sie zum ersten Mal an ihren Tischen. Neben ihnen, mit unruhigen Füßen und schelmischen Zahnlücken – eine künftige beste Freundin, ein Partner bei allen Streichen und Abenteuern? Nach einer Studie der Universität Leipzig ist das nicht unwahrscheinlich.
Bei einer Feldstudie setzte das Forschungsteam 3000 Schülerinnen und Schüler der dritten bis achten Klassen in einer zufälligen Anordnung nebeneinander. Am Ende des Halbjahres gaben die Kinder an, wer ihre besten Freunde und Freundinnen sind. Tatsächlich freundeten sie sich häufiger miteinander an, wenn sie nebeneinandersaßen. Die Wahrscheinlichkeit stieg von 15 auf 22 Prozent, auch bei sehr unterschiedlichen Kindern.
Unsere Leserinnen und Leser haben uns von ihren Erinnerungen und schönsten Freundschaften erzählt, voller Witz, bittersüß, mit einer Prise Nostalgie. Die Redaktion bedankt sich für die zahlreichen Einsendungen, aus Platzgründen mussten wir eine Auswahl treffen.
Meinen Sitznachbar Johann, den ich 1989 kennenlernte, werde ich nie vergessen. Ihm schien, im Gegensatz zu mir, alles leicht zu fallen. Johann konnte sich sofort ans Klavier setzen und losspielen, da saß ich oft staunend und sprachlos da. Im Schullandheim verbrachten wir schöne Stunden, ich weiß noch, dass Johann einmal aus heiterem Himmel in einem Überschwang aus Freude aus seinem Bett sprang und Taekwondo-Bewegungen vollführte, die ich noch nie gesehen habe. In freien Stunden philosophierten wir über unser Leben, unsere Zukunft. Er freute sich so sehr darauf, Abitur zu machen, einmal mit einem Mädchen zusammen zu sein und das Leben zu erleben. Er machte mir mit seinen Worten klar, dass uns die Zukunft offen steht! Am letzten Schultag der achten Klasse verabschiedete ich mich von Johann: „Drehen wir uns noch einmal zu unserer Schule. Wer weiß, wann wir sie wiedersehen?“. Einige Tage später erhielt ich die Nachricht, dass Johann von einem Schwimmbagger abgestürzt und gestorben ist. Mit 14 Jahren, mitten aus dem Leben gerissen. Ich denke oft an ihn zurück, er ist bis heute ein Vorbild in meinem Leben.
Florian Schraml, Meitingen
Mit meinem Spezl Bär bin ich neun Jahre in dieselbe Schule gegangen, ein Jahr saßen wir nebeneinander. Bär hat in Geometrie jeden Millimeter von meinem Blatt mit dem Geodreieck abgezeichnet. Vielleicht sollten wir mal unsere Zeugnisse rausholen und schauen, welchen Unfug wir sonst noch getrieben haben. Wir sind inzwischen beide 53 Jahre alt und treffen uns wöchentlich in der Gablinger Teestube, nehmen gemeinsam am Silvesterlauf teil und touren mindestens einmal im Jahr mit dem Motorrad durch die Berge.
Thomas Burkner, Gablingen
Die zwei Freunde Burgi und Bär bei ei nem Motorradausflug.
Im Frühjahr 1950 wechselte ich von der Dorfschule auf das Gymnasium. Was für eine Veränderung: Die Mädchen waren so hübsch gekleidet und ich – in einer kurzen schwarzen Lederhose, weißer Bluse und einem Wollmantel, den ich deswegen nicht ausziehen wollte. Der Lehrer forderte mich immer wieder auf, den Mantel loszuwerden. „Mir ist kalt“, log ich. Prompt folgte die Order: „Alle in die Turnhalle zum Aufwärmen.“Turnen mit Mantel ging nicht, also zog ich ihn aus. Der Lehrer rieb sich beim Anblick meiner Lederhose die Augen und meinte: „Und das an meiner Mädchenschule.“Alle Mitschülerinnen kicherten über meine Kleidung. Nur nicht Elke und Karin. Sie zählten alle Vorzüge einer Lederhose auf, vor allem, sie nicht waschen zu müssen. Mit Elke verbindet mich nun eine 70 Jahre lange Freundschaft.
Monika Mayr, Bad Wörishofen
Unsere Klasse durfte in den Skiurlaub, mein Sitznachbar Fips und ich mussten die Zeit aus unterschiedlichen Gründen in der Parallelklasse absitzen. Anstatt alle Stunden zu besuchen, schwänzten wir den Kunstunterricht und Physik. Als uns die Lehrer auf die Schliche kamen und Verweise androhten, war die Not groß. Ich – Herzstillstand, Brechreiz, eine Zukunft als Straßenkehrer vor Augen. Fips sprang auf: „Hier soll an jungen Menschen ein Exempel statuiert werden. Ja, an Menschen, minderbemittelt und diskriminiert durch ihr Aussehen (Blässe anstatt Wintersportbräune). Und das an einer Schule, die Bert Brecht hervorgebracht hat.“Der Lehrer: „Ja Bua, beruhig di doch. Ma wird si dochmol irren dürfen.“Fips hat uns mit seiner Vorwärtsverteidigung gerettet.
Siegfried Welty, Diedorf
Von der Grundschule bis zum Abitur habe ich in 14 Jahren Schulzeit viele Sitznachbarn erlebt. Im Gymnasium durfte man sich den Nachbarn aussuchen. Für mich als langer „Lulatsch“kam nur ein ähnlich großer Kamerad für die letzte Bankreihe in Betracht, Helmwart. Es war ein Glücksfall, dass ich drei Jahre mit ihm zusammensitzen konnte. Wir haben uns fachlich bestens ergänzt, gelegentlich voneinander abgeschrieben und sehr gut verstanden. Die Freundschaft hat sich trotz verschiedener Berufswege ein Leben lang bewährt. Mehr als 60 Jahre nach dem Abitur sehen wir uns bei den Klassentreffen – dann sitzen wir wieder nebeneinander.
Hans Frei, Augsburg
Beim Schulskikurs 1957 im Allgäu: Helmwart (oben) erfrischt Hans Frei mit einem Schneeball.
Thomas und ich sind schon seit immer befreundet, auch unsere Elternhäuser lagen nebeneinander. Bereits im Kindergarten saßen wir zusammen, dann sechs Jahre lang in der Schule – allerdings mit Unterbrechungen, weil die Lehrer uns trennten. 1988 wurden wir eingeschult. Jetzt folgen, rund 30 Jahre später, unsere beiden erstgeborenen Kinder, sie sind auch befreundet. Genau wie wir damals werden sie ab diesem Schuljahr in Dillingen zur selben Schule gehen.
Tobias Meier, Dillingen
Thomas Müller (links) und Tobias Meier bei ihrer Einschulung 1988. Über die damalige Freundschaft zu meiner Sitznachbarin Ingrid schrieb ich 1956 an der Volksschule Schöneberg einen Aufsatz aus Sicht meiner Schulbank: „Sie sind fürchterliche Ratschtanten. Um acht Uhr kommen sie von der Kirche in die Schule herüber. Dann werfen sie ihre Schultaschen auf mich, sodass meine Füße zittern.“In einem anderen Aufsatz beschrieb ich Ingrid so: „Sie hat ein rundes feines Gesicht, eine stumpfe Nase, einen Pferdeschweif, Zempelfranzen und ein paar krumme Zähne. Wenn wir uns weiter so gut verstehen, werden wir immer zusammensitzen.“
Hannelore Steinle, Thannhausen
Vor mir in der Schule saß Sigi. Er war klein, rundlich, nervös und olfaktorisch gewöhnungsbedürftig, da die Familie kein Badezimmer besaß. Sein voriger Banknachbar und viele andere hänselten ihn und schlugen ihn sogar. Das konnte ich nicht ansehen und ging dazwischen. Daraufhin bat Sigi mich, die Schulbank mit ihm zu teilen. In einem altruistischen Anfall sagte ich zu. Er hatte von nun an Ruhe und lernte von mir – auch, ein Schwimmbad zum Duschen aufzusuchen. Zum Dank ließ er mich an seinem Wissen bei Schulaufgaben teilhaben, obwohl er mehrfach vom Lehrer ermahnt wurde, sein Heft nicht so nah in meine Richtung zu schieben. Matthias Bergius, Landsberg am Lech
Viele Jahre waren wir Sitznachbarinnen im Gymnasium in Dortmund, dann verstreuten wir uns und begegneten uns nur noch bei Klassentreffen. Dann der Knüller: Die eine lebt schon seit vier Jahren im Oberallgäu, die andere hat nur zehn Kilometer entfernt ihr Haus im Westallgäu bezogen. Durch Zufall kam das Gespräch bei einer Bekannten auf das Haus, es fiel der Name und es war klar, um wen es sich handelt. Inzwischen treffen wir uns öfters und haben gemeinsame Interessen, die wir im Ruhestand miteinander teilen können.
Gabriele Schmucker, Oberreute
Schon im Kindergarten waren meine Freundin Angela und ich unzertrennlich. 1988 begann unsere Schullaufbahn. Nun werden wir beide 40 Jahre alt und teilen eine Schatzkiste an Erinnerungen. Noch immer sind wir befreundet, musizieren im gleichen Verein und wünschen unseren Kindern, dass auch sie so verlässliche Wegbegleiter an ihrer Seite haben, wie wir waren und sind.
Simone Probst, Augsburg