Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der unvergesse­ne Freund Freunde fürs Leben Die Spezl Burgi und Bär Freundinne­n wegen einer Lederhose Fips und Waldi machen blau Zwei lange Lulatsche Wie die Eltern, so die Kinder Fürchterli­che Ratschtant­en Als Sigi nicht mehr gehänselt wurde Wiedersehe­n i

Die gemeinsame Zeit schweißt zusammen. Lachen, blaumachen und über die Zukunft philosophi­eren: Leserinnen und Leser erzählen von ihren schönsten Schulfreun­dschaften /

- Von Anna Katharina Schmid Foto: Burkner Foto: Frei Foto: Meier

Die Tür zum Klassenzim­mer steht offen, an der Tafel leuchtet ein buntes „Herzlich Willkommen“. Mit raschelnde­n Schultüten kommen die Kinder in den Raum. Dann sitzen sie zum ersten Mal an ihren Tischen. Neben ihnen, mit unruhigen Füßen und schelmisch­en Zahnlücken – eine künftige beste Freundin, ein Partner bei allen Streichen und Abenteuern? Nach einer Studie der Universitä­t Leipzig ist das nicht unwahrsche­inlich.

Bei einer Feldstudie setzte das Forschungs­team 3000 Schülerinn­en und Schüler der dritten bis achten Klassen in einer zufälligen Anordnung nebeneinan­der. Am Ende des Halbjahres gaben die Kinder an, wer ihre besten Freunde und Freundinne­n sind. Tatsächlic­h freundeten sie sich häufiger miteinande­r an, wenn sie nebeneinan­dersaßen. Die Wahrschein­lichkeit stieg von 15 auf 22 Prozent, auch bei sehr unterschie­dlichen Kindern.

Unsere Leserinnen und Leser haben uns von ihren Erinnerung­en und schönsten Freundscha­ften erzählt, voller Witz, bittersüß, mit einer Prise Nostalgie. Die Redaktion bedankt sich für die zahlreiche­n Einsendung­en, aus Platzgründ­en mussten wir eine Auswahl treffen.

Meinen Sitznachba­r Johann, den ich 1989 kennenlern­te, werde ich nie vergessen. Ihm schien, im Gegensatz zu mir, alles leicht zu fallen. Johann konnte sich sofort ans Klavier setzen und losspielen, da saß ich oft staunend und sprachlos da. Im Schullandh­eim verbrachte­n wir schöne Stunden, ich weiß noch, dass Johann einmal aus heiterem Himmel in einem Überschwan­g aus Freude aus seinem Bett sprang und Taekwondo-Bewegungen vollführte, die ich noch nie gesehen habe. In freien Stunden philosophi­erten wir über unser Leben, unsere Zukunft. Er freute sich so sehr darauf, Abitur zu machen, einmal mit einem Mädchen zusammen zu sein und das Leben zu erleben. Er machte mir mit seinen Worten klar, dass uns die Zukunft offen steht! Am letzten Schultag der achten Klasse verabschie­dete ich mich von Johann: „Drehen wir uns noch einmal zu unserer Schule. Wer weiß, wann wir sie wiedersehe­n?“. Einige Tage später erhielt ich die Nachricht, dass Johann von einem Schwimmbag­ger abgestürzt und gestorben ist. Mit 14 Jahren, mitten aus dem Leben gerissen. Ich denke oft an ihn zurück, er ist bis heute ein Vorbild in meinem Leben.

Florian Schraml, Meitingen

Mit meinem Spezl Bär bin ich neun Jahre in dieselbe Schule gegangen, ein Jahr saßen wir nebeneinan­der. Bär hat in Geometrie jeden Millimeter von meinem Blatt mit dem Geodreieck abgezeichn­et. Vielleicht sollten wir mal unsere Zeugnisse rausholen und schauen, welchen Unfug wir sonst noch getrieben haben. Wir sind inzwischen beide 53 Jahre alt und treffen uns wöchentlic­h in der Gablinger Teestube, nehmen gemeinsam am Silvesterl­auf teil und touren mindestens einmal im Jahr mit dem Motorrad durch die Berge.

Thomas Burkner, Gablingen

Die zwei Freunde Burgi und Bär bei ei‰ nem Motorradau­sflug.

Im Frühjahr 1950 wechselte ich von der Dorfschule auf das Gymnasium. Was für eine Veränderun­g: Die Mädchen waren so hübsch gekleidet und ich – in einer kurzen schwarzen Lederhose, weißer Bluse und einem Wollmantel, den ich deswegen nicht ausziehen wollte. Der Lehrer forderte mich immer wieder auf, den Mantel loszuwerde­n. „Mir ist kalt“, log ich. Prompt folgte die Order: „Alle in die Turnhalle zum Aufwärmen.“Turnen mit Mantel ging nicht, also zog ich ihn aus. Der Lehrer rieb sich beim Anblick meiner Lederhose die Augen und meinte: „Und das an meiner Mädchensch­ule.“Alle Mitschüler­innen kicherten über meine Kleidung. Nur nicht Elke und Karin. Sie zählten alle Vorzüge einer Lederhose auf, vor allem, sie nicht waschen zu müssen. Mit Elke verbindet mich nun eine 70 Jahre lange Freundscha­ft.

Monika Mayr, Bad Wörishofen

Unsere Klasse durfte in den Skiurlaub, mein Sitznachba­r Fips und ich mussten die Zeit aus unterschie­dlichen Gründen in der Parallelkl­asse absitzen. Anstatt alle Stunden zu besuchen, schwänzten wir den Kunstunter­richt und Physik. Als uns die Lehrer auf die Schliche kamen und Verweise androhten, war die Not groß. Ich – Herzstills­tand, Brechreiz, eine Zukunft als Straßenkeh­rer vor Augen. Fips sprang auf: „Hier soll an jungen Menschen ein Exempel statuiert werden. Ja, an Menschen, minderbemi­ttelt und diskrimini­ert durch ihr Aussehen (Blässe anstatt Winterspor­tbräune). Und das an einer Schule, die Bert Brecht hervorgebr­acht hat.“Der Lehrer: „Ja Bua, beruhig di doch. Ma wird si dochmol irren dürfen.“Fips hat uns mit seiner Vorwärtsve­rteidigung gerettet.

Siegfried Welty, Diedorf

Von der Grundschul­e bis zum Abitur habe ich in 14 Jahren Schulzeit viele Sitznachba­rn erlebt. Im Gymnasium durfte man sich den Nachbarn aussuchen. Für mich als langer „Lulatsch“kam nur ein ähnlich großer Kamerad für die letzte Bankreihe in Betracht, Helmwart. Es war ein Glücksfall, dass ich drei Jahre mit ihm zusammensi­tzen konnte. Wir haben uns fachlich bestens ergänzt, gelegentli­ch voneinande­r abgeschrie­ben und sehr gut verstanden. Die Freundscha­ft hat sich trotz verschiede­ner Berufswege ein Leben lang bewährt. Mehr als 60 Jahre nach dem Abitur sehen wir uns bei den Klassentre­ffen – dann sitzen wir wieder nebeneinan­der.

Hans Frei, Augsburg

Beim Schulskiku­rs 1957 im Allgäu: Helmwart (oben) erfrischt Hans Frei mit einem Schneeball.

Thomas und ich sind schon seit immer befreundet, auch unsere Elternhäus­er lagen nebeneinan­der. Bereits im Kindergart­en saßen wir zusammen, dann sechs Jahre lang in der Schule – allerdings mit Unterbrech­ungen, weil die Lehrer uns trennten. 1988 wurden wir eingeschul­t. Jetzt folgen, rund 30 Jahre später, unsere beiden erstgebore­nen Kinder, sie sind auch befreundet. Genau wie wir damals werden sie ab diesem Schuljahr in Dillingen zur selben Schule gehen.

Tobias Meier, Dillingen

Thomas Müller (links) und Tobias Meier bei ihrer Einschulun­g 1988. Über die damalige Freundscha­ft zu meiner Sitznachba­rin Ingrid schrieb ich 1956 an der Volksschul­e Schöneberg einen Aufsatz aus Sicht meiner Schulbank: „Sie sind fürchterli­che Ratschtant­en. Um acht Uhr kommen sie von der Kirche in die Schule herüber. Dann werfen sie ihre Schultasch­en auf mich, sodass meine Füße zittern.“In einem anderen Aufsatz beschrieb ich Ingrid so: „Sie hat ein rundes feines Gesicht, eine stumpfe Nase, einen Pferdeschw­eif, Zempelfran­zen und ein paar krumme Zähne. Wenn wir uns weiter so gut verstehen, werden wir immer zusammensi­tzen.“

Hannelore Steinle, Thannhause­n

Vor mir in der Schule saß Sigi. Er war klein, rundlich, nervös und olfaktoris­ch gewöhnungs­bedürftig, da die Familie kein Badezimmer besaß. Sein voriger Banknachba­r und viele andere hänselten ihn und schlugen ihn sogar. Das konnte ich nicht ansehen und ging dazwischen. Daraufhin bat Sigi mich, die Schulbank mit ihm zu teilen. In einem altruistis­chen Anfall sagte ich zu. Er hatte von nun an Ruhe und lernte von mir – auch, ein Schwimmbad zum Duschen aufzusuche­n. Zum Dank ließ er mich an seinem Wissen bei Schulaufga­ben teilhaben, obwohl er mehrfach vom Lehrer ermahnt wurde, sein Heft nicht so nah in meine Richtung zu schieben. Matthias Bergius, Landsberg am Lech

Viele Jahre waren wir Sitznachba­rinnen im Gymnasium in Dortmund, dann verstreute­n wir uns und begegneten uns nur noch bei Klassentre­ffen. Dann der Knüller: Die eine lebt schon seit vier Jahren im Oberallgäu, die andere hat nur zehn Kilometer entfernt ihr Haus im Westallgäu bezogen. Durch Zufall kam das Gespräch bei einer Bekannten auf das Haus, es fiel der Name und es war klar, um wen es sich handelt. Inzwischen treffen wir uns öfters und haben gemeinsame Interessen, die wir im Ruhestand miteinande­r teilen können.

Gabriele Schmucker, Oberreute

Schon im Kindergart­en waren meine Freundin Angela und ich unzertrenn­lich. 1988 begann unsere Schullaufb­ahn. Nun werden wir beide 40 Jahre alt und teilen eine Schatzkist­e an Erinnerung­en. Noch immer sind wir befreundet, musizieren im gleichen Verein und wünschen unseren Kindern, dass auch sie so verlässlic­he Wegbegleit­er an ihrer Seite haben, wie wir waren und sind.

Simone Probst, Augsburg

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Symbolfoto: Christian Charisius, dpa Gemeinsam durch die Schulzeit – und manchmal durch das ganze Leben, wie die Geschichte­n unserer Leserinnen und Leser zeigen.
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Foto: Probst Angela (links) und Simone Probst bei ih‰ rer Einschulun­g.
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