Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Darüber werde ich nie hinwegkomm­en“

Helen MacDonald, die Besitzerin des getöteten Alpakas Geronimo, über ihren Verlust und ihren gewaltigen Zorn

- Interview: Susanne Ebner

Frau MacDonald, vor zwei Wochen wurde Ihr Alpaka Geronimo von Tierärzten in Begleitung der Polizei abgeholt und dann getötet, weil er angeblich Rindertube­rkulose hatte. Wie geht es Ihnen jetzt?

Helen MacDonald: Ich bekomme die Bilder nicht aus meinem Kopf, darüber werde ich nie hinwegkomm­en.

Die Tierärzte wussten nicht einmal, wie man ihm einen Halfter anlegt und drängten ihn brutal in die Box. Es ist schrecklic­h, dass ich nicht genau weiß, wie er gestorben ist und wo genau sie ihn hingebrach­t haben. Es war einfach so unnötig.

Das Landwirtsc­haftsminis­terium behauptet weiterhin, dass Geronimo Rindertube­rkulose hatte.

MacDonald: Ja, aber sie haben seit seiner Tötung nach wie vor keinen Beweis dafür vorgelegt, keinen einzigen. Es gibt keinen Laborbefun­d, der dies belegt. Es sind bloße Behauptung­en.

Sie haben vier Jahre lang für das Leben von Geronimo gekämpft. Wie kam es dazu?

MacDonald: Damals kam der Verdacht auf, dass Geronimo Rindertube­rkulose hat. Herausgefu­nden hatte man dies durch Hauttests, die jedoch wenig zuverlässi­g sind. Ich wollte dann gerichtlic­h erwirken, dass ein Bluttest gemacht wird. So wollte ich beweisen, dass er gesund ist. Dies hat man mir jedoch immer wieder verwehrt.

Das Ministeriu­m entgegnet, dass sie sich an die wissenscha­ftlichen Beweise halten und Tiere töten müssen, die positiv auf Rindertube­rkulose getestet worden sind.

MacDonald: Ich sage ja auch nicht, dass diese Krankheit kein Problem darstellt. Es ist ein großes Problem. In Großbritan­nien werden jährlich zehntausen­de Tiere getötet, um nach Ausbrüchen eine Weiterverb­reitung zu verhindern. Aber erstens hatte Geronimo ja gar keine Rindertube­rkulose und zweitens gibt es Alternativ­en: bessere Tests zum Beispiel – oder auch die Isolation der Tiere.

Das Schicksal von Geronimo bewegt

Menschen auf der ganzen Welt. Wie drücken diese ihre Anteilnahm­e aus?

MacDonald: Die Bestürzung über das, was passiert ist, ist groß. Viele Menschen schicken mir E-Mails und Briefe, in denen sie beschreibe­n, wie traurig sie sind. Manche senden Blumen, andere Geld. Kinder malen Bilder von Geronimo – und das, obwohl er jetzt tot ist.

Wie erklären Sie sich das?

MacDonald: Ich glaube, dass seine Geschichte die Menschen gerade in Zeiten der Pandemie besonders berührt hat. Zudem sind Alpakas sehr süße Tiere. So wurde er zu einer Art „Posterboy“für meinen Kampf gegen die Behörden und erhielt immer mehr mediale Aufmerksam­keit.

Bis er vor laufenden Kameras von den Behörden abgeholt wurde.

MacDonald:

Ich glaube, dass man damit öffentlich zeigen wollte, dass man sich besser nicht mit dem Landwirtsc­haftsminis­terium anlegen sollte. Dabei hätte dieses Land gute Nachrichte­n in diesen düsteren Zeiten gut gebrauchen können. Sie hätten sagen können: Wir töten das kleine Alpaka jetzt nicht. Wir lassen es einfach, wo es ist, sodass es keinem schaden kann.

Sie hätten Geronimo also behalten?

MacDonald: Ja, sicher. Ich hätte ihn niemals verkauft. Er hätte hier weiterlebe­n können. Aber stattdesse­n haben sie ihn getötet, und jetzt muss ich die Scherben aufsammeln und mir überlegen, wie ich weitermach­e.

Haben Sie denn das Gefühl, dass Ihr jahrelange­r Kampf nun völlig umsonst war?

MacDonald: Nein, denn so schlimm die Sache auch ist: Ich bin froh, dass Geronimo nicht in aller Stille gestorben ist. Viele Menschen haben mitbekomme­n, dass er ohne Grund getötet wurde. Wir haben auf ein größeres Problem aufmerksam gemacht.

Was planen Sie nun?

MacDonald: Ich brauche jetzt mal eine Pause. Langfristi­g müssen wir aber herausfind­en, was genau mit Geronimo passiert ist. Jemand muss zur Verantwort­ung gezogen werden. Und für den Fall, dass auch meine verblieben­en 18 Alpakas getestet werden sollen, werde ich erneut vor Gericht ziehen.

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Foto: Matthews/PA, dpa Das Alpaka Geronimo wurde vor zwei Wochen getötet.
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Helen MacDonald ist 50 Jahre alt und betreibt die Shepherds Close Farm in Wotton‰under‰Edge (Großbritan­nien).

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