Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wald im Wandel
Die Bayerische Staatsregierung misst dem Forst als CO2-Speicher im Kampf gegen den Klimawandel eine große Bedeutung zu. Deshalb will sie ihn umbauen. Wie das funktioniert und ob die Anstrengungen ausreichen / Teil 6
In einer Regierungserklärung hat Ministerpräsident Markus Söder sich eindeutig zum „vorsorgenden Klimaschutz“bekannt. Bayern soll schon 2040, also fünf Jahre früher als Deutschland, klimaneutral werden. In einer Serie von Artikeln beleuchtet unsere Redaktion die wichtigsten Aspekte des Themas einzeln. Heute geht es um die bayerischen Wälder.
Freising Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein rechtes Durcheinander. Große und kleine Bäume, alte und junge, Nadel- und Laubbäume, alles wächst dicht an dicht und kreuz und quer. Laien sehen vermutlich ein einziges Gestrüpp, eine wild durcheinandergewürfelte Mischung verschiedenster Baumarten. Die geübten Augen von Peter Pröbstle jedoch erkennen: Hier ist der Wald bereits auf den Klimawandel vorbereitet worden.
Pröbstle, Leiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, steht mitten im Thalhauser Forst in der Nähe von Freising. Er zeigt auf das Dickicht neben den Spazierwegen und erklärt, was dort zu sehen ist. „Das hier ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir Förster den Wald fit machen gegen das, was wahrscheinlich mit dem Klimawandel auf uns zukommt.“
Das Prinzip dahinter nennt sich Waldumbau. Es bedeutet, die heimischen Wälder auf die Folgen der Erderwärmung vorzubereiten, indem die Försterinnen und Förster den Wald umgestalten. Sie setzen auf Mischwald und pflanzen viel mehr unterschiedliche Arten, als man es noch vor 100 Jahren getan hat, so erklärt es Pröbstle. Genauso, wie man es bereits im Thalhauser Forst beobachten kann. „Wir haben eine Prognose, was passieren wird“, sagt er. „Wenn wir breit genug streuen und auf viele Baumarten setzen, dann sind die Folgen hoffentlich nicht so schwerwiegend, wenn eine Baumart ausfällt, weil sie den Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr trotzen kann.“
Die Bedeutung des Waldumbaus haben längst nicht nur die Försterinnen und Waldbesitzer im Freistaat erkannt – sondern auch die
Bayerische Staatsregierung. In seiner vergangenen Regierungserklärung erklärte Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der Wald müsse weiter geschützt und gestärkt werden. „Die Wälder in Bayern speichern insgesamt rund 1,1 Milliarden Tonnen CO2 und damit in etwa das Eineinhalbfache des jährlichen CO2-Gesamtausstoßes von Deutschland“, sagte er. Zugleich sei der Wald im Stress, der Klimawandel schade ihm enorm. „Es gibt zu viel Schadholz und zu viele Schädlinge.“Was will er also dafür tun, um die bayerischen Wälder zu erhalten?
Söder plant, den Waldumbau von 6000 auf 12000 Hektar pro Jahr zu verdoppeln und die Erstaufforstung von 50 Hektar auf 100 Hektar pro Jahr zu erhöhen. „Die natürlichen CO2-Speicher prägen unsere Heimat besonders“, so der Ministerpräsident. „Aufgabe für den Klimaschutz speziell für Bayern ist daher, hier anzusetzen, diese Heimat zu erhalten und zu schützen. Wir wollen unser Landschaftsbild bewahren und die besondere Qualität unseres Landes in den Vordergrund rücken.“
Ein Ziel, das sich auch viele Förster und Waldbesitzer vorgenommen haben, wie Peter Pröbstle weiß. Denn die Bedrohung des Klimawandels ist ernst, sagt er. „Wir reden von einer Erwärmung von mehr als 1,5 Grad, die wir in Bayern schon haben. Wir haben eine massive Ausbreitung des Borkenkäfers und anderer Schädlinge, ganze Bestände werden zerstört. Die Bäume leiden, weil es immer trockener und heißer wird.“Dabei sei der Wald im Kampf gegen den Klimawandel ein entscheidender Faktor: „Er speichert nicht nur jedes Jahr rund zehn Millionen Tonnen CO2 zusätzlich, sondern er mildert auch die Folgen von Starkregenereignissen, weil er den Oberflächenabfluss abschwächt und damit Hochwasserspitzen senkt. Zudem kühlt er die Luft.“Der Wald sei vieles in einem: Wasserspeicher, ein Gebiet für Naturund Artenschutz, ein Ort der Erholung. „All das muss unbedingt erhalten werden.“
Der Versuch, das zu schaffen, lässt sich im Thalhauser Forst auch als Laie gut beobachten. Wo vor 100 Jahren noch ein reiner Fichtenwald stand, ist es heute ein Mischwald. „Da haben wir eine Tanne, da eine Vogelbeere, einen Bergahorn, eine Haselnuss. Sie alle haben eine ganz gute Prognose. Zumindest für diese Gegend“, so der Förster. Denn klar ist: Waldumbau ist nicht gleich Waldumbau, sagt Pröbstle. „Er muss immer an den Standort angepasst werden.“Der Wald habe am Alpenrand ganz andere Anforderungen als in Schwaben oder Mittelfranken. „Je nachdem, wie heiß es wird oder wie viel Wasser es künftig in einer Region geben wird, wächst die eine Baumart eben besser und eine andere schlechter.“
Doch was ist jetzt von Söders konkreten Vorhaben zu halten? Wie schätzen Experten seine Zielvorgaben ein, wie er in den nächsten Jahren den Wald umbauen will? Anspruchsvoll, aber realistisch, sagt zumindest Peter Pröbstle. „Ich finde es gut, dass jetzt ein so klares Ziel vorgegeben ist“, sagt er. „Waldumbau ist nichts, was von selber kommt, und wir müssen ehrlich sein: Angesichts der Gefahren des Klimawandels haben wir gar keine andere Alternative. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, uns bleibt keine andere Wahl.“
Pröbstle erklärt allerdings auch, dass die Verantwortung, die Ziele der Staatsregierung zu erreichen, großenteils auch bei den privaten Waldbesitzern liegt, denn über die Hälfte des Waldes in Bayern ist Privatwald. „Im Staatswald ist der Waldumbau schon weit vorangekommen. Mithilfe von Beratung und Förderung müssen wir uns darum bemühen, dass die Waldbesitzer weiter mitziehen. Wir können sie nicht zwingen, aber wir können sie bei dieser schwierigen Aufgabe unterstützen und motivieren. Dann sind diese Ziele auch realistisch.“
Zu einem ganz anderen Schluss kommt man allerdings bei der Opposition. Vor allem die GrünenLandtagsfraktion kritisiert die Pläne des Ministerpräsidenten. Unter ihnen ist auch Martin Stümpfig, Sprecher für Energie und Klimaschutz. Sein Urteil: „Es bleibt wenig Neues und wenig Gutes übrig bei der Waldinitiative 2021 von Markus Söder“, sagt er. „Vieles ist einfach nur aufgebauscht und klingt gut. Bei näherem Hinsehen entpuppt es sich aber als Rückschritt.“
Er spricht einige offene Punkte und Fragen an, die bei dem Thema Waldumbau im Freistaat noch unbedingt geklärt werden müssten. Zum Beispiel: Wie viel Wald wird in Bayern aktuell gerodet, wie viel in Zukunft und welchen Einfluss hat das auf den Waldumbau? Steht überhaupt genügend Personal mit entsprechendem Wissen zur Verfügung, das den Waldumbau fachlich begleiten kann? Und welche Pläne hat die Staatsregierung beim Flächenfraß, für den laut Stümpfig „neben landwirtschaftlicher Nutzfläche auch sehr viel Wald zum Opfer“fällt?