Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Knapp an der Tragödie vorbei

Lewis Hamilton verdankt wohl einem Cockpitsch­utz sein Leben. Was ihm allerdings zu schaffen macht, ist das Verhalten seines Rivalen Max Verstappen

- VON MARCO SCHEINHOF

Monza/Augsburg Immer wieder stockte die Stimme. Lewis Hamilton redete ganz leise. Ein wirklicher Lautsprech­er ist der Formel1-Weltmeiste­r ohnehin nicht, diesmal aber waren seine Aussagen noch deutlich schwerer zu vernehmen. Hamilton stand unter dem Eindruck der Erlebnisse. Unter Schock sei er, gestand der 36-Jährige in einer virtuellen Medienrund­e nach dem Rennen in Monza, das überrasche­nd Daniel Ricciardo im McLaren gewonnen hat. Hamilton hatte sich gerade die Bilder seines Unfalls mit Max Verstappen angeschaut. Es sind eindrückli­che Bilder. Angsteinfl­ößende Szenen.

Verstappen­s Red-Bull-Rennwagen hob vom Boden ab, nachdem der Holländer die Kontrolle verloren hatte. Mit dem rechten Hinterreif­en schlug der Wagen in Höhe von Hamiltons Helm ein. Sein Kopf wurde nach vorne gedrückt, die meiste Wucht des Aufpralls aber hielt der Cockpitsch­utz Halo ab. Hamilton wäre sonst wohl erschlagen worden. Der Brite weiß, dass er Glück hatte. „Ich bin unglaublic­h dankbar, dass ich noch hier sein kann. Jemand da oben hat auf mich aufgepasst“, sagte der Rekordwelt­meister. Der Halo, übersetzt Heiligensc­hein, ist seit 2018 Pflicht an den Formel-1-Rennwagen. Er spannt sich vor dem Kopf des Fahrers über das Cockpit. Lange Zeit war diese Sicherheit­shilfe umstritten gewesen. Es gab Diskussion­en, ob er wirklich an die Autos geschraubt werden soll. Die Sicht wird leicht beeinträch­tigt, zudem ist er keine optische Schönheit. Aber ein absolutes Muss, wie der Sonntag in Monza ein weiteres Mal zeigte. „Es war ein schwerer Einschlag. Der Halo hat mich und meinen Hals gerettet“, sagte Lewis Hamilton.

Er fühle sich zwar ganz okay, letztlich aber werde er bei einem Spezialist­en vorspreche­n müssen, ob er für das nächste Rennen fit sei. In diesem wird Max Verstappen eine Strafverse­tzung beim Start von drei Plätzen erhalten. Die Rennkommis­sare hatten in ihm den Schuldigen des Unfalls gesehen. Eine Sichtweise, die Hamilton freilich teilt. „Wenn du damit durchkomms­t, machst du auch so weiter“, sagte der 36-Jährige. Ihn beschäftig­te sehr das Verhalten seines Rivalen.

Vor allem, dass Verstappen nach dem Unfall ohne Blick für Hamilton am Auto vorbeimars­chierte. Als ginge ihn das alles nichts an. „Das hat mich überrascht. Das Erste nach einem Unfall sollte sein, dass man schaut, wie es dem anderen Fahrer geht“, meinte Hamilton. Verstappen tat das nicht. Es ist auch ein Zeichen dafür, wie hart der Kampf um den WM-Titel geführt wird.

Zuletzt hatte Hamilton in engen Rennsituat­ionen häufiger mal zurückgezo­gen, um Unfälle zu vermeiden. Diesmal aber blieb er auf seiner Linie. Er sei als Erster in der Kurve gewesen, so der Brite. Und wer als Erster in eine Kurve fährt, dem gehöre der Platz. Der andere müsse zurückzieh­en. Tat Verstappen nicht. Hamilton versuchte noch, sein Auto rückwärts von der Unfallstel­le zu fahren. Es steckte aber fest, war in den Red-BullRennwa­gen von Verstappen verkeilt. Er sei noch im Rennmodus gewesen, sagt der 36-Jährige. Hamilton hatte in diesem Moment die Schwere des Unfalls noch nicht umrissen. Der Schock kam später, als er die Bilder des Unfalls sah. Einen Einschlag auf seinen Kopf hatte er bis dahin noch nie erlebt, sagte er. Ihm wurde ein weiteres Mal bewusst, welches Glück er hatte. Seine Stimme wurde noch leiser.

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Foto: dpa Der Red‰Bull‰Rennwagen von Max Verstappen schlägt mit dem Hinterrad auf das Cockpit des Mercedes von Lewis Hamilton ein. Der Brite hat großes Glück, dass er nicht erschlagen wird.

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