Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kommt jetzt der Hochzeitsboom?
Wegen der Kontaktverbote mussten viele Paare ihr Fest absagen. Jetzt möchten alle ihre Vermählung nachholen. In der Branche bereitet man sich auf einen Ansturm vor
Landkreis Augsburg Für viele Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Hochzeitsbranche waren 2020 und 2021 zwei schwierige Jahre. Unzählige Vermählungen wurden abgesagt. Oft gab sich das Brautpaar mit einer standesamtlichen Trauung zufrieden und verschob die große Feier auf unbestimmte Zeit. Jetzt, wo Corona allmählich zum Alltag gehört, erholt sich die Branche langsam wieder. Viele erwarten im kommenden Jahr einen Hochzeitsboom.
So auch Angela Böck. Sie ist selbstständige Hochzeitsplanerin in Gersthofen und organisiert für Ihre Kundinnen und Kunden Trauungen in Italien. „Im Schnitt mache ich 30 Hochzeiten pro Jahr“, sagt die Selbstständige. 2021 wurden etwa 30 Prozent ihrer Aufträge abgesagt. Bei den Feiern, die stattfinden, sei die Arbeit dafür doppelt so viel. „Das Brautpaar braucht zu dieser Zeit besonders viel psychologische Betreuung. Man muss ihnen gut zureden.“Die Kommunikation sei viel mehr geworden.
Die Frage, die Angela Böck am häufigsten zu hören bekommt, ist: „Was ist, wenn die Eheschließung nicht stattfinden kann?“. Durch die ständig wechselnden Hygieneauflagen ließen sich die Kundinnen und Kunden oft verunsichern und zweifeln an ihren Hochzeitsplänen. „Statt im Ausland zu heiraten, entschieden sich viele dann doch für eine kleinere Trauung im Standesamt in Deutschland“, erzählt Angela Böck. Ihre Aufträge gehen dann zwar nicht verloren, verschieben sich aber teilweise um mehrere Jahre. Darunter könne die Liquidität eines Unternehmens leiden. Die Planerin ist zuversichtlich: „Ich vermute, dass es 2022 zu einem Hochzeitsboom kommt.“Sie habe bereits jetzt viele Anfragen für das kommende Jahr erhalten. „Hochzeiten im kleinen Rahmen sind zurzeit eh im Trend. Man kann auch zu zweit viel Geld ausgeben“, sagt Angela Böck. Sie erzählt von Paaren, die gemeinsam eine Heißluftballonfahrt oder eine Bootsfahrt unternehmen. Die Pandemie verstärke die Nachfrage nach den sogenannten Tiny Weddings, bei denen nur mit dem engsten Kreis gefeiert wird.
Von diesem Trend berichtet auch Hochzeitsfotografin Ramona Lachner. „Es gab dieses Jahr recht viele kurzfristige Anfragen. Da möchte das Brautpaar die Zeremonie dann teilweise nur zu zweit durchführen“, erzählt die Fotografin. So eine Heirat nenne man Elopement Wedding, was auf Deutsch so viel heißt wie Durchbrennhochzeit. „Diese Zeremonien sind zwar klein, aber dafür umso besonderer. Das ist gerade sehr modern.“Wer für seine Vermählung im kommenden Jahr gute Fotografen braucht, müsse sich spätestens jetzt darum kümmern. „Ich bin jetzt schon für das nächste Jahr fast ausgebucht.“
Eigentlich habe das Geschäft bereits im letzten Jahr geboomt. „Das wurde durch die Pandemie aber wieder eingebremst. Ich glaube, dass 2022 für die Branche ein sehr gutes Jahr wird“, erzählt Ramona
Lachner. Der Stellenwert einer Hochzeit steige in den letzten Jahren generell. „Vor ein paar Jahren lag das Budget für eine Hochzeit im Schnitt etwa bei 10.000 bis 15.000 Euro. Inzwischen hat sich das verdoppelt.“Immer mehr werde eine Hochzeit zum Prestigeobjekt. Das ständige Vergleichen auf Instagram & Co. verstärke das noch. Bei der Fotografin wurden dieses Jahr etwa 15 Prozent der Aufträge aufgrund der Pandemie abgesagt.
Einen Rückgang an Terminen gab es auch beim Standesamt in Neusäß. Durch die Pandemie gebe es in den Jahren 2020 und 2021 etwa 20 Prozent weniger Eheschließungen als davor. „Normalerweise führen wir im Jahr um die 120 Trauungen durch“, sagt Claudia Diehl, Leiterin des Standesamts. 2021 wurden in Neusäß bisher 57 Brautpaare getraut. Bis zum
Ende des Jahres sollten es knapp 100 sein. „Diesen Herbst heiraten viele, deren Hochzeit letztes Jahr wegen Corona abgesagt werden musste“, erklärt Claudia Diehl. Im Sommer sei es ruhiger als im Herbst, da zu der Zeit viele Leute und damit potenzielle Hochzeitsgäste im Urlaub sind. Viele Brautpaare warten lieber ein Jahr ab, um dann eine große Feier veranstalten zu können. „Vor der Pandemie haben viele zum Beispiel bei einer Schwangerschaft noch recht kurzfristig geheiratet. Heute warten sie lieber und beantragen nur eine Vaterschaftsanerkennung“, sagt die Standesamtsleiterin.
Hochzeitsfotograf Manuel Emme ist für das kommende Jahr bereits komplett ausgebucht. Er fotografiert pro Jahr im Schnitt auf 35 Vermählungen. Während der Hochzeitsbetrieb in den letzten zwei Jahren etwas eingeschränkt gewesen sei, erwartet der Selbstständige für 2022 eine hohe Nachfrage. „Es wird immer geheiratet, und weil in den letzten zwei Jahren so viele Termine aufgeschoben wurden, wird nächstes Jahr richtig viel los sein“, sagt Emme. Vor allem als Fotograf sei man sehr gefragt. „In unserem Zeitalter werden Fotos und die Präsentation nach außen, besonders durch die sozialen Medien, immer wichtiger. Da steigt bei den Leuten auch der Stellenwert von schönen Momentaufnahmen“, erzählt der Fotograf. Bereits seit etwa einem Jahrzehnt entwickle sich in Deutschland immer mehr der Trend, das Brautpaar den ganzen Tag über zu begleiten und jeden Moment festzuhalten. Früher sei der Fotograf oder die Fotografin nur bei einem Fotoshooting dabei gewesen.