Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kuschelnd auf Koalitionskurs
Sozialdemokraten, Grüne und Liberale wollen das Ampel-Experiment wagen. Vertrauen und Sympathie alleine aber reichen für eine Regierung nicht aus
Für CDU-Chef Armin Laschet ist die Ampel schon einsatzbereit. Man müsse sich, signalisierte der Wahlverlierer am Wochenende, nun mit der Oppositionsrolle abfinden. In den Lagern von SPD, Grünen und FDP werden sie es auch deshalb mit Verwunderung aufgenommen haben, weil die Sondierungen zwar erfolgreich abgeschlossen wurden und der Start der Koalitionsverhandlungen nur Formsache sein dürfte. Doch bisher sind lediglich die ersten Drähte gelegt. Damit die Ampel funktioniert, müssen diese nun in mühevoller Kleinarbeit verlötet werden.
FDP-Chef Christian Lindner hatte vor der Wahl gesagt, ihm fehle die Fantasie, sich eine Regierung mit SPD und Grünen vorzustellen. Dass jetzt alles anders ist, hängt mit dem Sondierungspapier zusammen, das Basis der Koalitionsgespräche ist. Es trägt deutlich die Handschrift der Liberalen. Das aber ist nicht so bemerkenswert, wie es gerade vielfach dargestellt wird. Denn von vornherein war klar, dass sich die beiden im Vergleich eher linken Partner stark auf die FDP zubewegen müssen, um sie ins Regierungsboot zu holen.
Darüber hinaus sollten sich die Liberalen ihrer Sache nicht zu sicher sein und bereits in dieser frühen Phase der Regierungsbildung den starken Mann markieren, wie es beispielsweise ihre Unterhändler Marco Buschmann und Wolfgang Kubicki getan haben. Sich jetzt schon öffentlich über Personalfragen zu äußern und Lindner als Finanzminister ins Spiel zu bringen, ist gefährlich. Die Grünen reagierten prompt, jetzt haben sie in der Ampel genau die aufgeregte Debatte, die man vermeiden wollte.
Der Erfolg der Verhandlungen hängt stark von der Verteilung und dem Zuschnitt der Ressorts ab. Wenn die Grünen ihr Klimaministerium mit Vetorecht bekommen (wonach es nicht aussieht), könnte sie das über vieles hinwegsehen lassen. Das Finanzministerium für die FDP? Fraglich, denn der amtierende Ressortchef Olaf Scholz weiß um die Machtoptionen als Schatzmeister der Nation. Zurückhaltung ist hier besonders angebracht, denn selbst wenn die Inhalte stimmen, können Personalfragen den Deal noch platzen lassen.
Vielleicht haben einige AmpelMänner den Ernst der Lage noch nicht begriffen. Der erfolgreiche Sondierungsabschluss basiert, die Beteiligten wurden nicht müde, es zu betonen, vor allem auf Vertrauen und Sympathie. Für einen Abend am Lagerfeuer mag das reichen, da dürfen dann alle mal – Stichwort Cannabis-Legalisierung – am Joint ziehen und sich lieb haben. Doch für vier Jahre am Kabinettstisch ist Kuscheln keine Option. Da sind harte Arbeit und Disziplin gefragt.
Das Sondierungspapier lebt zu großen Teilen von Dingen, auf die verzichtet wurde. Es gibt keine Vermögenssteuer, kein Tempolimit, keine Aktienrente, keine Bürgerversicherung, kein Mietenmoratorium. Das ist dem notwendigen Kompromiss geschuldet, jede Partei musste Abstriche machen. Minus und Minus ergeben allerdings nur in der Mathematik ein Plus. Politik funktioniert anders und die Parteioberen müssen einkalkulieren, dass ihnen am Ende doch noch alles um die Ohren fliegt, weil die Mitglieder die vielen Negativposten auf der Endabrechnung nicht akzeptieren.
Nach 16 Jahren einer CDU-geführten Regierung mit Angela Merkel an der Spitze, nach dem nervtötenden Gemurkse in der Union tut es gleichwohl gut, dass hier drei Parteien eine Regierungsbildung versuchen, die in erstaunlich kurzer Zeit eine Verhandlungsgrundlage erarbeitet haben. Vielleicht sitzen die Lötstellen am Ende an der richtigen Stelle und es wird doch was mit der Ampel. Die Union dürfte es nicht mehr schmerzen. Sie hat sich schon in die Opposition abgemeldet.
Die FDP redet zu früh über Personelles