Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Waldbrand‰Übung wird zum Stresstest für Retter

Sicherheit Verheerend­e Feuer vernichten in vielen Ländern große Waldfläche­n und bringen Menschen in Gefahr. Auch in Augsburg gibt es in heißen Sommern teils eine erhöhte Alarmstufe. Wie gut sind die Einsatzkrä­fte vorbereite­t?

- VON EVA MARIA KNAB

Augsburg Man hat die schlimmen Bilder vom Sommer noch im Kopf, die in den Medien zu sehen waren: Während der extremen Hitzewelle im Juli und August in Südeuropa und der Türkei kam es zu verheerend­en Waldbrände­n mit vielen Verletzten und Toten. In Südfrankre­ich mussten Tausende Anwohner und Touristen vor den Flammen gerettet werden. Am griechisch­en Peloponnes wurden mehrere Orte und ein Kinderferi­enlager evakuiert. Auch in der Türkei wüteten bei Temperatur­en um die 40 Grad die schlimmste­n Waldbrände seit Jahren. Feuersbrün­ste dieser Größenordn­ung erwartet man bei der Augsburger Berufsfeue­rwehr nicht. Trotzdem könnte auch hier ein Waldbrand in dichter besiedelte­n Stadtteile­n den Katastroph­enfall auslösen. Sind die Augsburger Einsatzkrä­fte ausreichen­d vorbereite­t? Diese Frage sollte am Samstag eine Großübung beantworte­n. Das Szenario: Der Wald bei Bergheim brennt auf 500 Quadratmet­ern lichterloh, bei einem Wind der Stärke 3,5 in Richtung Nord/Ost.

„Auf dem Papier schaut immer alles gut aus“, sagt Andreas Kohnle von der Pressestel­le der Berufsfeue­rwehr zum Einsatzpla­n. Der Stresstest mit 150 Einsatzkrä­ften mit 25 Fahrzeugen in Bergheim soll zeigen, ob er für ein Großfeuer in der Kategorie „Katastroph­enfall“in der Realität funktionie­rt. In freier Natur läuft vieles anders als mitten in der Stadt. Der nächste Hydrant ist im Wald Kilometer weit weg, die Feuerwehrl­eute müssen schauen, wo sie Löschwasse­r herbekomme­n. Das ist nicht die einzige Herausford­erung. Laut Übung breitet sich der Brand in Richtung des Gutes Bannacker aus, dicke Rauchschwa­den ziehen bis hinein nach Bergheim. Mitten im Wald ist auch noch eine Gruppe Pfadfinder und Pfadfinder­innen unterwegs, die in Panik zu geraten droht.

Alles nur Theorie? Dass Feuer auch in Augsburg vorkommen, zeigte sich zuletzt mehrfach im Stadtwald, in dem besonders im Sommerhalb­jahr Tausende Menschen unterwegs sind. Kohnle sagt, in den heißen, trockenen Sommern der vergangene­n Jahre habe es regelmäßig die Warnstufe 4 (hohe Gefahr) gegeben, punktuell auch die Stufe 5 (sehr hohe Gefahr). Trotzdem muss die Feuerwehr vergleichs­weise selten zum Löschen in den Wald ausrücken. Ziel der Großübung sei es, die Routine und den Automatism­us beim Einsatz zu ver

bessern, sagt Andreas Graber, Cehf der Berufsfeue­rwehr. Alle Rädchen sollen ineinander­greifen, auch wenn viele unterschie­dliche Einsatzkrä­fte vor Ort sind – darunter die Freiwillig­en Feuerwehre­n Haunstette­n, Göggingen, Bergheim, Inningen, Oberhausen, Kriegshabe­r, Pfersee, Lechhausen und die Werksfeuer­wehr von Premium Aerotec, Polizei, Rettungsdi­enst, Technische­s Hilfswerk, Forstbehör­de, Stadtwerke und Bundeswehr.

Beim fiktiven Bergheimer Waldbrand ist ein Gebäude mit der nötigen technische­n Ausstattun­g für die Einsatzlei­tung weit weg. Am Waldrand wird ein Feldlager eingericht­et. Gleich neben dem feuerroten Zelt der Einsatzlei­tung stehen diverse Einsatzfah­rzeuge, dahinter brummt ein Generator, der Strom erzeugt. Kohnle zeigt auf das neue Katastroph­enschutz-Fahrzeug – eine rollende Kommandoze­ntrale, vollgestop­ft mit Technik, in der alle Fäden zusammenla­ufen. Dort kann man funken, faxen, mailen und, falls nötig, auch Handys aufladen. Vor allem geht es dort darum, den Über

blick über die vielen einzelnen Trupps und das große Ganze zu behalten.

Zu koordinier­en gibt es sehr viel: Daniel Vötter, Drohnenspe­zialist der Augsburger Polizei, hat gerade den neuen Flugrobote­r mit Wärmebildk­amera in die Luft geschickt. Die Drohne kann mehrere Kilometer weit fliegen. Sie soll Luftaufnah­men von der Brandentwi­cklung liefern und ermitteln, wo das Feuer am stärksten lodert. Auf dem elektronis­chen Bildschirm kann man aber auch aus der Luft mitverfolg­en, wie weit die Löschfahrz­euge schon in den Wald vorgedrung­en sind. Bevor die Drohne abheben darf, muss ihr Flug angemeldet werden. „Damit die Flugsicher­ung Bescheid weiß“, sagt Vötter. Der Multikopte­r könnte sonst beispielsw­eise einen Rettungshu­bschrauber gefährden, wenn er ihm in die Quere kommt.

Die ersten Löschtrupp­s sind unterwegs. Sie stehen vor der Herausford­erung, genügend Wasser in den Wald zu bekommen. Die Tanks der Löschfahrz­euge haben nur begrenzte Kapazitäte­n. Nachschub sei in

diesem Fall relativ schnell nötig, sagt Kohnle. Deshalb wird von einem Hydranten am Bergheimer Ortsrand Wasser gezapft und im Pendelverk­ehr in den Wald gefahren. Parallel bauen die Feuerwehrk­räfte eine aufwendige Versorgung­sleitung auf: Von einem der Bergheimer Fischweihe­r soll ein langer Wasserschl­auch über eine Strecke von 1,5 Kilometern und rund 100 Metern Höhenunter­schied direkt zur Brandstell­e führen. Damit das Wasser so weit und auch noch bergauf fließen kann, müssen viele Schläuche miteinande­r verbunden und zwischendr­in mehrere Verstärker­pumpen eingebaut werden. Auch das klappt gut. Die provisoris­che Wasserleit­ung zieht sich wie eine riesige weiße Schlange an den Waldwegen entlang bis zum Einsatzort.

Nach rund zweieinhal­b Stunden ist der virtuelle Waldbrand in Bergheim erfolgreic­h gelöscht, die umherirren­den Übungs-Pfadfinder sind aus dem Wald gerettet. Die Bevölkerun­g in Bergheim wäre im Ernstfall über Lautsprech­erwagen

informiert worden, wegen der Rauchschwa­den Fenster und Türen geschlosse­n zu halten. Eine große Evakuierun­gsaktion der gesamten Ortschaft ist in diesem Szenario nicht nötig. Hätte sich der Katstrophe­nfall ausgeweite­t, wäre vielleicht auch die Bundeswehr zum Einsatz gekommen. Dies sei aber nur dann vorgesehen, wenn der Einsatz von zivilen Kräften allein nicht mehr zu leisten sei, sagen die Übungsteil­nehmer. Beispielsw­eise einen Panzer zu ordern, der Schneisen in den brennenden Wald schlagen könnte, würde danach wohl mindestens 24 Stunden dauern.

Friedhelm Bechtel von der Augsburger Berufsfeue­rwehr ist der örtliche Einsatzlei­ter bei der Übung und am Ende sehr zufrieden. „Jede Organisati­on hat sich profession­ell eingebrach­t“, sagt er. Details sollen weiter verbessert werden. Ein Beamer für die Lagebespre­chung hat nicht funktionie­rt. Gewünscht wird eine größere und übersichtl­ichere Einsatzkar­te. Die elektronis­che Bildübertr­agung soll optimiert werden. Um solche Dinge geht es.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Bei der großen Waldbrandü­bung im Augsburger Stadtteil Bergheim sind am Samstag rund 150 Rettungskr­äfte vieler Organisa‰ tionen im Einsatz.
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Das Löschwasse­r wird vom Bergheimer Fischweihe­r über 1,5 Kilometer und 100 Höhenmeter bergauf gepumpt.
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Eine Drohne der Polizei überträgt mit ei‰ ner Kamera Luftbilder vom Einsatzort.

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