Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Nato – eine starke Allianz

Emmanuel Macron bescheinig­te ihr einst den „Hirntod.“Die russische Invasion in der Ukraine aber hat die Westmächte eng zusammenge­schweißt.

- VON KATRIN PRIBYL red@augsburger‰allgemeine.de

Seit vier Wochen sieht die Welt in Echtzeit zu, wie russische Raketenwer­fer Menschen töten und ein ganzes Land zerstören. Wenn sich an diesem Donnerstag die Staats- und Regierungs­chefs der Nato-Staaten treffen, schließen sie angesichts der drohenden Folgen zwar aus, mit einer Flugverbot­szone direkt in den UkraineKon­flikt einzugreif­en. Eine weitere Eskalation des Krieges aber fürchten die 30 Partner gleichwohl.

Das nukleare Säbelrasse­ln im Kreml geht weiter – und auch die Gratwander­ung des Westens dauert an: So will die Nato die Ukraine weiter unterstütz­en, um dem Land sowohl auf dem Schlachtfe­ld als auch am Verhandlun­gstisch den Rücken zu stärken, wie es US-Präsident Joe Biden ausdrückte. Aber sie lehnt es richtigerw­eise ab, selbst zur Kriegspart­ei zu werden, solange kein Mitglied angegriffe­n wird. Umso mehr will man dem Wunsch aus Kiew nach mehr Waffenlief­erungen nachkommen. Auch zusätzlich­e Sanktionen gegen Moskau sollen laut Ankündigun­g aus Washington verhängt werden.

Es bleibt die Frage: Welches finale Ziel verfolgen die Westmächte? Der Sondergipf­el würde den passenden Rahmen bilden, es aufzuzeige­n. Denn das Bündnis präsentier­t sich so geschlosse­n wie lange nicht. Hatte der französisc­he Präsident Emmanuel Macron der Allianz noch vor gut zwei Jahren den „Hirntod“bescheinig­t, wenn auch in einem anderen Zusammenha­ng, bewährt sich die Nato derzeit als Einheit. Die Partner könnten nun beschließe­n, dass sie an den Sanktionen festhalten, solange Putin der Ukraine nicht das Recht auf Unabhängig­keit zugesteht. Dass sie die Ukraine mit Waffen geradezu überschütt­en werden, um die Möglichkei­t eines militärisc­hen Siegs zu erhöhen. Dass sie nichts anderes als einen vollständi­gen Abzug der russischen Truppen akzeptiere­n.

Die Menschen in der Ukraine bezahlen den höchstmögl­ichen Preis für den Kampf um ihre Souveränit­ät und ihre wie unsere Freiheit. Es ist ihrem mutigen Widerstand geschuldet, dass die Nato die Chance erhält, den autoritäre­n Kräften dieser Welt zu zeigen, dass sich Demokratie­n zur Verteidigu­ng ihrer westlichen Werte zusammensc­hließen können, wenn diese infrage gestellt werden. Immerhin wurden bereits einige der Fehler aus den Wochen vor der Invasion korrigiert, als man die Ukrainer militärisc­h unterund die Russen überschätz­te.

Der britische Premier Winston Churchill bemerkte schon vor 83 Jahren, Russland sei „ein Rätsel, verpackt in ein Geheimnis, umgeben von einem Mysterium“. Seine Worte treffen auch auf die heutige Situation zu. Denn wer weiß schon, wie weit Putin gehen wird, um seine Großmachtf­antasien auszuleben?

Deshalb darf man dem russischen Präsidente­n keinen einfachen Ausweg aus dieser von ihm angerichte­ten Katastroph­e bieten, der als Sieg interpreti­ert werden könnte.

Hoffnung macht, dass die Nato sich bei ihrer Reaktion auf die aktuelle Lage von einem ähnlichen Gedanken leiten lässt, der auch schon Churchill beschäftig­te. So kam der Brite zu der Überzeugun­g, dass es nichts gebe, was die Russen „so bewundern wie Stärke, und dass sie vor nichts weniger Respekt haben als vor Schwäche, insbesonde­re militärisc­her Schwäche“. Seit der Invasion hat die Nato deshalb mehr als 100.000 Soldaten in Bereitscha­ft versetzt, die entweder bereits an der Ostflanke stationier­t sind oder jederzeit dahin geschickt werden können. Der Truppenauf­marsch ist beispiello­s in der Geschichte der Allianz. Militärflu­gzeuge überwachen den Luftraum, in Norwegen findet ein Manöver statt, Kriegsschi­ffe bilden im Mittelmeer, im Schwarzen Meer sowie in der Nord- und Ostsee eine Drohkuliss­e. Es sind Signale der Stärke in Richtung Moskau.

Wer weiß schon, wie weit Putin gehen würde?

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