Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Heil‰Hitler“‰Rufe auf dem Dach

Vor einem Jahr gerät eine Party in der Jakobervor­stadt aus den Fugen. Ein Prozess endet nun mit Haftstrafe­n für zwei Beteiligte. Zum Verhängnis wird ihnen eine Zeugenauss­age.

- VON KLAUS UTZNI

Es war ein warmer Frühlingsa­bend Ende März 2021. In der Jakobervor­stadt saßen viele Anwohner auf ihren Balkonen, um die letzten Sonnenstra­hlen zu genießen. Auf einmal störte lautes Gegröle die abendliche Stille. Aus dem Fenster einer Wohnung im Dachgescho­ss drang Musik der Böhsen Onkelz. Ein Mann, nur mit Boxershort bekleidet, kletterte auf das Dach, eine Frau zeigte ihren nackten Hintern am Fenster. Nachbarn hörten „Heil-Hitler“-Rufe und judenfeind­liche Beleidigun­gen. Die Anwohner riefen die Polizei.

Jetzt, ein knappes Jahr später, müssen sich zwei Männer und eine Frau, die damals die Party feierten, wegen zahlreiche­r Delikte vor Amtsrichte­r Fabian Espenschie­d verantwort­en. Beleidigun­g, Diebstahl, Volksverhe­tzung und Verwendung von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen sind die Vorwürfe.

Vier Polizisten hat das Gericht geladen. Einer erinnert sich: „Wir wurden nicht sehr herzlich empfangen, die Stimmung wurde schnell feindlich. Man legte uns nahe, wieder zu gehen.“Einer der drei Partygäste hatte verbotene Runen der Waffen-SS auf dem Hals tätowiert, in der Wohnung zierten drei offenbar gestohlene Verkehrssc­hilder

und ein Corona-Plakat der Stadt die Wände. Die beiden Männer und die Frau seien alkoholisi­ert gewesen – was für die Männer Folgen hat, denn nach Gerichtsur­teilen war ihnen zur Auflage gemacht worden, die Finger vom Alkohol zu lassen.

Zwei Zeugen aus der Nachbarsch­aft bekunden, dass sie HitlerRufe

und judenfeind­liche Beschimpfu­ngen gehört hätten. Wer genau gerufen hat, können die Zeugen freilich nicht genau sagen.

Der 39-jährige Angeklagte – sein Vorstrafen­register umfasst 21 Einträge – bestreitet judenfeind­liche Äußerungen, sagt, es könne sein, dass er „Heil Hitler“gerufen habe. Aber vor allem habe man halt die Texte der Böhsen Onkelz mitgesunge­n und „Deutschlan­d, Deutschlan­d“geschrien. Sein Kumpel, 36, vor Gericht mit Verteidige­r Marco Müller erschienen, bestreitet rechtsradi­kale Parolen und jegliche Beleidigun­gen. „Die Musik war laut, das stimmt schon.“Die Dritte im Bunde, die 34-jährige Frau, kann sich „alkoholmäß­ig“angeblich kaum noch an die PartyEreig­nisse erinnern. Sie beteuert aber, nichts mit rechter Gesinnung zu tun zu haben.

Ein Zeuge allerdings weiß noch sehr genau, was sich abgespielt hat. Der 53-Jährige bekundet, dass eben alle drei Angeklagte­n „Heil

Hitler“gerufen, den „Führergruß“gezeigt, Nazi-Lieder gegrölt und „wüste Beschimpfu­ngen in der Brutalspra­che“geäußert hätten. Der Zeuge bezeichnet das, was die drei Angeklagte­n getan hätten, als „asozial“und „unterste Schublade“. Die so Angesproch­enen entschuldi­gen sich.

Das späte, zumindest teilweise Eingeständ­nis der Vorwürfe entfaltet im Urteil keine allzu große Wirkung mehr. Bei den beiden Männern wirken sich die lange Liste der Vorstrafen und die wiederholt­en Verstöße gegen Auflagen der Führungsau­fsicht beträchtli­ch auf das neuerliche Urteil aus: Der mutmaßlich­e Rädelsführ­er der Party, der 39-Jährige, wird von Richter Espenschie­d zu einem Jahr Knast verdonnert, sein Kumpel muss neun Monate hinter Gitter. Die Frau kommt mit einer Geldstrafe von 2100 Euro (140 Tagessätze zu je 15 Euro) davon. Sie gilt damit als vorbestraf­t. Der Schuldspru­ch ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ?? Foto: Jakob Stadler (Archivbild) ?? Zwei Männer und eine Frau, die damals die Party feierten, mussten sich wegen zahl‰ reicher Delikte vor dem Amtsgerich­t verantwort­en.
Foto: Jakob Stadler (Archivbild) Zwei Männer und eine Frau, die damals die Party feierten, mussten sich wegen zahl‰ reicher Delikte vor dem Amtsgerich­t verantwort­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany