Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Tollwutimpfungen für Haustiere aus der Ukraine
Im Tierheim wurden die ersten Hunde von Geflüchteten versorgt. Der Tierschutzverein bietet ab sofort ein umfangreiches Paket an und sucht freiwillige Helfer.
Yorkshireterrier Lucky war eines der ersten Flüchtlingstiere aus der Ukraine, die Veterinärmedizinerin Tonia Olson im Augsburger Tierheim versorgen musste. Der kleine Patient gehört einer Ukrainerin, die mit ihrem Sohn vor dem Krieg fliehen musste und ihr geliebtes Haustier nicht zurücklassen wollte. Doch mit Lucky gab es ein großes Problem. Der Hund brauchte auf die Schnelle eine Tollwutimpfung, sonst hätte er wohl von seiner Familie getrennt werden müssen. Lucky ist nicht der Einzige, der dringend verarztet werden muss. Zahlreiche Ukraine-Flüchtlinge, die mit Haustieren kommen, brauchen Hilfe. Darauf reagiert der Tierschutzverein Augsburg und Umgebung mit einem umfangreichen Angebot.
„Viele vor dem Krieg in der Ukraine geflohene Menschen wollten ihre Tiere nicht im Stich lassen“, sagt die Geschäftsführerin des Tierschutzvereins, Sabina Gassner. Beim Tierheim gehen immer mehr Anfragen von Privatleuten ein, die Flüchtige samt deren Hunden oder Katzen aufgenommen haben. Genauere Zahlen, wie viele Haustiere aus der Ukraine mit dem Flüchtlingsstrom in der Region ankommen, gebe es nicht, sagt Gassner. „Aber es dürften etliche sein.“Tendenz: steigend.
Welche Probleme damit verbunden sind, erklärt Gassner am Beispiel der Tollwutimpfung. Normalerweise bräuchten Hunde und Katzen aus der Ukraine bei einer Einreise nach Deutschland zwingend einen Impfnachweis gegen die gefährliche Krankheit in einem EUImpfpass. Ohne dieses Dokument müssten sie bis zu drei Monate in Quarantäne. Das ist nicht nur teuer für die betroffenen Besitzer. „Es ist auch sehr stressig für die Tiere, weil sie streng isoliert werden müssen“,
sagt Gassner. Die üblichen Einreisevorschriften und Kontrollen seien bei den Kriegsflüchtlingen allerdings praktisch außer Kraft gewesen. In Absprache mit dem städtischen Veterinäramt können die mitgebrachten Haustiere kurzfristig nun auch hier geimpft werden und bei ihren Familien bleiben, so Gassner. „Wir sind froh über diese einfache Regelung.“
Der erste Termin für kostenlose tierärztliche Untersuchungen im Tierheim fand am vergangenen Freitag statt. Veterinärin Olson behandelte zwei Hunde von Geflüchteten. Sie erhielten die Impfung, den
EU-Pass und eine Erstuntersuchung. Für Yorkshireterrier Lucky sei dies aus einem Grund besonders wichtig gewesen, erzählt die Tierärztin. Die Hundebesitzerin wolle mit Sohn und Haustier von Augsburg weiter nach Großbritannien reisen. Dafür sei der Impfpass zwingend erforderlich. Die Probleme seien vielfältig, sagt Olson. „Auch Tiere leiden unter Stress auf den langen Fahrten und in wechselnden Unterkünften.“So wie Jack-Russell-Terrier Messi aus der Ukraine. Er musste zusätzlich wegen Durchfalls behandelt werden.
„Der Tierschutzverein Augsburg
lässt weder Menschen noch Vierbeiner unversorgt“, sagt Geschäftsführerin Gassner mit Blick auf den anhaltenden Flüchtlingsstrom aus der Ukraine. Deshalb wurde ein umfangreiches Paket geschnürt. Wohlfahrtsverbände, Koordinierungsstellen, Ankerzentren sowie die Stadt Augsburg und die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg können darauf zurückgreifen, aber auch Privatleute.
Zum Angebot zählt etwa ein Tierarztbesuch (inklusive Impfungen, EU-Heimtierausweis, einfache Diagnostik und Therapie, Erstversorgung, Medikamente). Termine gibt es freitags von 13 bis 16 Uhr im Tierheim. Anmeldungen für tierärztliche Leistungen sind Dienstag und Donnerstag von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr unter Telefon +49 821/455290-15 oder tierarzt@tierschutz-augsburg.de möglich. Futter und Spielzeug für Haustiere kann Montag bis Freitag zwischen 13 und 17 Uhr abgeholt werden. Alle Leistungen sind kostenlos für die Menschen aus der Ukraine. Kontakt für Bedarf am besten per WhatsApp +49 821/455290-0 oder E-Mail: info@tierschutz-augsburg.de mitteilen.
Dank regelmäßiger Futterspenden kann der Tierschutzverein auch längerfristig Futter, Spielzeug und anderen Tierbedarf abgeben. Gassner sagt, die Ankerzentren-Standorte in der Aindlinger Straße und Berliner Allee seien bereits mit größeren Mengen Hunde- und Katzenfutter versorgt. Das Hilfswerk Schwaben-Bukowina hat ebenfalls schon zwei Kisten mit Tierbedarf abgeholt.
Einige Ukraine-Flüchtlinge werden ihre Tiere wohl auch vorübergehend in Obhut geben müssen. Es gibt zahlreiche Anfragen. Deshalb wurde das Vereinsnetzwerk mit Pflegestellen aktiviert und mehr Platz im Tierheim geschaffen. Weitere Spenden und Helfer seien willkommen, sagt Gassner.
Eine Hürde ist noch die Kommunikation mit den Flüchtlingen. Mitarbeiter im Tierheim behelfen sich mit Übersetzungsprogrammen per Handy. Auch in Englisch, vielleicht noch Französisch oder Polnisch sei eine Verständigung möglich. Künftig werde eine ukrainische Deutschlehrerin bei Bedarf übersetzen, sagt Heinz Paula, Vorsitzender des Tierschutzvereins. „Wir wenden uns bei Notlagen nicht ab, sondern helfen, wo wir können. Menschen und ihre Tiere, die jetzt ihre Heimat verlassen müssen, erleben eine unbeschreibliche Katastrophe.“