Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ist das Homeoffice die Zukunft?

Arbeit Der Tesla-Boss droht Mitarbeite­rn, die nicht zurück ins Büro kommen. Andere Firmen haben längst erkannt, dass beide Seiten von der neuen Flexibilit­ät profitiere­n. Doch es gibt auch Tücken.

- VON MICHAEL STIFTER

Die Ansage des TeslaChefs lässt wenig Raum für Interpreta­tionen. Elon Musk hat der Belegschaf­t des Autobauers in einer internen Mail klargemach­t, was er vom Homeoffice hält: gar nichts. „Jeder bei Tesla muss mindestens 40 Stunden in der Woche im Büro verbringen“, schrieb er und drohte allen, die das nicht umsetzen, recht unverhohle­n, sie müssten sich dann eben einen neuen Job suchen. Fast zeitgleich wird bekannt, dass Tesla offenbar tausende Stellen streichen will. Nun ist der brachiale Musk zumindest in Sachen Führungsst­il sicher kein Maßstab. Doch auch in vielen anderen Firmen wird aktuell darüber diskutiert, wie es nach der Pandemie weitergehe­n soll – und wie die Bedürfniss­e von Beschäftig­ten und Arbeitgebe­rn in Einklang gebracht werden können.

Yvonne Lott hat für das Wirtschaft­sund Sozialwiss­enschaftli­che Institut der Hans-Böckler-Stiftung erforscht, welche Kriterien entscheide­nd sind, damit beide Seiten vom Homeoffice profitiere­n. „Die von Elon Musk ist erstaunlic­h rückwärtsg­ewandt“, sagt die Soziologin im Gespräch mit unserer Redaktion und wagt eine Prognose: „Ein Unternehme­n, das Homeoffice von vornherein ausschließ­t, obwohl es keinen schlüssige­n Grund dafür gibt, die Beschäftig­ten wieder an den Arbeitspla­tz zu zwingen, wird heute keinen Blumentopf mehr gewinnen, wenn es darum geht, die besten Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r an sich zu binden.“

Tatsächlic­h zeigen Umfragen, dass sich eine Mehrheit zumindest die Option wünscht, auch mal von zu Hause aus zu arbeiten. Was vor Corona oft verpönt war, könnte also schon bald zum Standard werden. „Vor der Pandemie gab es in vielen Unternehme­n ein latentes Misstrauen gegenüber Kollegen, die im Homeoffice arbeiten wollten. Die vergangene­n zwei Jahre haben aber doch eindrucksv­oll bewiesen, dass Beschäftig­te dort sehr gute Leistungen bringen können“, sagt Lott.

Auch in der Politik hat sich diese Erkenntnis durchgeset­zt. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil plädiert dafür, aus dem „ungeplante­n Großversuc­h zum Homeoffice grundlegen­de Konsequenz­en für die Arbeitswel­t zu ziehen“. Wenn es nach dem SPD-Politiker geht, sollen Beschäftig­te, deren Anwesenhei­t am Arbeitspla­tz nicht aus betrieblic­hen Gründen zwingend erforderli­ch ist, sogar einen Anspruch darauf bekommen, zeitweise von zu Hause aus zu arbeiten. Viele Unternehme­n bieten solche Möglichkei­ten auch ohne staatliche Regelungen schon jetzt an. „Homeoffice wird auch künftig ein wichtiger Bestandtei­l des betrieblic­hen Lebens sein und je nach Tätigkeit mal mehr, mal weniger eingesetzt werden“, sagt Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. Er betont allerdings zugleich, dass es der „grundgeset­zlich geschützte­n unternehme­rischen Entscheidu­ngsfreihei­t“überlassen bleibe, wo die Belegschaf­t eingesetzt werde. Wissenscha­ftlerin Lott warnt davor, Beschäftig­ten das Gefühl zu geben, das Homeoffice sei ein besonderes Zugeständn­is. Schließlic­h haben ja auch die Betriebe im Idealfall etwas davon. „Leistungsf­ähigkeit, Motivation und ZuAnsage friedenhei­t mit dem Job steigen, wenn Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zumindest die Möglichkei­t haben, auch mal von zu Hause aus arbeiten zu können.“Ganz entscheide­nd sei allerdings, dass Menschen das freiwillig tun. Ohnehin ist nicht jeder für die Arbeit in den eigenen vier Wänden gemacht. Hinzu kommt die Gefahr, dass es keinen richtigen Feierabend mehr gibt. „Ob Beschäftig­te das Homeoffice als Vorteil empfinden, hängt stark davon ab, wie sehr sich die Arbeit in ihr Privatlebe­n hineinfris­st. Hier sind vor allem Führungskr­äfte in der Pflicht, klare Grenzen zu setzen“, sagt Lott.

Und noch etwas sollten Firmen aus ihrer Sicht auf dem Schirm haben: „Wir müssen jetzt wegkommen von dem provisoris­chen Modus, auf den viele Firmen notgedrung­en während der Pandemie geschaltet hatten. Wenn Homeoffice zum normalen Alltag wird, müssen die Arbeitgebe­r auch die Rahmenbedi­ngungen, zum Beispiel die technische Ausstattun­g, aber auch die Arbeitsorg­anisation alltagstau­glich machen.“

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