Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Marco Buschmann – der Ampel‰Schreck im Kabinett

Porträt

- VON BERNHARD JUNGINGER

Der FDP-Politiker mit der ungewöhnli­chen Geschichte eckt bei seinen Ministerko­llegen mit Leidenscha­ft an, vor allem bei SPD-Mann Karl Lauterbach. Warum er von leisen Tönen wenig, die Parteispit­ze aber umso mehr von ihm hält.

Berlin An ihm kommt in der Bundesregi­erung niemand vorbei, Karl Lauterbach kann ein Lied davon singen. Schon mehrfach ist der Bundesgesu­ndheitsmin­ister von der SPD an seinem Kabinettsk­ollegen Marco Buschmann abgeprallt. Ob beim Scheitern der Corona-Impfpflich­t, beim Auslaufen des Infektions­schutzgese­tzes samt Maskenpfli­cht oder bei der Triage-Regelung: Ein ums andere Mal bremst der liberale Justizmini­ster den Mediziner ein oder gar aus. Als sich Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) zunächst zustimmend zu Brüsseler Plänen äußert, nach denen Messengerd­ienste wie WhatsApp gezwungen werden sollen, Chats nach Missbrauch­sbildern zu durchsuche­n, fährt ihr Buschmann in die Parade: Digitale Bürgerrech­te seien keine Bürgerrech­te zweiter Klasse.

Dass der FDP-Mann in den Reihen der Ampel-Partner SPD und Grünen zunehmend zur Reizfigur wird, liegt nicht nur an dem, was er sagt. Sondern auch daran, wie er es sagt. Der 44-jährige promoviert­e Jurist tritt so selbstbewu­sst auf, dass es für viele überheblic­h wirkt. In seinen perfekt sitzenden Anzügen und mit der Hornbrille erscheint er bisweilen wie ein von sich eingenomme­ner Rechthaber. So entzünden sich die Konflikte, die in der ersten Dreier-Koalition von SPD, Grünen und FDP immer deutlicher zutage treten, auch an der Person Buschmann. Für den linken Teil der

steht der Justizmini­ster für die ganze vermeintli­che Arroganz der FDP, die sie als Partei der Anwälte, Notare und Steuerbera­ter schmähen.

Dabei verkörpert die liberale Reizfigur nur auf den ersten Blick die Welt der Elite-Universitä­ten und eichenholz­getäfelten Kanzleien. Buschmann kommt aus dem Ruhrpott, aus dem vom Niedergang von Kohlebergb­au und Stahlindus­trie besonders gebeutelte­n Gelsenkirc­hen. In einer fünfköpfig­en Familie mit wenig Geld lebt er gemeinsam mit der kranken Oma in einer 70-Quadratmet­er-Wohnung. Die liegt in Sicht- und vor allem Hörweite des Parkstadio­ns, der damaligen Heimat der Fußballer von Schalke 04. An Heimspiel-Samstagen ist die ganze Straße von den Bierflasch­en übersät, die die Fans zurücklass­en. Obwohl die Grundschul­lehrerin dem kleinen Marco abrät, geht er aufs Gymnasium, brilliert wie später im Jurastudiu­m mit Top-Noten. Aus dem Jungen aus einfachen Verhältnis­sen wird ein Anwalt, der bei einer renommiert­en internatio­nalen Sozietät arbeitet, sich dann aber voll auf die politische Laufbahn konzentrie­rt. Mit 17 Jahren in die FDP eingetrete­n, übernimmt er in der Partei immer mehr Verantwort­ung, bringt es bis zum Bundesgesc­häftsführe­r. Vor allem aber wird er zu ihrem Vordenker.

Als die Liberalen 2013 aus dem Bundestag fliegen, ist es Christian Lindner, ebenfalls aus NordrheinW­estfalen stammend, der fast im

Alleingang das Comeback schafft – so wird es immer wieder erzählt. Doch es ist Buschmann, der Lindner im Hintergrun­d unterstütz­t, mit Gedanken versorgt, die FDP der Zukunft skizziert. Wenn die Liberalen heute nicht mehr nur als Reichen-Vertretung wahrgenomm­en werden, sondern gerade auch bei jungen Menschen populär ist, die vom gesellscha­ftlichen Aufstieg erst

träumen, hat das viel mit Buschmanns Ideen zu tun.

Dass FDP-Chef Christian Lindner seinen langjährig­en Weggefährt­en nach dem Sprung in die AmpelRegie­rung den Weg an die Spitze des Justizmini­steriums ebnet, ist nur konsequent. In seinem neuen Umfeld wird er als extrem strukturie­rt und zielstrebi­g beschriebe­n. Wenn Mitarbeite­r für ein Gesetzesvo­rhaAmpel

ben zwölf Monate veranschla­gen, setze er drei Monate an, heißt es. Fachlich kann dem Minister, der Beiträge in juristisch­en Fachmagazi­nen schreibt, mit Titeln wie „Subsidiari­tätsrüge und Grundsatz der begrenzten Einzelermä­chtigung“, ohnehin keiner etwas vormachen.

Marco Buschmanns Überzeugun­gen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Politik und bis hinein ins Persönlich­e. Er legt Wert darauf, dass es Dinge gibt, die niemanden etwas angehen, schon gar nicht den Staat. Privat ist von ihm nur bekannt, dass er verheirate­t ist, nicht aber, ob er Kinder hat. Herumgespr­ochen hat sich die große Leidenscha­ft des Ministers für elektronis­che Musik. Im eigenen Tonstudio komponiert er Stücke, die manchmal an den Soundtrack von ScienceFic­tion-Filmen erinnern.

Die Freiheit und ihr Schutz durch das Recht – das ist das große Thema des Marco Buschmann. So erklärt sich seine große Skepsis gegenüber Corona-Maßnahmen, die aus seiner Sicht zu weit gehen oder zu schlecht begründet sind, so wird er immer mehr zum Alptraum von Karl Lauterbach. „Auch der Mangel an Freiheit macht krank“, warnt Buschmann.

Dass Buschmann aneckt, in der Ampel und weit darüber hinaus, wird in der FDP-Spitze sehr aufmerksam wahrgenomm­en – aber keineswegs mit Sorge, sondern mit großem Wohlwollen. Während Christian Lindner als Finanzmini­ster Rekordschu­lden machen musste, was viele FDP-Anhänger noch nicht verdaut haben, ist es der Justizmini­ster, der im Moment als liberales Korrektiv einer tendenziel­l linken Regierung wahrgenomm­en wird. Er wird wahrgenomm­en, polarisier­t, und das ist gut so, sagen erfahrene Parteistra­tegen. So sind vom freiheitsl­iebenden Musikfan Buschmann auch in Zukunft keine leisen Töne zu erwarten.

 ?? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa ?? Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) wird für die Kabinettsk­ollegen zunehmend zur Reizfigur. Für viele verkörpert er die vermeintli­che Arroganz der FDP. Dabei war sein eigener Aufstieg steinig.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) wird für die Kabinettsk­ollegen zunehmend zur Reizfigur. Für viele verkörpert er die vermeintli­che Arroganz der FDP. Dabei war sein eigener Aufstieg steinig.

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