Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schock für Zverev

Tennis Der 25-Jährige liefert ein hart umkämpftes Halbfinale bei den French Open gegen Rafael Nadal, ehe ihn eine schwere Verletzung stoppt. Der Spanier hofft nun auf Titel Nummer 14.

- VON MARCO SCHEINHOF

Paris Alexander Zverev schrie vor Schmerzen. Er war zu einer Vorhand gelaufen, wollte den Ball an Rafael Nadal vorbeispie­len. Es war die entscheide­nde Phase in diesem hochklassi­gen Halbfinale der French Open. Zverev knickte um, der Knöchel bog sich zur Seite weg. Zverev schrie sofort, er weinte vor Schmerzen. Sein Gegner Rafael Nadal kam auf seine Seite, auch der Schiedsric­hter sprang von seinem Stuhl, sofort war ein Arzt bei Zverev. Es war klar: Das war es. Es wird nicht mehr weitergehe­n.

Helfer schoben einen Rollstuhl auf den größten Platz der Anlage in Paris. Nur mit großer Mühe und mit starken Schmerzen konnte sich Zverev aufrichten. Er brauchte Hilfe, um sich in den Rollstuhl zu setzen. Es war das traurige Ende eines hochklassi­gen Nachmittag­s. Drei Stunden hatten Zverev und Nadal zu diesem Zeitpunkt schon Tennis gespielt, sie hatten noch nicht einmal den zweiten Satz beendet. Im ersten Durchgang hatte Nadal mit 7:6 gewonnen, dabei hatte Zverev zuvor viele Chancen vergeben, um selbst den Satz für sich zu entscheide­n. Im zweiten Satz ein ähnliches Bild. Wieder lag Zverev vorne, er führte mit 5:3, Nadal kam wieder zurück. 6:5 stand es für Zverev, als das Unglück passierte.

Zverev wurde in der Kabine untersucht. Auch Nadal war geschockt. Er blieb zunächst auf dem Platz, wechselte sein durchnässt­es T-Shirt. Dann verschwand auch der Spanier in die Kabine. Wenige Minuten später kam er zurück – hinter Zverev, der auf Krücken gestützt auf den Platz humpelte. Er hatte Tränen in den Augen. Ein kurzer Handschlag mit dem Schiedsric­hter, eine Umarmung mit Nadal, das war es. Zverev winkte noch einmal ins Publikum, die Fans erhoben sich von ihren Sitzen. Es war ein trauriger Moment, ein trauriger Abschluss eines hochklassi­gen Halbfinale­s. Eine Diagnose gab es am Abend noch nicht. Immerhin konnte Mischa Zverev leichte Entwarnung geben. Alexanders Bruder kommentier­t für den TV-Sender Eurosport und meinte: „Angeblich ist nichts gebrochen. Wir hoffen auf das Beste.“Gut sah es allerdings nicht aus. Bald wartet bereits das Turnier in Wimbledon. Ob Zverev in Großbritan­nien teilnehmen kann, ist fraglich.

Großes Mitgefühl zeigte Rafael Nadal. „Das ist sehr traurig“, sagte der Spanier noch auf dem Platz, „er hat ein tolles Turnier gespielt. Ich weiß, wie hart er dafür kämpft, um ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen.“Auf einen solchen Erfolg muss Alexander Zverev nun weiter warten. Olympiasie­ger ist der 25-Jährige geworden, nur eines der vier wichtigste­n Turniere des Jahres hat er noch nicht gewonnen. Wäre ihm dieser Triumph in Paris gelungen, er wäre zudem die Nummer eins der Tennis-Welt geworden. Der erste deutsche Spieler nach Boris Becker.

Nun aber dieser Schock, dieser schrecklic­he Moment. Nadal war mit ihm in der Kabine. Er hatte Zverev weinen sehen. „Ich bin sicher, dass er noch viele GrandSlam-Turniere gewinnen wird“, sagte der Spanier. So wie er selbst. Er hat bereits 21 dieser Erfolge ge

sammelt, 13 davon in Paris bei seinem Lieblingst­urnier. Die French Open und Nadal – diese Beziehung passt einfach. Das hat er auch am Freitag gezeigt. Er schien mehrfach im Hintertref­fen, kämpfte sich aber immer wieder zurück. Im zweiten Durchgang wirkte er zeitweise müde. Als es aber darauf ankam, als die ganz wichtigen Punkte anstanden, war er wieder da.

Nadal darf nun weiter seinen Traum leben. Weiter daran glauben, dass er mit seit Freitag 36 Jahren seinen 14. Titel bei den French Open holt. Im Finale trifft er am Sonntag auf Casper Ruud, der gegen den Kroaten Marin Cilic mit 3:6, 6:4, 6:2, 6:2 gewann. Beim Sieg des Norwegers rannte eine Klimaaktiv­istin auf den Platz und kettete sich ans Netz. Die Frau trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „We have 1028 days left“(Uns bleiben noch 1028

Tage). Cilic und Ruud wurden zur Sicherheit in die Kabinen gebracht. Die Aktivistin wurde wenig später vom Netz befreit und vom Platz geführt. Die Partie konnte fortgesetz­t werden, am Ende war es eine klare Angelegenh­eit für Ruud, der in der Runde zuvor gegen Holger Rune, den Sieger der BMW Open in München, gewonnen hatte. In München hatte Zverev sportlich gepatzt. In Paris nun war er gut drauf. Nun bremste ihn eine Verletzung.

Nadal kennt sich mit Verletzung­en aus. Zuletzt hatte er sich die Rippe gebrochen, zudem plagen ihn Fußproblem­e. Bei ihm bestand schon häufiger die Gefahr, dass er nicht mehr so stark zurückkomm­en würde wie gewohnt. Nadal aber erholte sich von allen Rückschläg­en. Das muss nun auch Alexander Zverev gelingen. Es war wohl der bitterste Moment seiner Karriere.

 ?? Foto: Nicolas Luttiau, Witters ?? Das Ende eines bis dahin hochklassi­gen Nachmittag­s: Alexander Zverev (am Boden) war umgeknickt und musste mit einer schwe‰ ren Verletzung aufgeben. Sein Gegner Rafael Nadal schaut besorgt nach seinem Konkurrent­en.
Foto: Nicolas Luttiau, Witters Das Ende eines bis dahin hochklassi­gen Nachmittag­s: Alexander Zverev (am Boden) war umgeknickt und musste mit einer schwe‰ ren Verletzung aufgeben. Sein Gegner Rafael Nadal schaut besorgt nach seinem Konkurrent­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany