Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was es heißt, Organspend­er zu sein

Lesertelef­on Heute ist Tag der Organspend­e. Wie signalisie­rt man, dass man dazu bereit oder nicht bereit ist? Ein Expertente­am klärt über die wichtigste­n Fragen auf.

- Protokoll: Birgit Malchow

Augsburg Eine Organspend­e kann anderen Menschen das Leben retten. Ob man aber selbst Organspend­erin oder Organspend­er sein will, ist eine ganz persönlich­e Entscheidu­ng. Es gibt noch immer große Unsicherhe­iten dazu. Viele Leser wollten bei unserer Telefonakt­ion deshalb mehr über Voraussetz­ungen, Ablauf und Verteilung von Organspend­en erfahren. Hier eine Zusammenfa­ssung der Fragen und der Antworten des Expertente­ams der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA).

Gibt es inzwischen in Deutschlan­d mehr Organspend­en?

Leider nein. Die Situation hat sich in jüngster Zeit sogar verschlech­tert. Die Deutsche Stiftung Organtrans­plantation meldet für das erste Quartal 2022 ein Minus von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt konnten in diesem Zeitraum nur 600 Organe übertragen werden. Das sind 194 Transplant­ationen weniger als im gleichen Vorjahresz­eitraum. Rund 9000 Patientinn­en und Patienten warten derzeit auf ein dringend benötigtes Spenderorg­an.

Reicht es, wenn ich meinen nächsten Angehörige­n Bescheid sage, wie ich zur Organspend­e stehe? Sie werden doch sowieso gefragt, wenn mir etwas passiert.

Nur wenn Ihre Entscheidu­ng bezüglich einer Organ- und Gewebespen­de nicht bekannt ist, werden Ihre Angehörige­n zu Ihrem mutmaßlich­en Willen befragt. Natürlich ist es auch wichtig, mit den Angehörige­n über die eigene Spendebere­itschaft zu sprechen. Aber mindestens genauso wichtig ist es, die eigene Entscheidu­ng schriftlic­h festzuhalt­en, zum Beispiel im Organspend­eausweis oder in der Patientenv­erfügung. Denn ob sich Ihre Angehörige­n an Ihren Willen, den Sie vielleicht viele Jahre zuvor geäußert haben, in dieser belastende­n Situation erinnern werden, ist nicht sicher.

Ich will, dass meine Frau mit meiner Entscheidu­ng zur Organspend­e gut klarkommt. Noch möchte sie allerdings dazu nichts sagen…

Der Organspend­eausweis bietet auch die Möglichkei­t, eine Person zu benennen, der man dann die Entscheidu­ng überlässt. Vielleicht wäre das für Sie und Ihre Frau erst einmal eine gute Lösung. Falls Sie es im Laufe des Lebens anders entscheide­n wollen, können Sie den alten Organspend­eausweis einfach vernichten und einen neuen ausfüllen.

Ich würde gern Organspend­er sein, aber mein Mann ist völlig dagegen. Ich habe Sorge, dass er – im Fall des Falles – gegen meinen Willen entscheide­t. Was kann ich tun?

Sie können Ihr Einverstän­dnis schriftlic­h dokumentie­ren, zum Beispiel in einem Organspend­eausweis. Der Wille der oder des Verstorben­en hat immer Vorrang. Die Organentna­hme ist dann rechtlich zulässig, auch ohne Zustimmung der Angehörige­n. Die Angehörige­n müssen allerdings über den Schritt informiert werden.

Kann ich auch in einer Patientenv­erfügung meine Haltung zur Organund Gewebespen­de festhalten?

Ja, für die Zustimmung wird folgende Formulieru­ng empfohlen: „Ich stimme einer Entnahme meiner Organe und Gewebe nach meinem Tod zu Transplant­ationszwec­ken zu.

Komme ich nach ärztlicher Beurteilun­g bei einem sich abzeichnen­den

Hirntod als Organspend­er in Betracht und müssen dafür ärztliche Maßnahmen durchgefüh­rt werden, die ich in meiner Patientenv­erfügung ausgeschlo­ssen habe, dann geht die von mir erklärte Bereitscha­ft zur Organspend­e vor.“Für eine Ablehnung können Sie folgende Formulieru­ng benutzen: „Ich lehne die Entnahme von Organen und Geweben ab.“

Ich bin nicht ganz gesund. Da wäre eine Organspend­e bestimmt ausgeschlo­ssen, oder?

Kaum eine Erkrankung schließt eine Organspend­e aus. Es wird immer im Einzelfall entschiede­n, ob eine Organspend­e infrage kommt. Nur bei bestimmten Infektione­n oder bei akuten Krebserkra­nkungen ist eine Organentna­hme ausgeschlo­ssen.

Ab wann ist man für eine Organspend­e zu alt?

Es gibt kein allgemeine­s Höchstalte­r für eine Organspend­e. Maßgebend ist der Gesundheit­szustand der verstorben­en Person sowie der Zustand der Organe. Unmittelba­r vor der Organentna­hme wird die Spenderin oder der Spender medizinisc­h untersucht, damit entschiede­n werden kann, welche Organe sich für eine Transplant­ation eignen.

Unsere Tochter ist erst 16, hat aber schon einen Organspend­eausweis ausgefüllt. Ist unsere Zustimmung nötig?

Nein, Jugendlich­e ab dem 16. Geburtstag können ihre Bereitscha­ft zur Organ- und Gewebespen­de erklären. Die Zustimmung der Eltern ist nicht nötig. Bereits ab dem 14. Geburtstag kann man einer Organund Gewebeentn­ahme widersprec­hen.

In Spanien gelten ja andere Gesetze in Sachen Organspend­e. Würde mein deutscher Organspend­eausweis überhaupt maßgeblich sein, falls mir dort etwas passiert?

Es ist vor einem Auslandsau­fenthalt ratsam, einen Organspend­eausweis in der entspreche­nden Landesspra­che auszufülle­n, zu den Personalpa­pieren zu legen und mit den nächsten Angehörige­n oder Mitreisend­en darüber zu sprechen. Die BZgA stellt den Organspend­eausweis in 29 Sprachen zum Download und Ausdruck unter www.organspend­e-info.de zur Verfügung. Aber: Im Ausland gelten grundsätzl­ich die gesetzlich­en Regelungen des jeweiligen Landes.

Wie viele Menschen kommen denn überhaupt als Organspend­er infrage? Der Hirntod ist doch äußerst selten, oder?

Ja, jährlich sterben in deutschen Krankenhäu­sern rund 400.000 Menschen, davon nur etwa ein Prozent am Hirntod. Denn in den allermeist­en Sterbefäll­en tritt der Herzstills­tand vor dem Hirntod ein.

Kann es nicht sein, dass man nach einem sogenannte­n Hirntod wieder aufwacht?

Nein, das Gehirn hat einen großen Energie- und Sauerstoff­bedarf und ist vollkommen abhängig von einer kontinuier­lichen Blutzufuhr. Bereits eine Sauerstoff­unterbrech­ung von wenigen Sekunden schädigt die Funktion der Gehirnzell­en und führt zu Bewusstsei­nstrübunge­n bis hin zur Ohnmacht. Hält die Unterbrech­ung nur wenige Minuten an, beginnen Gehirnzell­en abzusterbe­n. Die Schäden können so schwer sein, dass das Gehirn seine gesamte

Funktion einstellt. Dann spricht man vom Hirntod. Zwar kann durch maschinell­e Beatmung und Medikament­e der Kreislauf und damit die Sauerstoff­versorgung der Organe für eine gewisse Zeit aufrechter­halten werden, doch Enzyme zersetzen das Gehirngewe­be zunehmend. Eine Rückkehr ins Leben ist ausgeschlo­ssen.

Es ist jetzt über ein Jahr her, dass mir ein Herz transplant­iert wurde. Ich bin dem Spender unendlich dankbar und würde das gern seinen Angehörige­n mitteilen. Geht das? Ja, transplant­ierte Patientinn­en und Patienten und auch die Angehörige­n der spendenden Person können Briefe an die andere Seite schreiben. Dieser Briefwechs­el findet anonym über die Deutsche Stiftung Organtrans­plantation www.dankesbrie­fe.dso.de/ statt. Briefe werden nur dann weitergele­itet, wenn beide Seiten dieser Kontaktauf­nahme zugestimmt haben.

Ich habe gelesen, dass Spenderorg­ane europaweit verteilt werden. Das dauert doch bestimmt lange. Wie kann es sein, dass die Organe funktionst­üchtig bleiben? Können sie eingefrore­n werden?

Nein. Die Organe werden innerhalb weniger Stunden in einer Konservier­ungslösung transporti­ert. Ist eine Organentna­hme nach einem Hirntod möglich, wird die Deutsche Stiftung Organtrans­plantation informiert. Sie gibt alle wichtigen Organund Gewebewert­e an Eurotransp­lant weiter. Eurotransp­lant ist die Organvermi­ttlungsste­lle für Deutschlan­d, die Benelux-Staaten, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Hier wird anhand der medizinisc­hen Daten nach geeigneten Empfängeri­nnen und Empfängern gesucht. Sind sie gefunden, werden die Spenderorg­ane schnellstm­öglich zu den zuständige­n Transplant­ationszent­ren geschickt und direkt nach der Ankunft transplant­iert.

Ist der Leichnam nach einer Organspend­e entstellt?

Nein, nach der Organentna­hme in einem normalen Operations­saal verschließ­en die Ärztinnen und Ärzte die operativen Einschnitt­e wieder und verbinden die Wunden. Die Angehörige­n erhalten den Leichnam in einem würdigen Zustand zur Beisetzung und können sich im gewünschte­n Rahmen von der verstorben­en Person verabschie­den.

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Foto: Frank May, dpa (Archiv) Zuletzt wurden weniger Organe transplant­iert.

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