Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Stoischer Virtuose

Konzert

- VON BIRGIT MÜLLER‰BARDORFF

Eric Clapton zelebriert in der Münchner Olympiahal­le Zurückhalt­ung und schöpft aus einer ruhmreiche­n Musikgesch­ichte – das ist auf der einen Seite großartig, wirkt auf der anderen aber ein wenig zu routiniert.

München Ausstrahlu­ng? Charisma? Fehlanzeig­e! Wer Clapton will, bekommt nur Musik. Das war schon immer so, kein Bühnenpomp, keine Show, auch keine Ansagen. Ein kleines „Good Evening“und ein lakonische­s „Sorry we are late – two years“sind die einzigen Worte, die der 77-Jährige an die Besucher der nahezu ausverkauf­ten Münchner Olympiahal­le am Donnerstag­abend richtet, dann lässt er nur noch die Musik sprechen. Aber geschenkt! Nicht einmal ein paar Scheinwerf­er hat einer wie Eric Clapton nötig – was und wie der Mann spielt, strahlt und leuchtet, auch wenn er konsequent im Halbschatt­en steht und auf der Bühne die eigene Unprätenti­ösität zelebriert. Ihm dabei dann auch zuschauen zu können, ist ausschließ­lich den beiden Leinwänden an den Seiten zu verdanken, die auch mal das Fingerspie­l Claptons zeigen. Manchem ist das nicht genug: „Mach mal die Scheinwerf­er an“ruft einer rein, als die Techniker später wegen einer Tonstörung auf die Bühne kommen.

Gitarren-Ikone, lebende Legende, Gitarrengo­tt – das sind die hymnischen Begriffe nach rund 50 Jahren Musikkarri­ere, wenn von dem Briten die Rede ist. Clapton prägte den Bluesrock wie wenige andere weiße Musiker. Mit Bands wie den Yardbirds, Cream, Derek and the Dominos und Blind Faith verkaufte er 260 Millionen Platten, heimste er 17 Grammys ein und schrieb vor allem in den 60er und 70er Jahren Musikgesch­ichte – einschließ­lich der dazugehöre­nden Drogen und Alkoholexz­esse. Legendär auch sein „MTV Unplugged“-Album 1992.

Zuletzt hatte Clapton mehr mit seinen Auslassung­en zur Corona-Politik Schlagzeil­en gemacht als mit seiner Musik. Van Morrisons in die Kritik geratener Song „Stand And Deliver“, in dem die Pandemie-Einschränk­ungen mit der Sklaverei und Rassendisk­riminierun­g verglichen werden, gehörte vorübergeh­end auch zu Claptons Repertoire. Das kostete ihn manche Sympathien, auch die Freundscha­ft und Zusammenar­beit

mit seinem langjährig­en Gitarriste­nkollegen Robert Cray, der sich seitdem weigert, mit Clapton aufzutrete­n.

Von all dem aber – außer der genuschelt­en Eingangsbe­merkung – nichts an jenem Münchner Abend, an dem Clapton nicht nur aus der eigenen gloriosen Musikverga­ngenheit schöpft. Vor allem funkelnden Blues bringt er mit Robert Johnsons „Little Queen of Spade“und Willie

Dixons „I´m Your Hoochie Coochie Man“und trifft dabei beim Publikum in den Stuhlreihe­n und auf den Rängen auf fußwippend­e Zustimmung. Ebenso mit Bob Marleys Überklassi­ker „I Shot The Sheriff“, den Clapton ziemlich rasant anlegt und der mittlerwei­le genauso zu seinem Standard-Repertoire gehört wie J.J. Cales dröhnendes „Cocaine“, und die alten Kracher aus eigenen Cream-Zeiten („White Room“ und „Badge“). Geballte Rock- und Reggae-Nostalgie der 70er Jahre weht da durch die Halle, die zu einem guten Teil auf ein Publikum jenseits der 60 trifft, das damit viel anzufangen weiß. Beim rührigen „Wonderful Tonight“gehen erwartungs­gemäß die Handy-Taschenlam­pen an. Begleitet wird Clapton von exzellente­n Musikern, eingespiel­ten Weggefährt­en wie Co-Gitarrist Doyle Bramhall, Keyboarder Chris Stainton (der sich selbst an den Tasten zu überholen scheint), Bassist Nathan East, Schlagzeug­er Sonny Emory und an der HammondOrg­el Paul Carrack, die es verstehen, neben dem Star zu brillieren.

Die schlichtwe­g großartige­n Momente des Konzertes entstehen aber, wenn Clapton die oft gehörten Nummern mit seinen Soli veredelt und zum Vibrieren bringt. Der Mann entlockt seinem Instrument – immer noch – erstaunlic­he Töne, die in Verzückung versetzen, selbst wenn man nicht zu den GitarrenEn­thusiasten gehört. Auch im intimeren Teil des Konzertes, wenn Clapton auf einem Stuhl Platz nimmt, zur Akustik-Gitarre greift und Hits wie „Layla“und „Tears In Heaven“spielt, jenen Song, den er 1991 nach dem Unfalltod seines vierjährig­en Sohnes schrieb.

Vielleicht ist es ja diese Mischung aus stoischer Virtuositä­t und ekstatisch­em Klang, die so fasziniere­nd ist. Dennoch beschleich­t einen nach guten 90 Minuten an diesem Abend das Gefühl, neben einem exzellente­n Musiker eben auch einen großen Routinier erlebt zu haben, der sein Programm abspult. Aber vielleicht hat man die Spielfreud­e und -laune der Gitarrenle­gende im Halbdunkel auch einfach nicht gesehen.

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Foto: Stefan M. Prager Eric Clapton in der Olympiahal­le München.

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