Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Künstliche Intelligenz soll die Wirtschaft anschieben
Debatte Der Standort Augsburg hat zuletzt viele Arbeitsplätze in der Industrie verloren. Ist der verstärkte Einsatz Künstlicher Intelligenz in Unternehmen eine neue Chance oder ein Schreckgespenst?
eue Arbeitsplätze, neue ProNdukte,
neue medizinische Angebote: Es gibt jede Menge Träume, Hoffnungen und Versprechen, was Künstliche Intelligenz leisten kann, damit wir alle ein besseres und angenehmeres Leben haben. Besonders groß sind die Erwartungen in Augsburg. Der Wirtschaftsstandort ist angeschlagen, nachdem er einige wichtige Firmen verloren hat. Und nun? Kann Künstliche Intelligenz als Innovationsmotor Augsburg wirklich krisenfester machen, wie es Ministerpräsident Markus Söder mit markigen Worten ankündigte? Ist sie eine Chance für die Zukunft – oder eher ein Schreckgespenst?
Augsburg hat traditionell Stärken als Produktionsstandort. Doch eine andere Wahrheit ist: In wichtigen Industrien wie Maschinenbau, Elektronik, Luft- und Raumfahrt sind zuletzt Tausende Arbeitsplätze verloren gegangen. Wirtschaftlich war es ein mittleres Erdbeben. Neuen Schub soll nun das millionenschwere „Zukunftsprogramm für Augsburg“des Freistaates bringen. Das Thema Künstliche Intelligenz (KI) spielt eine zentrale Rolle. Sie soll Firmen wettbewerbsfähiger machen. Zudem schafft sie neue Arbeitsplätze in der Forschung. Denn den heimischen Hochschulen kommt ein wichtiger Part zu. Ein Problem ist jedoch, dass Wissenschaftler und Unternehmer, vereinfacht gesagt, unterschiedliche Sprachen sprechen und schwer zusammenfinden.
Im sogenannten KI-Produktionsnetzwerk Augsburg geht es darum, den Weg von der Grundlagenforschung und deren Ergebnissen für die Anwendung in Fabriken zu verkürzen. An der Uni gibt es einen neuen Showroom, der das komplexe, schwer zu verstehende Thema für Besucher (be)greifbar und erlebbar machen soll. Bald wird eine große Produktionshalle dazu kommen, in der Wissenschaftler und Firmen bei neuen Entwicklungen eng zusammenarbeiten. Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume beschwor mit Blick auf KI vor Kurzem „das einzigartige Innovationspotenzial“des Industriestandorts Bayerisch-Schwaben. Was meinen Experten?
Fachleute aus der heimischen Wirtschaft sagen, Künstliche Intelligenz werde die nächste Stufe in der Produktion sein und damit für Augsburg tatsächlich eine ganz große Rolle spielen – etwa, wenn komplette Produktionslinien automatisiert arbeiten werden, aber auch für die Entwicklung neuer Technologien, Werkstoffe oder digitaler Geschäftsmodelle. Gerade bei stark steigenden Energiekosten, wie jetzt durch den UkraineKrieg, wird der Einsatz von KI immer wichtiger. Auch bestimmte, seltene Rohstoffe werden immer teurer und müssen sparsam eingesetzt werden.
Modellierungen am Computer etwa können helfen, mit innovativen Werkstoffen für den Auto- oder Flugzeugbau sparsamer und umweltschonender umzugehen. Damit greift Künstliche Intelligenz wie ein Zahnrad in einem Uhrwerk mit
zwei anderen Augsburger Kompetenzen ineinander: mit der Entwicklung neuer Materialien und dem Ressourcen schonenden Umgang damit. Übersetzt in wirtschaftlichen Erfolg heißt das: Man muss entweder das bessere Produkt
oder das bessere Produktionsverfahren haben, um auf dem Markt zu bestehen. Für mittelständische Unternehmen in der Region ohne eigene Forschungsabteilungen geht es auch darum, im internationalen Wettbewerb den Anschluss zu halten.
Experten gehen davon aus, dass Tausende Firmen in Schwaben Bedarf an Künstlicher Intelligenz
haben. Einige Hundert interessieren sich nach Einschätzung der Augsburger Hochschulen konkreter dafür. Doch auch wenn man an der Universität noch Berührungsängste von Unternehmen mit diesem Thema sieht, das Interesse scheint zu wachsen. Aktuell sind mehr als 20 geförderte KI-Projekte mit über 70 Partnern im Rahmen des Produktionsnetzwerks am Laufen oder in die Wege geleitet.
Noch gibt es Hemmnisse für Unternehmen, auf den Zug in die Zukunft aufzuspringen. Ein Hindernis ist die zunehmende Spezialisierung von Firmen, die es manchmal schwer macht, vor Ort den genau passenden Forschungspartner zu finden. Andere Unternehmen fürchten sich davor, Betriebsgeheimnisse preiszugeben, um zusammen mit Wissenschaftlern an neuen Lösungen zu arbeiten. Schwierig kann es bei rechtlichen
Fragen werden: Wem gehört am Ende das neue Know-how – den Forschern oder der Firma? Dann ist da noch die Sorge, mit digitaler Vernetzung anfälliger für Hacker oder Online-Erpresser zu werden. Andererseits wird auch hier an KI-basierten Abwehrmechanismen geforscht.
Einig sind sich Fachleute, dass sich mit fortschreitendem Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Arbeitswelt deutlich verändern wird. Der Bedarf an hoch qualifizierten Mitarbeitern wird steigen, andererseits werden viele einfachere Arbeitsplätze verloren gehen. Genügend gut ausgebildeten Nachwuchs zu finden, dürfte für heimische Unternehmen eine der größten Herausforderungen werden. Nicht nur Bezahlung und Arbeitszeit müssen passen. Augsburg muss insgesamt eine attraktive, lebenswerte Stadt sein.
Die Arbeitswelt wird sich deutlich verändern