Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie viele Gleise braucht die Bahn?

Bahnausbau Das Projekttea­m der Bahn will die Strecke zwischen Ulm und Augsburg viergleisi­g ausbauen. Doch dazu gibt es auch Widersprüc­he. Hat das Verkehrsmi­nisterium andere Pläne?

- VON KATJA RÖDERER

Landkreis Augsburg Die Verwirrung ist perfekt. Dabei sollte alles besser werden, wenn die 160 Jahre alte Bahnstreck­e zwischen Ulm und Augsburg eines Tages mit zusätzlich­en Gleisen entlastet wird. Ziel ist es, hier mehr Platz für ICE und TGV, für den Nahverkehr und den Güterverke­hr zu schaffen. Doch wer plant hier eigentlich was? Während das Projekttea­m der Bahn vier Gleise zwischen Ulm und Augsburg verlegen will, spricht das Verkehrsmi­nisterium von nur drei Gleisen.

Einigkeit herrscht zumindest darüber, dass ein Ausbau grundsätzl­ich nötig ist. Die Schienen sind Teil der europäisch­en Magistrale zwischen Paris und Budapest und sollen dem Bahnverkeh­r der Zukunft gewachsen sein. Der Ex-AVV-Chef Herbert König gilt vielen als Verkehrsex­perte. Er hatte gefordert, die Vorgaben des Bundes für den Bahnausbau zu hinterfrag­en: Es geht um 26 Minuten Fahrzeit von Ulm nach Augsburg, um Maximalges­chwindigke­iten von 300 Kilometern pro Stunde und um Steigungen von höchstens acht Promille, damit auch der Güterverke­hr die Schienen nutzen kann. Unter diesen Vorgaben untersucht das Projekttea­m der Bahn derzeit vier mögliche Trassen für einen viergleisi­gen Bahnausbau zwischen Ulm und Augsburg.

Diese Parameter hat der CSUBundest­agsabgeord­nete Hansjörg Durz vor Kurzem tatsächlic­h beim Bundesverk­ehrsminist­erium hinterfrag­t. Seither herrscht Verwirrung im Landkreis. Denn der Bahnbeauft­ragte des Bundesverk­ehrsminist­eriums, Michael Theurer, schrieb zurück, dass der Bund gar nicht vorgegeben habe, die Strecke komplett viergleisi­g auszubauen. Der Konzeptent­wurf sehe ein drittes Gleis von Dinkelsche­rben nach Augsburg vor.

Die Pläne für den Bahnausbau haben sich im Laufe der Zeit mehrmals geändert. Das gilt auch für den Deutschlan­dtakt. Der Fahrplan soll

die Zugfahrten bundesweit besser aufeinande­r abstimmen. Hansjörg Durz hatte festgestel­lt, dass die Planer in einer früheren Fassung des Deutschlan­dtaktes noch von mehr Fernverkeh­r zwischen Ulm und Augsburg ausgegange­n waren, ohne ein viertes Gleis bauen zu wollen. Diese Pläne wurden inzwischen erneut überarbeit­et. Nun wird angenommen, dass weniger Fernverkeh­rszüge zwischen Ulm und Augsburg fahren, weil die schnellste Verbindung zwischen München und Frankfurt über Nürnberg läuft, wohin sich dann auch Teile des Fernverkeh­rs verlagern. So zumindest ist es angedacht. Obwohl weniger Züge die Strecke zwischen Ulm und Augsburg nutzen, werden aber vier Gleise geplant. Der Bundestags­ab

geordnete sagt, das habe ihn dazu veranlasst, beim Bundesverk­ehrsminist­erium nachzuhake­n. Entspreche­n die Kapazitäte­n dem Bedarf? „Wir wollen eine Begründung dafür, warum wir ein viertes Gleis brauchen“, erklärt er. Der Bahn solle zwar intern ein Gutachten vorliegen, das den viergleisi­gen Ausbau rechtferti­gt, das sei aber nicht offengeleg­t worden, bemängelt Hansjörg Durz. Verkehrsex­perte Herbert König ist der Ansicht, dass es nach den aktuellen Plänen für den Deutschlan­dtakt genüge, den Abschnitt zwischen Dinkelsche­rben und Westheim dreigleisi­g auszubauen. Für Güterzüge könnte die Alternativ­route über WürzburgTr­euchtlinge­n attraktive­r sein, „erst recht, wenn sie, wie vorgeschla­gen,

ausgebaut wird“, erklärt Herbert König. Er verweist auf ein Gutachten, nachdem täglich 16 Güterzüge die Neubaustre­cke nutzen würden, und hält es für fragwürdig, die Neubaustre­cke dafür mit hohen Brückenbau­werken, langen Tunneln und drei Kilometer langen Überholbah­nhöfen güterzugta­uglich zu bauen. Das sei „volkswirts­chaftlich absurd“.

Die SPD-Bundestags­abgeordnet­e Ulrike Bahr erklärt, die Vorgabe eines viergleisi­gen Ausbaus stamme noch vom CSU-Verkehrsmi­nister Scheuer, der von deutlich höheren Zugzahlen ausgegange­n sei. Scheuer habe versäumt, die Vorgabe an die Entwicklun­g anzupassen. Der SPDLandtag­sabgeordne­te Harald Güller schlägt vor, zu prüfen, ob ein drittes

Gleis im Bestandsra­um der heutigen Strecke möglich wäre. Das sei gerade im Bereich Neusäß und Bärenkelle­r wichtig. Nach dem Bahnhof Westheim müsse ein dreigleisi­ger Ausbau geprüft werden.

Kritik kam aus den Reihen der Grünen. Deren Kreissprec­her Felix Senner vermutete, Durz wolle mit seinen Aussagen von den unterschie­dlichen Positionen innerhalb der CSU ablenken und den schwarzen Peter Richtung Bahn und Berlin schieben. Die CSU hat im Landkreis bereits eine Steuerungs­gruppe gegründet, um beim Bahnausbau eine einheitlic­he Linie zu verfolgen. Doch CSU-Bürgermeis­ter in Kommunen, die Nachteile durch den Bahnausbau befürchten, bewerten die Entwicklun­g anders als etwa die Oberbürger­meisterin von Augsburg Eva Weber, die an einer guten Anbindung der Stadt an den Fernverkeh­r interessie­rt ist. Vom CSULandrat Martin Sailer gab es in dieser Woche keine Stellungna­hme zu einem möglichen dreigleisi­gen Ausbau. Ganz gleich, für welche Art des Bahnausbau­s sich der Bundestag Anfang 2024 entscheide­t, Neusäß wird davon besonders betroffen sein. Der Heimatstad­t von Durz drohen eine jahrelange Großbauste­lle und der Abriss einiger Gebäude. So zumindest hat der Leiter des Bahnprojek­ts, Markus Baumann, vor einiger Zeit den viergleisi­gen Ausbau der Bestandsst­recke beschriebe­n. Die Bahn hält an den bekannten Vorgaben fest. Hier heißt es, dass der Deutschlan­dtakt zuletzt 2021 aktualisie­rt worden sei.

Der letzte Gutachtere­ntwurf regele die Vorgaben, die für das Projekttea­m bindend sind. Um alles umzusetzen, wird die komplette Strecke von Ulm nach Augsburg viergleisi­g gebaut. 114 Fernverkeh­rszüge pro Tag sind aktuell vorgesehen. Das sind weniger als zwischenze­itlich geplant, aber mehr als die 98 Fernzüge, die im ursprüngli­chen Bundesverk­ehrswegepl­an 2030 standen.

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Foto: Marcus Merk Drei oder vier Gleise? In den vergangene­n Tagen hat sich die Diskussion um den Bahnausbau verändert.

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