Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die neue Tenniskönigin
Porträt Iga Swiatek gewinnt überlegen die French Open. Die Polin fasziniert auch einen prominenten Landsmann, der extra zum Finale kommt.
Richtig nervös wird Iga Swiatek eigentlich nie. Warum auch? Die Polin weiß, dass sie gut Tennis spielen kann. Besser als jeder andere momentan. Sechs Turniere gewonnen, 35 Siege in Folge – damit ist sie sogar besser als Serena Williams. Die US-Amerikanerin ist immerhin 23-malige Grand-SlamSiegerin, blieb aber nie so lange in Folge ungeschlagen. Diesen Rekord hat Swiatek also bereits.
21 Jahre ist sie jung, ein Alter, das eher für Unbekümmertheit steht als für absolute Beherrschung. Swiatek aber verliert selten die Kontrolle. Nicht auf dem Platz, auch nicht daneben. Auch dank der Sportpsychologin Daria Abramowicz, mit der sie schon seit einigen Jahren zusammenarbeitet. In Paris hätte es nur einen Moment gegeben, der bei ihr für Aufregung hätte sorgen können: Hätte sie früher gewusst, dass Robert
Lewandowski auf der Tribüne saß, wäre sie vielleicht ein bisschen zappelig geworden. So aber spielte sie ihr Finale in aller Ruhe, wie jedes Match zuvor. Als alles vorbei war, der Sieg sicher, erspähte sie ihren Landsmann. Swiatek marschierte die wenigen Stufen auf der Tribüne nach oben und begrüßte den Fußballer des FC Bayern. Sie wollte gar nicht glauben, dass er extra wegen ihr zum Finale gekommen war. Swiatek wurde bewusst, dass sie mehr und mehr zum Superstar reift.
Tennis hat in Polen nicht den Stellenwert von Fußball. Swiatek weiß das. Ihre Liebe zum Tennis ist dennoch groß. Mit sechs Jahren hat sie angefangen. Sie eiferte ihrer Schwester Agata nach, die ihre sportliche Karriere als Schwimmerin begonnen hatte – auf Wunsch des Vaters. Tomasz
Swiatek war Ruderer und startete bei den Olympischen Spielen 1988. Er wollte unbedingt, dass auch seine Töchter Profisportlerinnen werden. Bei Agata klappte das nicht, weder im Schwimmen noch im Tennis, auch aus Verletzungsgründen. Die drei Jahre jüngere Iga aber setzte sich durch. Ihren ersten großen Titel holte sie bei den Juniorinnen in Wimbledon. Auf der Frauentour gelang ihr der erste Turniersieg 2020 bei den French Open – also gleich bei einem der großen Turniere. Damit war sie die erste Polin, die ein Grand-SlamTurnier gewann. Seit 4. April 2022 führt sie die Weltrangliste an, auch das gelang zuvor keiner Polin.
Aufgewachsen ist Iga Swiatek in Warschau. Ihr großes Vorbild ist Rafael Nadal, der Tenniskönig von Paris. Sie selbst hat sich am Samstag zur Prinzessin gekrönt. Trotz aller Erfolge besteht ihr Alltag nicht nur aus Tennis. Die 21-Jährige liest viel. Zuletzt „Die drei Musketiere“von Alexandre Dumas. Und sie interessiert sich für die Welt außerhalb des Tenniskosmos. Immer wieder verurteilte sie den russischen Überfall auf die Ukraine. Während der French Open trug sie an ihrer Baseball-Kappe die ukrainische Flagge als Anstecker.