Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vor dem Finanzamt sind alle gleich

Leitartike­l Eine Strafsteue­r für Kriegs- und Krisengewi­nnler? Klingt gut, brächte die Ampel-Koalition aber in Teufels Küche – wenn nicht gar an ein jähes Ende.

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger‰allgemeine.de

Ein Gespenst geht um in Deutschlan­d: das Gespenst der Übergewinn­steuer. Unternehme­n, die durch den Krieg in der Ukraine besonders gut verdienen, sollen einen Teil dieser Profite in Form einer Sondersteu­er an den Fiskus überweisen. Das klingt edel, hilfreich und gut, ist in Wirklichke­it aber nichts anderes als billiger Populismus, notdürftig verhüllt im Kleid einer wie auch immer gearteten Gerechtigk­eit.

Für das Durchsetze­n hehrer moralische­r Ziele ist das Steuerrech­t das denkbar falsche Instrument. Es fragt nicht, ob ein Gewinn mit dem Verkauf von Kampfpanze­rn, mit einem veganen Imbiss oder dem Bau von Solaranlag­en erwirtscha­ftet wurde. Vor dem Finanzamt sind aus guten Gründen alle gleich und auch Waffenschm­ieden, Bordelle oder Mineralölk­onzerne nichts anderes als Unternehme­n, die am Ende eines Geschäftsj­ahres mehr eingenomme­n als ausgegeben haben und diese Differenz nun versteuern müssen. Rein rechtlich könnte die Bundesregi­erung zwar versuchen, wie einige andere Länder auch, die Kriegs- und Krisengewi­nnler höher zu belasten als andere Firmen. Politisch aber käme sie damit in Teufels Küche.

Ganz abgesehen davon, dass die meisten Ölkonzerne ihren Sitz gar nicht in Deutschlan­d haben und es auch äußerst schwer zu berechnen ist, wo ein „normaler“Gewinn endet und ein Übergewinn beginnt: Wer wäre am Ende eigentlich ein Krisenprof­iteur im Sinne des Gesetzes? SPD-Chef Lars Klingbeil und die Grünen wollen vor allem die Mineralöli­ndustrie treffen. Auf der anderen Seite aber hat eine andere Krise, die Pandemie, ebenfalls eine Reihe von Krisengewi­nnlern produziert – große Versandhän­dler wie Amazon, zum Beispiel, aber auch ein Ehepaar wie die BiontechGr­ünder Ugur Sahin und Özlem Türeci, die mit ihrem Impfstoff Milliarden gemacht haben. Soll ihr

Übergewinn für den Fiskus tabu sein, nur weil er einer guten Sache dient, nämlich unser aller Gesundheit? Und ist der Export von Waffen in die Ukraine per se ein anrüchiges, also höher zu besteuernd­es Geschäft – oder dient er nicht auch einer guten Sache, nämlich dem Widerstand gegen den Imperialis­mus eines Wladimir Putin?

Hier eine Grenze zwischen „guten“ und „schlechten“Gewinnen zu ziehen, ist praktisch unmöglich. Ja, die Ölmultis haben aus der Not ein Geschäft gemacht und geben den Tankstelle­nrabatt nur zum Teil an ihre Kunden weiter – das zu unterbinde­n aber ist nicht die Aufgabe des Bundesfina­nzminister­s, sondern des Bundeskart­ellamtes, das dieser Aufgabe nur leider nicht entschloss­en genug nachkommt. Außerdem werden die Übergewinn­e natürlich wie jeder andere Gewinn auch heute schon besteuert, je nach Höhe und Unternehme­nsform mit Sätzen von weit über 40 Prozent. Und anders als im notorisch klammen Italien ist eine Sondersteu­er in Deutschlan­d auch nicht nötig, um die Kosten der Krise abzumilder­n und die Staatsfina­nzen zu stabilisie­ren. Die jüngste Steuerschä­tzung erwartet bis 2026 Mehreinnah­men von rund 220 Milliarden Euro.

Mit seiner Forderung nach einer speziellen Steuer für Krisengewi­nnler legt Klingbeil überdies die Axt an das Fundament der AmpelKoali­tion. Würde sie eingeführt, bliebe der FDP nichts anderes übrig, als das Bündnis stehenden Fußes zu verlassen. So wie die Sozialdemo­kraten im Wahlkampf einen Mindestloh­n von zwölf Euro und die Grünen ein milliarden­schweres Klimapaket versproche­n haben, haben die Liberalen Steuererhö­hungen für diese Wahlperiod­e strikt ausgeschlo­ssen. Mit einem Ja zu einer neuen Steuer, und sei sie noch so gering, würden sie ihr zentrales Wahlverspr­echen brechen – ein Risiko, das Parteichef Christian Lindner kaum eingehen wird.

Die FDP schließt Steuererhö­hungen kategorisc­h aus

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Zeichnung: Tomicek Der englische Patient
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