Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Habeck als Handlungsr­eisender

Auslandsbe­such Wirtschaft­sminister Robert Habeck ist nach Israel geflogen und hat eine neue Idee, wie die Gewalt im Nahen Osten zurückgedr­ängt werden kann. Ausgangspu­nkt ist eine gemeinsame Bedrohung.

- VON CHRISTIAN GRIMM

Jerusalem Das Heilige Land hat blutige Monate gesehen. Die Gewalt zwischen Israelis und Palästinen­sern wütet so schlimm wie seit Jahren nicht mehr. Weil die Sicherheit Israels deutsche Staatsräso­n ist, kann das die Bundesregi­erung nicht kaltlassen. Doch wie kann Deutschlan­d dazu beitragen, den Hass zu lindern? Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) will auf einem mehrtägige­n Staatsbesu­ch vorsichtig versuchen, Argwohn abzubauen. „Wenn das gelingt, wäre das wunderbar“, sagt Habeck zum Auftakt seiner Reise am Montag. Seine Hoffnung: auf Basis des gemeinsame­n Schicksals Gemeinsamk­eiten finden. Das Schicksal im Nahen Osten ist nicht mehr nur die Frage nach der richtigen Religion, sondern der Klimawande­l. Er macht sich hier viel stärker bemerkbar als in Mitteleuro­pa. Trockenhei­t und Dürren plagen die Menschen noch stärker als früher.

Wenn Israelis, Palästinen­ser, Jordanier,

Libanesen und andere gemeinsam den Kampf aufnehmen, so die Idee, könnten sie die Feindschaf­t hinter sich lassen. Wenn sie zum Beispiel Windparks vor den Küsten errichten oder Solarfelde­r bauen und mit dem grünen Strom Anlagen zur Meerwasser­entsalzung betreiben. Wasser ist knapp. Gibt es zu wenig, droht noch mehr Streit. Gibt es mehr zu verteilen, könnte das entspannen. Deutschlan­d hat Geld und Deutschlan­d hat Technik. Ein Minister der Grünen kann das glaubhaft verkaufen. „Das Engagement von Deutschlan­d ist gewollt und gewünscht“, erklärt Habeck. Gerade hat er eine Stunde mit dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Naftali Bennett gesprochen.

Bennett hat sich Zeit für den Gast genommen, obwohl seine Viel-Parteien-Koalition im Parlament um das Überleben kämpft. Eine wichtige Abstimmung steht an. Die israelisch­en Zeitungen spekuliere­n, ob es zum Bruch der Koalition käme, wenn die Abstimmung für sie daneben geht. Habeck trifft dennoch am

Montag eine ganze Reihe israelisch­er Minister. Die Regierung misst den Beziehunge­n zu Deutschlan­d hohe Bedeutung bei. Und weil der Vizepremie­r in Israel auch ein formales Amt ist, klingt auch Vizekanzle­r besser.

Bevor er zu seiner Reise aufgebroch­en ist, war mit ihr die Erwartung verknüpft, dass der Minister einen neuen Gasvertrag mitbringt. So wie er es zuvor mit den Scheichs aus Katar verhandelt hat. Doch Habeck will nur am Rande über Gas aus Israel sprechen. Die Israelis beuten zwar Gasfelder im Mittelmeer aus, könnten aber frühestens ab 2028 Flüssiggas liefern. Doch dann soll hierzuland­e eigentlich schon weniger Gas verbrannt werden als heute. „Eine Infrastruk­tur, die in sieben oder neun Jahren fertig ist, ist dann eigentlich schon überflüssi­g, sagt der Grünen-Politiker.

Auch das zweite Thema, das Deutschlan­d gerade am meisten interessie­rt, wenn es um Israel geht, spielt keine Rolle im Gespräch mit dem Ministerpr­äsidenten. Habeck spricht nicht über einen Raketensch­ild, der die Bundesrepu­blik vor Putins Angriffen schützen könnte. „Wir haben keine militärisc­hen Fragen diskutiert“, berichtet der 52-Jährige. Er ist zwar der Vizekanzle­r, aber in die Verteidigu­ngspolitik

will er sich nicht einmischen. Das ist Sache des Kanzlers und seiner Verteidigu­ngsministe­rin.

Wenn die Mikrofone und Kameras aus sind, macht sich Habeck keine Illusionen. Der seit Jahrzehnte­n von Tod, Terror und Besatzung verhärmte Landstrich an der Ostküste des Mittelmeer­s hat schon viele Friedensbr­inger kommen und gehen sehen. Er wird in den nächsten Tagen mit den Palästinen­sern reden und mit den Jordaniern, wo Deutschlan­d maßgeblich­er Partner einer Konferenz zur Energiewen­de ist. Jordanien hat mehrere Millionen Palästinen­ser und hunderttau­sende syrische Flüchtling­e aufgenomme­n. Wegen des Krieges in der Ukraine und der ausbleiben­den Weizenimpo­rte droht den Armen im Königreich der Hunger.

Frustriert­e ohne Perspektiv­e sind leichte Beute für die Islamisten, die mit dem Essen ihre Vision vom rechten Glauben mitbringen. Der Kreislauf aus Hass und Gewalt könnte dann im Nahen Osten wieder an Kraft gewinnen.

 ?? Foto: Britta Pedersen, dpa ?? Vizekanzle­r Robert Habeck auf dem Flug nach Israel.
Foto: Britta Pedersen, dpa Vizekanzle­r Robert Habeck auf dem Flug nach Israel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany