Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vertriebene ehren Selenskyj
Sudetendeutscher Tag in Hof würdigt europäischen Mut
Hof Die Sudetendeutsche Landsmannschaft hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit dem Europäischen Karlspreis ausgezeichnet. Man wolle Selenskyjs Tapferkeit würdigen, sagte der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, beim traditionellen Pfingsttreffen der Vertriebenenorganisation in Hof. Selenskyj sei nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht geflohen, sondern kämpfe mit dafür, sein Land in eine europäische Zukunft zu führen, betonte Posselt. Ideen, die Ukraine zu teilen und somit einen Waffenstillstand herbeizuführen, erteilte der frühere CSUEuropa-Abgeordnete eine Absage: Das sei eine blanke und gefährliche Illusion, sagte Posselt.
Ein weiterer Karlspreis ging an den rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis – er erhielt den Preis für 2020, als die Verleihung wegen der Corona-Pandemie ausfiel. Iohannis sprach sich in Hof für eine starke Europäische Union aus. „Wir erleben entscheidende Zeiten für das Schicksal der EU.“Nur eine starke EU könne einen Beitrag leisten, die aktuellen Probleme zu lösen. Rumänien bekenne sich eineinhalb Jahrzehnte nach dem Beitritt voll und ganz zur EU als politisches, soziales und wirtschaftliches Projekt.
Der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder lobte die Arbeit der Landsmannschaft: „Sie bringt Erinnerung und Zukunft in Einklang und ist ein Statement für ein geeintes Europa“, sagte er bei der traditionellen Rede des bayerischen Regierungschefs bei den Sudeten als „vierten Stamm“der Bayern. Das Pfingsttreffen der Landsmannschaft sei eine „Vergewisserung
von Tradition und Heimat, Bekenntnis für Frieden und Freiheit sowie Botschaft für Solidarität mit der Ukraine“, sagte Söder.
Den Karlspreis für Selenskyj nahm stellvertretend Olga Kovalchuk entgegen, die aus der Ukraine geflohen war und in einer Bildungsstätte der Sudetendeutschen in Bad Kissingen Zuflucht gefunden hat. Sobald es die Lage zulasse, wollen Vertreter der Landsmannschaft mit dem Preis nach Kiew reisen, sagte Posselt. Mit dem Karlspreis zeichnet die Landsmannschaft Menschen aus, die sich besonders für die europäische Einigung und die Völkerverständigung verdient gemacht haben. Er ist nach dem mittelalterlichen Kaiser Karl IV. benannt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren rund drei Millionen Sudetendeutsche enteignet und aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben worden. Ihre Kultur pflegten sie in der Landsmannschaft weiter. Der diesjährige Tagungsort Hof ist für die Flüchtlingsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg ein symbolträchtiger Ort: Aufgrund seiner Nähe zum heutigen Tschechien und der ehemaligen DDR kamen zahlreiche Flüchtlinge und Heimatvertriebene hier an. Mehr als zwei Millionen Menschen wurden bis Anfang der 1950er Jahre durch Hof geschleust, wie es bei der Stadt heißt. Im Stadtteil Moschendorf befand sich das größte bayerische Flüchtlingslager.