Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Unter Druck: Bauernverband dringt auf Umbau
Landwirtschaft Es geht um mehr Platz für die Tiere, mehr Klarheit für die Verbraucher und mehr Geld vom Staat.
Berlin Der Bauernverband fordert Klarheit über eine gesicherte Finanzierung für den geplanten Umbau zu mehr Tierschutz in den Ställen. „Wenn man es ernst meint mit der Weiterentwicklung einer tierwohlgerechteren Haltung, dann muss man diesen Schritt tun“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der Deutschen Presse-Agentur. „Es braucht eine staatliche Mitfinanzierung und Investitionsförderung. Es braucht aber auch einen Mehrpreis an der Ladentheke. Wir müssen beides machen.“Die Finanzierung müsse jetzt auf den Weg gebracht werden, sagte Rukwied. „Da ist die Koalition in der Pflicht.“
SPD, Grüne und FDP diskutieren seit Wochen über eine Finanzierung dafür, dass Landwirte nicht allein auf Kosten für Stallumbauten und Mehraufwand sitzen bleiben.
Im Gespräch sind nach Empfehlungen einer Expertenkommission ein höherer Mehrwertsteuersatz oder eine „Tierwohlabgabe“auf tierische Produkte. Denkbar wäre etwa ein Aufschlag von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Die FDP hatte jedoch kürzlich deutlich gemacht, dass sie Preisaufschläge für die Verbraucher angesichts der hohen Inflation ablehnt.
Rukwied sagte: „Wenn wir die Tierhaltung in Deutschland wie von der Gesellschaft gefordert mit mehr Tierwohl erhalten wollen, dann ist eine Finanzierung seitens der öffentlichen Hand unabdingbar. Sonst kann der Umbau nicht gelingen, und die Tierhaltung würde ins Ausland abwandern.“Die jetzt im Bundeshaushalt vorgesehene eine Milliarde Euro sei ein Einstieg. „In Summe reicht das nicht aus.“
Das Finanzierungssystem gehört zu einer geplanten verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung, die im Koalitionsvertrag vereinbart ist. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) will Eckpunkte dafür an diesem Dienstag vorstellen. Die Kennzeichnung soll noch in diesem Jahr auf den Weg kommen. Sie soll zunächst bei Schweinefleisch beginnen. Özdemir wirbt für finanzielle Absicherungen der Landwirte. „Ich kann den Bauern nicht sagen, dass sie die Kosten für eine artgerechtere Tierhaltung und mehr Klimaschutz vom einen auf den anderen Tag selbst über den Markt erlösen sollen“, sagte er der Welt am Sonntag. Dies würde das Höfesterben beschleunigen, und das könne keiner wollen. „Ich will, dass es auch in Zukunft gutes Fleisch aus Deutschland gibt.“Eigentlich seien sich alle einig, dass es dafür Investitionen in eine zukunftsfeste Tierhaltung brauche – und dafür kämpfe er, sagte Özdemir. Die Landwirte verdienten Planungssicherheit. Bei der Finanzierung
lägen die Vorschläge auf dem Tisch – und wesentliche Akteure habe er auf seiner Seite. „Ich bin zuversichtlich, schließlich ist allen klar, was auf dem Spiel steht“, sagte er.
Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, mahnte, Landwirte bräuchten verlässliche Rahmenbedingungen statt „Finanzierungsversprechen, die nach nur wenigen Jahren wieder kassiert werden können“. Landwirte denken laut Hocker nicht in Jahren, sondern in Generationen. „Sie mit unsicheren Versprechungen in neue finanzielle Wagnisse zu locken, ist unseriös und liefert Landwirtschaft noch mehr politischem Einfluss und der Abkehr von Wissenschaft und Forschung aus. Einen solchen Weg werden wir nicht mitgehen.“