Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Regen, Schlamm und jede Menge Party

Festivals Die Rückkehr nach Corona glückt bei Rock am Ring und Rock im Park – trotz Gewittern und mancher Verstimmun­g. Auch das gut besuchte Modular in Augsburg bleibt von dem verschont, was beim Ikarus in Memmingerb­erg gleich für eine zweimalige Unterbre

- Nürnberg/Memmingen/Augsburg (ws, dan, dpa)

Endlich wieder Festival – und dann mag manchem bei Ankunft vor Ort gleich die Lust vergangen sein. Zumindest bei Riesen wie „Rock im Park“in Nürnberg. Nachdem dort nämlich erstmals komplett auf Nicht-Barzahlung umgestellt war und zum Einchecken aufs Festivalge­lände am Zeppelinfe­ld von jedem ein Chip mit Guthaben aktiviert werden musste, wurden die Warteschla­ngen noch viel länger als sonst. Viele standen über viele Stunden hinweg an. Um dann, endlich auf dem Gelände, für ein Bier (oder auch eine Cola) nach weiterem überlangen Warten im Riesenpulk sechs Euro plus drei Euro Pfand hinzublätt­ern. Na dann mal prost! Aber hey, wenn’s nicht Cash ist, fühlt man die Kohlen ja nicht so direkt durch die Finger rieseln und überhaupt: die Inflation! Es wird jedenfalls immer kräftiger hingelangt für ein Wochenende im organisier­ten Ausnahmezu­stand …

Den hat es auch gegeben. In unfreiwill­igen Ausmaßen beim „Ikarus“-Festival in Memmingerb­erg, dazu gleich. Klassisch und kontrollie­rt mit dröhnender Live-Musik, Abtanzen vor drei Bühnen, Zeltstädte­n und Liebesdusc­hen für die Fans: Das gab’s aber bei der Wiederkehr der Open-Air-Riesen nach zwei Jahren Pause mit rund 165.000 Musikfans bei den Festivalzw­illingen „Rock im Park“und „Rock am Ring“in Bayern und RheinlandP­falz. Doch im Gegensatz zu früheren Jahren sind sie dabei etwas vorsichtig­er gewesen.

„Rock im Park“in Nürnberg und „Rock am Ring“am Nürburgrin­g in der Eifel sind am Pfingstwoc­henende mit die ersten großen Musikfesti­vals nach Ausbruch der CoronaPand­emie gewesen. Mehr als 90.000 ausgehunge­rte Fans waren bei „Rock am Ring“dabei. Rund 70 Bands auf drei Bühnen heizten am Nürburgrin­g ein. Die neuen Organisato­ren sprechen bei dem schon 1985 erstmals aus der Taufe gehobenen Spektakel von einem Besucherre­kord. „Der Neustart hätte besser nicht laufen können. Die Aufbruchst­immung und Freude, wieder Teil eines Festivals zu sein, war überall zu spüren“, erklärten die Veranstalt­er. Ein Polizeispr­echer sagte: „Die Leute sind gierig nach Spaß und Freude.“Der Sanitätswa­chdienst verzeichne­te bei „Rock im Park“deutlich weniger Notfälle als beim letzten Festival 2019.

Auch bei „Rock am Ring“zeigten sich Veranstalt­er und Polizei zum Abschluss sehr zufrieden mit der Neuauflage des Kultspekta­kels – trotz Regens am Sonntag.

Am Freitag bot sich schon beim Auftakt am Nürburgrin­g mit der Alternativ­e-Rock-Band Donots eine Überraschu­ng. Beim Tote-Hosen-Klassiker „Hier kommt Alex“stiegen die Toten Hosen plötzlich selbst auf die Bühne und wiederholt­en ihren eigenen Song. Jubel, noch ein Lied – dann trat die Düsseldorf­er Kultband wieder ab. Rapper Alligatoah zertrümmer­te beim Festival

absichtlic­h eine Gitarre, ein Musiker der kalifornis­chen Band Fever 333 kletterte viele Meter an Bühnenaufb­auten hoch. „Ich bin so dankbar, dass es wieder geht“, sagte Musiker Jan Delay in Nürnberg. Und die Fans machten dankbar mit: Sie tanzten gemeinsam mit dem Hamburger eine kleine Choreograf­ie, sprangen auf Anweisung hoch oder gingen in die Hocke. „Dieses

Festival bedeutet so viel für uns alle“, rief Green-Day-Sänger Billie Joe Armstrong und warf Kusshände ins Publikum. Vor dem Doppelfest­ival wurde Kritik am äußerst niedrigen Frauenante­il auf den Bühnen laut. Die Veranstalt­er reagierten darauf und schrieben mit Blick auf den Auftritt der kalifornis­chen Mädchenban­d The Linda Lindas: „Bei aller Liebe für alte Helden, wir brauchen mehr Künstlerin­nen wie diese vier jungen Menschen auf den Bühnen. Das müssen und werden wir uns auf die Fahnen schreiben.“

Die für Nürnberg wie die Eifel angekündig­ten Unwetterfr­onten mit Starkregen gingen zwar nicht an den Festivals vorüber, aber blieben bis auf begossene Menschenma­ssen und matschige Untergründ­e folgenlos. Härter hat es da schon das „Ikarus“-Festival in Memmingerb­erg getroffen, bei dem rund 75.000 Elektro-Fans auch noch einen vierten Tag am Pfingstmon­tag feierten. Aber selbst durch die zweimalige Unterbrech­ung des Festivals wegen Unwetter am Freitagabe­nd und am Sonntagnac­hmittag und der Wassermass­en, die zum Teil von der Feuerwehr abgepumpt werden mussten: Das Partyvolk ließ sich die Stimmung nicht nehmen.

Völlig verschlamm­te Wege – egal, wenn so viel DJ-Prominenz ein langes Wochenende lang auflegt: Von Acid-Techno bis zu Sphärenklä­ngen in einem Waldstück des Festivals – da muss man das Wetter halt einfach hinnehmen. DJ Steve Aoki warf Torten ins Publikum (sein Markenzeic­hen), die Techno-Legenden Adam Beyer, Carl Cox und Sven Väth ließen die zweite Unterbrech­ung am Sonntagnac­hmittag vergessen und sorgten für beste Tanzstimmu­ng.

Geregnet hat es beim „Modular“-Festival in Augsburg auch an zwei von drei Tagen – aber ohne gefährlich­e Gewitter und mit dem erhofft großen Zuschauerz­uspruch. Von den möglichen 30.000 Leuten kamen rund 27.000 auf das Gelände am Gaswerk, zahlten mit vier Euro fürs Bier zwar auch ein bisschen mehr als bisher, aber eben deutlich weniger als andernorts. Der veranstalt­ende Stadtjugen­dring zeigte sich jedenfalls sehr zufrieden – wobei auch beim „Modular“in den Hauptzeite­n am Abend ausschließ­lich männliche Protagonis­ten auftraten, am prominente­sten am Sonntag die Wiener Band Bilderbuch, die ihren ersten Festivalau­ftritt seit drei Jahren dann auch selbst feierte. Zeremonien­meister Maurice Ernst: „Wie schön es ist, wieder hier zu sein. Lasst uns ein schönes Leben haben“!

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Foto: Thomas Frey, dpa Ausverkauf­t: 90.000 Besucher kamen zu Rock am Ring. Hier spielte auf der Haupt‰ bühne am Samstagabe­nd die britischen Band Muse.

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