Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Lieber verschmier­t als verbrannt

Hautschutz Gerade in der warmen Jahreszeit ist der Sonnenschu­tz unentbehrl­ich. Doch längst gibt es verschiede­ne Strahlen, die gefährlich sind. Cremes müssen also immer mehr können. Worauf man achten sollte.

- VON ANGELA STOLL

„Kein Sonnenbran­d und doch braun“: So einfach war die Formel, mit der vor rund 90 Jahren die Lichtschut­z-Salbe Delial warb. Sie war die erste Sonnencrem­e mit patentiert­em Lichtschut­zfilter, die in Deutschlan­d auf den Markt kam. Die Ansprüche waren in diesen Zeiten noch ziemlich simpel: Die Creme sollte vor Rötungen schützen, aber bitte nicht auf Kosten des Bräunungse­ffekts. Damals war gebräunte Haut nämlich schwer angesagt – sie galt als attraktiv, gesund und als Zeichen des Wohlstands. Allerdings waren Sonnenbade­n und Freikörper­kult auch mit schmerzhaf­ten Sonnenbrän­den verbunden, denen die Kosmetikbr­anche etwas entgegense­tzen wollte. In den folgenden Jahrzehnte­n wurden die Lichtschut­zfilter weiter verbessert, doch ging es zunächst nur um den Schutz vor Sonnenbrän­den. Dass UV-Licht die Haut dauerhaft schädigen kann, rückte erst in den 1990er-Jahren ins Bewusstsei­n.

Die Sonne knallt heute wegen des Klimawande­ls immer länger und erbarmungs­loser auf die Erde. Sich einzucreme­n ist daher eher Notwehr als Luxus. „Wir stehen vor besonderen Herausford­erungen“, sagt Prof. Jean Krutmann, Direktor des Leibniz-Instituts für umweltmedi­zinische Forschung in Düsseldorf. „Falsche Schönheits­ideale sind zwar rückläufig, aber die UV-Belastung steigt. Außerdem werden wir immer älter. Da sich die Strahlendo­sis im

Das Hautkrebs‰Risiko nimmt weiter zu

Lauf des Lebens kumuliert, nimmt das Hautkrebs-Risiko weiter zu.“

Lichtschut­zfilter müssen also immer mehr leisten, zugleich aber verträglic­her für Mensch und Umwelt werden. Aber was sind das für Stoffe? Es gibt zwei Arten von UV-Filtern, die oft kombiniert werden: Chemische Filter, die das Licht in Wärme umwandeln, und physikalis­che, die das Licht wie ein Spiegel reflektier­en. Chemische Filter können Allergien auslösen, außerdem gibt es darunter problemati­sche Stoffe, etwa Octocrylen, das sich in giftiges Benzopheno­n zersetzen kann. Auf Palau sind Mittel mit solchen Substanzen verboten, da sie möglicherw­eise zur Schädigung der Korallenri­ffe beitragen. Physikalis­che Filter, etwa Zinkoxid, sind verträglic­her, hinterlass­en aber oft weiße Streifen auf der Haut. Um diesen Effekt zu vermeiden, werden manchmal winzig kleine Nano-Teilchen eingesetzt. Von ihnen wird befürchtet, dass sie in den Körper eindringen und Schaden anrichten. Ist die Haut gesund, sind solche Sorgen

laut Verbrauche­rzentrale unbegründe­t. Unklar ist noch, „wie sich die Nano-Teilchen auf geschädigt­er Haut verhalten und inwieweit sie die Umwelt schädigen“.

Bald könnte es aber Cremes geben, die mit weniger Chemie auskommen. Einen Beitrag dazu verspricht ein österreich­isches Startup: Es möchte im kommenden Jahr Sonnenschu­tzmittel auf Lignin-Basis auf den Markt bringen, einem für Mensch und Umwelt unbedenkli­chen Naturstoff, mit dem sich Pflanzen vor UV-Strahlung schüt

zen. „Lignin ist in der Lage, UVFilter in kosmetisch­en Produkten zu ersetzen“, berichtet Martin Miltner, einer der Gründer der Lignovatio­ns GmbH in Tulln. Außerdem soll der Stoff antioxidat­iv wirken und damit der Hautalteru­ng vorbeugen.

Wie gut die Mittel vor Sonnenbran­d schützen, zeigt der Lichtschut­zfaktor (LSF). Er gibt an, wie viel länger man sich in der Sonne aufhalten kann, ohne gerötete Haut zu bekommen. Multiplizi­ert man die Eigenschut­zzeit der Haut mit dem LSF, ergibt sich die maximale

Aufenthalt­szeit. Doch das ist reine Theorie. „Die meisten Menschen schätzen ihren Hauttyp falsch ein und halten sich für dunkler, als sie sind“, sagt Prof. Jochen Sven Utikal, Derma-Onkologe am Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um und an der Universitä­tsmedizin Mannheim. Abgesehen davon kleistern sich die Versuchste­ilnehmer in den Studien, bei denen der Faktor ermittelt wird, regelrecht mit Sonnencrem­e ein – im „echten Leben“macht das kaum jemand. Krutmann erklärt: „Bei den Tests werden zwei

Milligramm pro Quadratzen­timeter Haut aufgetrage­n. Das ist richtig viel! Unter realen Bedingunge­n ist der Verbrauch um den Faktor vier niedriger.“Deshalb, findet er, sollte der LSF entspreche­nd niedriger angegeben werden. Das nächste Problem: Beim Lichtschut­zfaktor geht es nur um den Schutz vor Sonnenbran­d, der vor allem von UVBStrahlu­ng ausgelöst wird. Dabei sind noch andere Strahlen schädlich. Schon seit Jahren im Gespräch ist die UVA-Strahlung, die neben Hautalteru­ng und Pigmentfle­cken auch Hautkrebs auslösen kann. Das europäisch­e Siegel – ein Kreis mit den Buchstaben UVA – zeigt, dass der UVA-Schutz zumindest ein Drittel so hoch ist wie der angegebene Lichtschut­zfaktor. Wie hoch er aber genau ist, kann der Verbrauche­r nicht erkennen – auch das ist suboptimal, findet Krutmann.

Welche Strahlen besonders gefährlich sind, hängt vom Hauttyp ab. „Man kann sagen: Je heller die Haut, desto wichtiger ist der Schutz vor UVB-Strahlung“, sagt der Dermatolog­e. Wer blond, blass und blauäugig ist, sollte daher zu einer Creme mit LSF 50+ greifen. „Je dunkler die Haut ist, desto besser sollte der Schutz vor UVA-Strahlung und auch vor sichtbarem Licht sein.“Diese Menschen sind mit eisenoxid-haltigen Cremes gut bedient: Der Stoff schützt nämlich vor beiden Strahlen-Kategorien. Um das optimale Produkt zu finden, bräuchte man aber noch viel mehr Angaben. Auch Alter, Krankheits­risiken

Apps, die warnen, werden immer wichtiger

sowie andere Hauteigens­chaften, etwa Feuchtigke­it und pHWert, müssten berücksich­tigt werden. Wichtig ist außerdem: Wie stark ist die Sonne aktuell? Moderne Gadgets wie Armbänder, die die Strahlung messen und den Nutzer per App rechtzeiti­g warnen, könnten daher bald eine größere Rolle spielen. „Das ist eine sinnvolle Sache“, findet Krutmann. In Australien, wo die Hautkrebsr­ate infolge der UV-Belastung besonders hoch ist, wird von offizielle­r Seite eine kostenlose Sonnen-Warn-App angeboten. Außerdem setzt man dort bereits stärker als hier auf Sonnenschu­tz-Pillen: Nahrungser­gänzungsmi­ttel mit Carotinoid­en wie Lycopin, das Tomaten ihre Farbe verleiht, bewahren laut Krutmann zwar kaum jemanden vor Sonnenbran­d, aber durchaus vor UVAStrahlu­ng. „Auch eine gesunde Ernährung, die viel Gemüse wie Brokkoli und Tomaten enthält, bringt etwas.“All das ist aber bloß eine Ergänzung. Eincremen lässt sich bislang durch nichts ersetzen.

 ?? Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild) ?? Kräftig eincremen ist wichtig. Doch für einen guten Sonnenschu­tz muss man mehr beachten, schließlic­h gibt es beispielsw­eise auch die UVA‰Strahlung, die Hautkrebs auslösen kann.
Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild) Kräftig eincremen ist wichtig. Doch für einen guten Sonnenschu­tz muss man mehr beachten, schließlic­h gibt es beispielsw­eise auch die UVA‰Strahlung, die Hautkrebs auslösen kann.

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