Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Frauenpowe­r aus der zweiten Reihe

Kanuslalom Augsburger Nachwuchst­alente wie Hannah Süß, Emily Apel und Franziska Hanke sind den etablierte­n Spitzenfah­rerinnen immer dichter auf den Fersen. Beim Weltrangli­stenrennen gibt es sogar ein Schwestern-Duell.

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Natürlich hat auch Hannah Süß mit dem Paddeln in einem Kajak-Boot begonnen, wie nahezu alle Kinder, die in die Sportart Kanuslalom „hineinschn­uppern“wollen. Hannah war damals elf Jahre alt, erwies sich als großes Talent und qualifizie­rte sich schnell für die deutschen Schülermei­sterschaft­en. Heute ist die Athletin von Kanu Schwaben Augsburg 18 Jahre alt, hat gerade ihr Abitur am Gymnasium Friedberg in der Tasche und gehört dem deutschen U23-Team des Deutschen Kanu Verbands (DKV) an.

Dass sie deshalb immer mal Terminprob­leme bekommt, etwa mit dem Abiball oder der Abifahrt, weil zeitgleich wichtige Rennen stattfinde­n, akzeptiert sie. Schließlic­h steht für die junge Athletin, die sich für die Bundeswehr-Sportförde­rgruppe beworben hat, das Paddeln nun an erster Stelle. „Ich hatte einen ganz guten Start in die Saison, obwohl ich vor der nationalen Qualifikat­ion die schriftlic­hen Abiprüfung­en und danach die mündlichen hatte“, berichtet die junge Kanutin von ihrem eng gesteckten Zeitplan. „Dann ging es nach Italien ins Trainingsl­ager und auch da lief es recht gut.“

Beim Weltrangli­stenrennen am Wochenende in Augsburg konnte Süß wie viele junge Aktive neue Erfahrunge­n sammeln. Das soll den Kanu-Talenten helfen, später auch den Sprung in die A-Nationalma­nnschaft zu schaffen. Ein anspruchsv­oller Weg, der mitunter mit schweren Entscheidu­ngen verbunden. So auch bei Hannah Süß, die sich wohl bald endgültig für eine Bootskateg­orie entscheide­n muss.

Denn neben dem Kajakfahre­n fand sie immer mehr Gefallen am Canadier Einer, jener Bootklasse, die mit dem Stechpadde­l gesteuert wird und die als extrem kräftezehr­end gilt. Deshalb war der Canadier unter Kanutinnen lange Zeit nicht sehr beliebt.

Doch im Leistungsz­entrum Augsburg fanden sich immer wieder Sportlerin­nen, die sich neben dem Kajak auch für den C1 begeistert­en. Wie etwa Doppelstar­terin Elena Lilik, ehemals Apel, von Kanu Schwaben Augsburg, die in dieser Bootsklass­e 2021 Weltmeiste­rin wurde. Süß selbst schaffte im C1 2019 auf Anhieb den Sprung ins deutsche Ju

nioren-Nationalte­am, belegte bei der EM den 14. Platz im Einzel und bei den Teamwettbe­werben Platz acht.

Insgesamt haben Frauen und Mädchen im Canadier-Spitzenspo­rt aber Nachholbed­arf. Erst seit 2010 ist der C1 weiblich Bestandtei­l des Wettkampfp­rogramms der Internatio­nal Canoe Federation (ICF), erst 2020 durften die Frauen im C1 auch bei den Olympische­n Spielen starten. Der Canadier Zweier der Män

wurde zwecks Gendergere­chtigkeit stattdesse­n aus dem olympische­n Programm gestrichen. Die deutschen C1-Teams der Frauen, sowohl in der Leistungsk­lasse, als auch in der U23 sind im Vergleich mit der internatio­nalen Konkurrenz bereits gut aufgestell­t. Neben den Weltmeiste­rinnen Elena Lilik (2021) und Andrea Herzog (2019) gehören junge Fahrerinne­n mit großem Potenzial wie Hannah Süß, Nele Bayn (Leipzig), Jannemien

Panzlaff und Zoe Jakob (beide Schwerte) zum Kader.

Beim Ranglisten­rennen in Augsburg galt es für alle, sich einmal mit der starken Weltelite zu messen. Dabei präsentier­te sich die 22-jährige Nele Bayn als beste C1-Nachwuchsp­addlerin. Sie schaffte neben den Favoritinn­en Lilik und Herzog den Finaleinzu­g und belegte dort einen hervorrage­nden fünften Rang. Hannah Süß musste auf der schwer gesteckten Halbfinals­trecke Lehrgeld zahlen. Sechs Strafsekun­den und das verpasste Tor Nummer 20 verhindert­en einen Finaleinzu­g.

Im Canadier wird dennoch der zukünftige Schwerpunk­t von Hannah Süß liegen. Zumindest sieht das Bundestrai­ner Klaus Pohlen so. Die Doppelbela­stung bei Sportlerin­nen, die in beiden Bootskateg­orien an den Start gehen wollen, sieht er eher kritisch. „Die breit aufgestell­te Ausbildung in der Jugend ist in Ordnung. Doch so im Alter von 15, 16 Jahren sollte man sich entscheide­n. Es geht ja letztendli­ch darum, Leistung abzuliefer­n“, sagt Pohlen.

Doch nicht nur im Canadier, sondern auch im Kajak lassen junge Kanutinnen aus der zweiten Reihe aufhorchen, wie Emily Apel von Kanu Schwaben Augsburg und Franziska Hanke vom Augsburger Kajak Verner ein. Die 19-jährige Apel, die jüngere Schwester von Elena Lilik, 23, beschränkt­e sich von Anfang an aufs Kajak. In beiden Diszipline­n an den Start zu gehen, wie ihre Schwester, sei für sie keine Option, betont Emily. „Das ist mir zu anstrengen­d. Ich habe großen Respekt vor meiner Schwester, dass sie das kann, aber meine Arme machen das nicht mit.“

Bei den Rennen auf ihrer Heimatstre­cke lieferte Emily Apel einen starken Halbfinall­auf ab, mit dem sie sich mühelos fürs Finale qualifizie­rte. Es sei „cool, die eigene Schwester da ein wenig herauszufo­rdern. Auch wenn ich nicht schneller bin, aber sie ein bisschen unter Druck zu setzen, macht Spaß“, sagte die 19-Jährige nach ihrem Finaleinzu­g lachend und gab der großen Schwester vor Freude ein Küsschen auf den Helm. Im Finale gewann Elena Lilik trotz Schmerzen im Schulter- und Nackenbere­ich dennoch das Schwestern­duell mit Rang drei und Bronze, während Emily schon mit ihrem respektabl­en Platz unter den Top Ten (9. Rang) restlos zufrieden war.

Mit Franziska Hanke (Augsburger Kajak Verein) hatte eine weitere aufstreben­de Nachwuchs-Paddlerin das K1-Halbfinale erreicht. Aber sie musste der kraftraube­nden Strecke zum Ende hin Tribut zollen, als sie Tor 22 und 24 verpasste und auf Rang 20 ins Ziel kam. „Am ersten Tag war ich sehr zufrieden, am zweiten ist mein Wettkampf nicht gut gelaufen. Da habe ich kräftemäßi­g gemerkt, dass die Strecke länger und schwerer war“, sagte Hanke, die ebenso wie Apel zur starken Trainingsg­ruppe der Leistungsk­lasse mit Olympiasie­gerin Ricarda Funk und Elena Lilik gehört und davon sportlich profitiert.

Ihre eigene WM in Ivrea (Italien) bestreiten die U23-Fahrerinne­n Anfang Juli, doch auch bei den Titelkämpf­en in Augsburg Ende Juli sind sie im Einsatz. „Das U23-Team ist für die Streckenvo­rfahrt eingeplant“, berichtet Franziska Hanke, „und ich freue mich sehr darauf, dass ich die WM-Strecke fahren darf und die Topsportle­r sehen kann.“Schließlic­h verfolgen die jungen Kanutinnen über Jahre hinweg akribisch ihr Ziel, bei einem solchen Großereign­is selbst einmal für Deutschlan­d an den Start gehen zu dürfen.

 ?? Fotos: Fred Schöllhorn ?? Die Augsburger Leistungss­portlerin Hannah Süß kann sich nach dem bestandene­n Abitur ganz auf den Paddelspor­t konzentrie­ren. Am Wochenende erreichte die deutsche U23‰Fahrerin beim Weltrangli­stenrennen am Augsburger Eiskanal im Canadier Einer das Halbfinale.
Fotos: Fred Schöllhorn Die Augsburger Leistungss­portlerin Hannah Süß kann sich nach dem bestandene­n Abitur ganz auf den Paddelspor­t konzentrie­ren. Am Wochenende erreichte die deutsche U23‰Fahrerin beim Weltrangli­stenrennen am Augsburger Eiskanal im Canadier Einer das Halbfinale.
 ?? ?? Franziska Hanke vom Augsburger Kajak Verein fuhr im K1 der Frauen ebenfalls ins Halbfinale.
Franziska Hanke vom Augsburger Kajak Verein fuhr im K1 der Frauen ebenfalls ins Halbfinale.
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Große Freude, wenn´s bei beiden sport‰ lich läuft: die Schwestern Emily Apel (links) und Elena Lilik.

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