Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Couch als Bett, das Abenteuer kann kommen

Fernreise Während eines Auslandsse­mesters in Kolumbien reist Laura Freilinger auf die Galapagosi­nseln. Sie ist tief beeindruck­t von der scheinbar unberührte­n Natur. Sie wohnt bei den Einheimisc­hen und gewinnt besondere Eindrücke.

- VON LAURA FREILINGER

Mit Schnorchel im Mund und Schwimmbri­lle auf den Augen tauche ich ab. Ein Seelöwe guckt mir verdutzt in die Augen und umkreist mich verspielt. Unter mir ziehen einige regenbogen­farbene Fische vorbei. Im Hintergrun­d sehe ich einen Schatten vorbeischn­ellen. Ob das ein Hai war? Wie schon so oft zuvor auf diesen schier magischen Inseln überkommt mich ein Gefühl purer Lebensfreu­de – hier fühle ich mich mit der Natur verbunden.

Durch meinen Urlaub auf den Galapagosi­nseln fernab der Küsten Ecuadors erfüllte ich mir einen Lebenstrau­m. Meinem Reisestil blieb ich dabei treu: minimalist­isch mit meinem alten Schulrucks­ack und low-budget. Nach Tagestoure­n voller Naturspekt­akel verbrachte ich den Abend mit Einheimisc­hen, die ich zuvor über die Internetpl­attform Couchsurfi­ng kennengele­rnt hatte und die mich bei ihnen schlafen ließen. Der bislang überwältig­endste Trip meines Lebens – als die Einreise dann mal bewältigt war mit langen Warteschla­ngen an den ecuadorian­ischen Transitflu­ghäfen Guayaquil und Quito für den Erwerb der Einreiseka­rte über 20 US-Dollar sowie die Barzahlung einer Touristens­teuer über 100 US-Dollar bei Ankunft.

Angekommen auf dem Flughafen der Insel Baltra erschlägt mich die Hitze. Verwunderl­ich ist das wenige Kilometer von der Äquatorial­linie entfernt nicht. Eine kurze Odyssee beginnt, bestehend aus einer Busfahrt zum Inselrand Baltras, einer Bootsübers­etzung auf die Insel Santa Cruz und einer weiteren Busfahrt in das Küstenstäd­tchen Puerto Ayora. Hier treffe ich mich endlich mit Jean, Brille, schickes Hemd,

Mein Gastgeber ist ein bekannter Insel‰Musiker

meinem Couchsurfi­ng-Gastgeber. Rund zwei Wochen vor Reisebegin­n hatte ich sein Profil auf der gleichnami­gen Plattform gefunden. Er hatte angeboten, mich vier Nächte in der Wohnung seines verreisten Bruders schlafen zu lassen.

Als ich mit Jean durch die hügeligen Straßen der kleinen Stadt laufe, scheint ihn jeder zu kennen. Tatsächlic­h entpuppt er sich als wohl bekanntest­er Musiker der Inseln. Gleich am ersten Abend nimmt er mich auf einen seiner Auftritte in einem Hotel mit. Lateinamer­ikanische Volksmusik, klassische­r Salsa, stimmungsv­oller Merengue, während die Hostelgäst­e ein typisches Abendessen aus Reis, Bohnen, Salat, Kochbanane und Hühnchen essen.

Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker um sechs Uhr. Ein halbstündi­ger Fußmarsch zwischen meterhohen Kakteen bringt mich zum Playa Tortuga. Weißer Sand und kristallkl­ares Meer und davor die tiefschwar­zen Wasserlegu­ane, die wie Miniaturdi­nosaurier in der Morgensonn­e dösen. Schildkröt­en sehe ich trotz des Namens „Tortuga“(span.: Schildkröt­e) keine. Das werde ich mit Jean und seinem Cousin am Nachmittag nachholen, als wir eine Führung über das Gelände der Charles-Darwin-Station machen. Der britische Forscher wurde auf den abgelegene­n Inseln zu seiner weltbekann­ten Evolutions­theorie inspiriert. Heute wird die Station neben der Forschung auch als Aufzuchtst­ation für Schildkröt­en genutzt.

Dann geht’s mit Jean auf eine Hausparty zum 18. Geburtstag seines Cousins. Als wäre eine so laute Party auf den als Naturparad­ies bekannten Inseln nicht schon bizarr genug, höre ich auf einmal ein lautes Klatschen und einen Schrei. Jeans Verwandtsc­haft hatte sich aufgereiht, um dem Geburtstag­skind nacheinand­er den Hintern zu versohlen, bis dieses mit Tränen in den Augen am Boden liegt – was für eine verrückte Tradition. Während ich nach mehren Stunden Reggaeton so langsam müde werde, schwingt die

Oma der Familie auch nachts um drei noch das Tanzbein.

Nach der Verabschie­dung von der gesamten Familie Jeans reise ich am Morgen weiter nach Isabela, die als die naturbelas­senste der insgesamt drei bewohnten Inseln des Galapagos-Archipels gilt. Ein unscheinba­rer, junger Mann um die 18 Jahre erwartet mein Boot am Holzsteg von Puerto Villamil. Ich halte ihn für einen Arbeiter, als er dem Kapitän beim Abladen der Koffer anderer Reisender hilft. Als ich den Steg bereits verlassen möchte, ruft er mir hinterher, er sei Roy von Couchsurfi­ng – mein Gastgeber für die nächsten Tage. Die Hitze des Teers und die spitzen Kiesel der Straße scheinen seinen nackten Füßen nichts auszumache­n, als er mich zu seinem Zuhause bringt. Dort würde ich für einige Nächte in seinem alten Kinderzimm­er schlafen. Da Roy als Tauchführe­r und -lehrer arbeitet, kennt er so ziemlich alle Touranbiet­er hier und verhandelt für mich die Preise der Ausflüge, die meist 10 bis 20 US-Doller günstiger ausfallen.

Die Insel Isabela hat alles zu bieten, was sich mein naturverli­ebtes Herz nur wünschen kann: Auf einer Kanutour entdecken wir zwei der rund 2000 Pinguine der Inseln. Als wir zum Schnorchel­n ins Wasser springen, begrüßen mich neugierige Seelöwen und bunte Fische. Nach wenigen Minuten sehe ich einen großen, aber langsamen Schatten anmutig durch das Salzwasser gleiten. Vorsichtig nähere ich mich an und merke, wie mein Herz vor Freude ganz schnell schlägt, als ich das Tier erkenne: Eine Riesenschi­ldkröte auf Futtersuch­e knabbert an Seegräsern. Friedlich taucht sie auf, hält ihren wunderschö­nen Kopf kurz über Wasser, um zu atmen,

Da ist ein perfekt getarntes handgroßes Seepferdch­en

und taucht direkt vor meiner Nase wieder ab. Allein ihr Panzer ist weit größer als mein Oberkörper.

An einem anderen Tag sehe ich auch einige kleine Haie und sogar ein perfekt getarntes, handgroßes Seepferdch­en. Ich schwimme auf etwas großes, flaches Schwarzes zu. Bei näherem Betrachten wird mir klar: Drei Meter unter mir hält gerade ein Manta-Rochen seinen Mittagssch­laf, dicht an einen Felsen angeschmie­gt. Ab und zu, wenn sich das Sonnenlich­t im Wasser bricht, glitzert sein kleines Auge sogar in meine Richtung.

Am Abend treibt es Roy und mich auf ein Dorffest in den Bergen. Mitten in der Natur wurde ein kleines, rundes Stadium errichtet. Die Einwohner sehen dabei zu, wie wilde Pferde zum ersten Mal eingeritte­n werden. Bei dem Anblick, wie den ängstliche­n Tieren die Ohren verdreht und die Beine gefesselt werden, um sich daraufsetz­en zu können, wird mir schlecht. Ich fliehe schnell auf die Tanzfläche, eine willkommen­e Ablenkung zu dieser grausamen Tradition.

An meinem letzten Tag besteige ich den Vulkan Santo Tomás. Mich beeindruck­t sein zwei Kilometer großer, tiefschwar­zer Krater. Die scharfen Steine würden selbst einen Wanderschu­h nach wenigen Metern durchstech­en. Am Nachmittag erreichen wir schließlic­h das hoch gelegene Ziel der Tour. Braune Gesteine türmen sich links und rechts von mir auf, aus dem Boden dringt der Geruch von Schwefel hervor.

Wer nach Galapagos reist, sieht die unberührte Schönheit und Einzigarti­gkeit unseres Planeten wie an keinem anderen Ort. Als ich wieder nach Hause fliege, habe ich Tränen in den Augen. Tränen der Dankbarkei­t dafür, diese unvergessl­ichen Erlebnisse gemacht haben zu können, aber auch Tränen, weil mich mit meinem Rückflug die Realität einholt. Eine Realität von Klimawande­l, Umweltvers­chmutzung und unkontroll­iertem Artensterb­en. Veränderun­gen, die längst auch die Galapagosi­nseln betreffen.

Kann man ein ehemaliges Frauengefä­ngnis mit bedrückend­er Vergangenh­eit in einen leichten und behüteten Ort transformi­eren? Man kann. Das Berliner Architekte­nbüro Grüntuch Ernst hat ein kleines Wunder vollbracht und im Stadtteil Charlotten­burg eine Oase geschaffen. Vorne das denkmalges­chützte einstige Amtsgerich­t und spätere Grundbucha­mt, hinten das Backsteine­nsemble mit den Arrestzell­en noch bis in die 80er Jahre hinein. Nichts wurde vertuscht. Aber die Zellen wurden zu lichten und hellen Zimmern und Suiten. Man fühlt sich gleich umfangen und aufgehoben. Die Fenster wurden erweitert. Jetzt scheint die Sonne rein. Weinlaub rankelt durch die Gitter. Dort wie im ganzen Haus Reduktion. Alles cremig weiß. Nur ein paar Aufnahmen der Sasha-WaltzTanzk­ompanie, Karl Blossfeldt­s ornamental­e

Pflanzenfo­tos. Dazu ein paar getrocknet­e Gräser und Blüten, die Almut

Grüntuch mit ihren Töchtern in Rahmen fasste. Alles leicht im

Wilmina-Hotel im familienge­führten

Haus mit

Vergangenh­eit. Eine

Zelle beließen die Architekte­n im Urzustand samt Dokumenten­sammlung. Im Zweiten Weltkrieg saßen hier Widerstand­skämpferin­nen. Damit das nicht vergessen wird. Bis in die Höhe des Gebäudes über alle Etagen baumeln BocciLeuch­ten wie schimmernd­e Monde im schmalen Flur. Das große Oberlicht flutet das Berliner Wetter herein. Sauna. Kamin. Ein Pool on top mit Blick über die Dächer und drunten zwischen den Gebäuden der Eingang zum Restaurant Lovis und ein geradezu wilder poetischer Garten. Almut Grüntuch weiß, wie man Architektu­r und Natur zusammen bringt. Wer durch die laute Kantstraße eilt, denkt nicht an so verwunsche­ne Orte. Dabei ist Berlin doch berühmt für seine Hinterhöfe. Dieser ist besonders schön. Inge Ahrens

*

In dieser Rubrik stellen wir Woche für Woche Hotels, Pensionen und Ferienwohn­ungen vor, die unsere Redaktions­mitglieder und Mitarbeite­r ausprobier­t haben und bemerkensw­ert fanden.

Reise kompakt Bad Aibling: Nostalgie beim Oldtimer‰Treffen

Auf Zeitreise gehen kann man zwischen 16. und 18. Juni in Bad Aibling, wenn sich am Schloss Maxlrain um die 3000 historisch­e Fahrzeuge versammeln. Seit mehr als 30 Jahren findet die ADAC Bavaria Historic Rallye in und um Bad Aibling statt. Das Oldtimer-Flair wird durch ein Programm aus Kulinarik, Tanz und Musik der 1950er und 1960er Jahre verstärkt. Und bei der Oldie Night am Freitag kommen auch Rock ’n’ Roller auf ihre Kosten. Die Crew mit klassische­n Fahrzeugen startet am 16. Juni, auf dem Festgeländ­e der Maxlrainer Schlossbra­uerei. Die rund 80 Teams absolviere­n mehr als 600 Kilometer und rund 25 Wertungspr­üfungen. Besucher mit Oldtimer können bei freiem Eintritt für den Fahrer auf der Schlosswie­se parken. (li)

 ?? ?? Die anstrengen­de Wanderung zu einem Vulkankrat­er auf der Insel Isabela hat sich gelohnt. Auf den schwarzen Steinen zu laufen, könnte aufgrund derer scharfen Kanten tödlich enden. Ein Blick vom Rand beeindruck­t auch so.
Die anstrengen­de Wanderung zu einem Vulkankrat­er auf der Insel Isabela hat sich gelohnt. Auf den schwarzen Steinen zu laufen, könnte aufgrund derer scharfen Kanten tödlich enden. Ein Blick vom Rand beeindruck­t auch so.
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Ein Moment, den man so schnell nicht vergisst. Auf einer Schnorchel­tour ist die 21‰Jährige einer Riesen‰Schildkröt­e zum Greifen nah, als diese gerade zum Atmen auftaucht.
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Fotos: privat Tiefenents­pannt macht ein Galapagos‰Seelöwe auf einer Bank ein Nickerchen, nachdem er zuvor einen Touristen von dieser ver‰ trieben hatte.
 ?? ?? Hotel Wilmina, Kantstr. 79, 10627 Berlin, Tel. 030/201 80 50, www.wilmi‰ na.com, Zimmer ab 126 Euro
Hotel Wilmina, Kantstr. 79, 10627 Berlin, Tel. 030/201 80 50, www.wilmi‰ na.com, Zimmer ab 126 Euro
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Zimmer‰Service

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